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Hölty, Ludwig Christoph Heinrich: Gedichte. Hamburg, 1783.

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lieblichen Mädchen hielt. Die eine war vorzüglich
schön, und gefiel mir höchlich. Ich stellte mich dicht
an die Thüre, als sie abstieg und wieder einstieg, und
verschlang ihre Reize. Sie kam einmal so nahe bei mir
vorbei, dass mich ihr schöner Arm ein wenig berührte.
Betrübt sah ich sie wegfahren. Ich freute mich, dass
mein Herz noch fühlen konnte. Welch ein Himmel
ist die Liebe! Der ist ein Engel, der in diesem Himmel
wohnen kann, der ein Verdammter, der nie einen Plaz
darin bekommt. Troz meiner strupfichten Locken hätte
sie mich vielleicht angelächelt, wenn sie gewusst hätte,
dass der berühmte Traumbilderdichter vor ihr stünde."

Spät im Herbste 1774 fing er an, des Morgens Blut
auszuwerfen, welches er für die unschädliche Folge
eines im ersten akademischen Jahre gehabten hartnäcki¬
gen Hustens, und lange zurückgebliebenen Stiches hielt.
Im Anfange des Mais 1775, wenige Wochen nach dem
Tode seines Vaters, ging er von Göttingen über Han¬
nover nach Mariensee zurück, wo er seine Kur unter
Zimmermanns Anleitung fortsezte. Den 8 Mai schrieb
er mir: "Vielleicht, hat Zimmermann Leisewizen ge¬
sagt, könnte ich noch von der Schwindsucht gerettet
werden, wenn ich die verordneten Arzeneien gebrauch¬
te, und die vorgeschriebene Diät befolgte. Du siehst also,
wie gefährlich meine Krankheit ist, und auf welch ei¬
nem schmalen Scheidewege zwischen Leben und Tod

ich

lieblichen Mädchen hielt. Die eine war vorzüglich
ſchön, und gefiel mir höchlich. Ich ſtellte mich dicht
an die Thüre, als ſie abſtieg und wieder einſtieg, und
verſchlang ihre Reize. Sie kam einmal ſo nahe bei mir
vorbei, daſs mich ihr ſchöner Arm ein wenig berührte.
Betrübt ſah ich ſie wegfahren. Ich freute mich, daſs
mein Herz noch fühlen konnte. Welch ein Himmel
iſt die Liebe! Der iſt ein Engel, der in dieſem Himmel
wohnen kann, der ein Verdammter, der nie einen Plaz
darin bekommt. Troz meiner ſtrupfichten Locken hätte
ſie mich vielleicht angelächelt, wenn ſie gewuſst hätte,
daſs der berühmte Traumbilderdichter vor ihr ſtünde.“

Spät im Herbſte 1774 fing er an, des Morgens Blut
auszuwerfen, welches er für die unſchädliche Folge
eines im erſten akademiſchen Jahre gehabten hartnäcki¬
gen Huſtens, und lange zurückgebliebenen Stiches hielt.
Im Anfange des Mais 1775, wenige Wochen nach dem
Tode ſeines Vaters, ging er von Göttingen über Han¬
nover nach Marienſee zurück, wo er ſeine Kur unter
Zimmermanns Anleitung fortſezte. Den 8 Mai ſchrieb
er mir: „Vielleicht, hat Zimmermann Leiſewizen ge¬
ſagt, könnte ich noch von der Schwindſucht gerettet
werden, wenn ich die verordneten Arzeneien gebrauch¬
te, und die vorgeſchriebene Diät befolgte. Du ſiehſt alſo,
wie gefährlich meine Krankheit iſt, und auf welch ei¬
nem ſchmalen Scheidewege zwiſchen Leben und Tod

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[XX/0028] lieblichen Mädchen hielt. Die eine war vorzüglich ſchön, und gefiel mir höchlich. Ich ſtellte mich dicht an die Thüre, als ſie abſtieg und wieder einſtieg, und verſchlang ihre Reize. Sie kam einmal ſo nahe bei mir vorbei, daſs mich ihr ſchöner Arm ein wenig berührte. Betrübt ſah ich ſie wegfahren. Ich freute mich, daſs mein Herz noch fühlen konnte. Welch ein Himmel iſt die Liebe! Der iſt ein Engel, der in dieſem Himmel wohnen kann, der ein Verdammter, der nie einen Plaz darin bekommt. Troz meiner ſtrupfichten Locken hätte ſie mich vielleicht angelächelt, wenn ſie gewuſst hätte, daſs der berühmte Traumbilderdichter vor ihr ſtünde.“ Spät im Herbſte 1774 fing er an, des Morgens Blut auszuwerfen, welches er für die unſchädliche Folge eines im erſten akademiſchen Jahre gehabten hartnäcki¬ gen Huſtens, und lange zurückgebliebenen Stiches hielt. Im Anfange des Mais 1775, wenige Wochen nach dem Tode ſeines Vaters, ging er von Göttingen über Han¬ nover nach Marienſee zurück, wo er ſeine Kur unter Zimmermanns Anleitung fortſezte. Den 8 Mai ſchrieb er mir: „Vielleicht, hat Zimmermann Leiſewizen ge¬ ſagt, könnte ich noch von der Schwindſucht gerettet werden, wenn ich die verordneten Arzeneien gebrauch¬ te, und die vorgeſchriebene Diät befolgte. Du ſiehſt alſo, wie gefährlich meine Krankheit iſt, und auf welch ei¬ nem ſchmalen Scheidewege zwiſchen Leben und Tod ich

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Zitationshilfe: Hölty, Ludwig Christoph Heinrich: Gedichte. Hamburg, 1783, S. XX. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoelty_gedichte_1783/28>, abgerufen am 24.11.2024.