etwas zahlreich war, musste das Gespräch sehr anzie¬ hend, oder gradezu an ihn gerichtet sein, eh er sich darein mischte. Dann sprach er oft lebhaft, schnell und mit erhöhter Stimme, und sein Gesicht ward weniger blass. Manchmal, wenn er lange wie mit abwesender Seele gesessen hatte, unterbrach er das Gespräch durch einen drollichten Einfall, der desto mehr Lachen erregte, da er ihn mit ganz trockener Stimme und ehrbarem Ge¬ sicht vorbrachte. Es geschah häufig, wenn er mit sei¬ nen Freunden auf der Gasse ging, dass ihn jemand an¬ hielt, und zum Kaffe nöthigte. Hölty fragte nach der Wohnung, und war plözlich verschwunden. Aber bald kam er wieder daher gewankt, ohne sich merken zu lassen, dass er weggewesen war. Er ging nur hin, machte dem Wirt einen Bückling, trank, ohne ein Wort zu sprechen, was ihm eingeschenkt wurde, und ging wieder weg. So hatte er selbst Leisewiz schon oft besucht, bis sie endlich zu einer Unterredung kamen.
Mit diesem Scheine von Gleichgültigkeit verband er eine brennende Neugier. Man konnte ihn, wie Sokra¬ tes scherzend von sich sagte, mit einer versprochenen Neuigkeit, wie ein Kalb mit vorgehaltenem Grase, locken wohin man wollte. Er wusste zuerst, was die Messe gutes und böses gebracht hatte, und durchblätterte hohe Stapel aus dem Buchladen; ihm entging keine Re¬
zension,
etwas zahlreich war, muſste das Geſpräch ſehr anzie¬ hend, oder gradezu an ihn gerichtet ſein, eh er ſich darein miſchte. Dann ſprach er oft lebhaft, ſchnell und mit erhöhter Stimme, und ſein Geſicht ward weniger blaſs. Manchmal, wenn er lange wie mit abweſender Seele geſeſſen hatte, unterbrach er das Geſpräch durch einen drollichten Einfall, der deſto mehr Lachen erregte, da er ihn mit ganz trockener Stimme und ehrbarem Ge¬ ſicht vorbrachte. Es geſchah häufig, wenn er mit ſei¬ nen Freunden auf der Gaſſe ging, daſs ihn jemand an¬ hielt, und zum Kaffe nöthigte. Hölty fragte nach der Wohnung, und war plözlich verſchwunden. Aber bald kam er wieder daher gewankt, ohne ſich merken zu laſſen, daſs er weggeweſen war. Er ging nur hin, machte dem Wirt einen Bückling, trank, ohne ein Wort zu ſprechen, was ihm eingeſchenkt wurde, und ging wieder weg. So hatte er ſelbſt Leiſewiz ſchon oft beſucht, bis ſie endlich zu einer Unterredung kamen.
Mit dieſem Scheine von Gleichgültigkeit verband er eine brennende Neugier. Man konnte ihn, wie Sokra¬ tes ſcherzend von ſich ſagte, mit einer verſprochenen Neuigkeit, wie ein Kalb mit vorgehaltenem Graſe, locken wohin man wollte. Er wuſste zuerſt, was die Meſſe gutes und böſes gebracht hatte, und durchblätterte hohe Stapel aus dem Buchladen; ihm entging keine Re¬
zenſion,
<TEI><text><front><divn="1"><p><pbfacs="#f0019"n="XI"/>
etwas zahlreich war, muſste das Geſpräch ſehr anzie¬<lb/>
hend, oder gradezu an ihn gerichtet ſein, eh er ſich<lb/>
darein miſchte. Dann ſprach er oft lebhaft, ſchnell und<lb/>
mit erhöhter Stimme, und ſein Geſicht ward weniger<lb/>
blaſs. Manchmal, wenn er lange wie mit abweſender<lb/>
Seele geſeſſen hatte, unterbrach er das Geſpräch durch<lb/>
einen drollichten Einfall, der deſto mehr Lachen erregte,<lb/>
da er ihn mit ganz trockener Stimme und ehrbarem Ge¬<lb/>ſicht vorbrachte. Es geſchah häufig, wenn er mit ſei¬<lb/>
nen <choice><sic>Ereunden</sic><corr>Freunden</corr></choice> auf der Gaſſe ging, daſs ihn jemand an¬<lb/>
hielt, und zum Kaffe nöthigte. Hölty fragte nach der<lb/>
Wohnung, und war plözlich verſchwunden. Aber<lb/>
bald kam er wieder daher gewankt, ohne ſich merken<lb/>
zu laſſen, daſs er weggeweſen war. Er ging nur hin,<lb/>
machte dem Wirt einen Bückling, trank, ohne ein<lb/>
Wort zu ſprechen, was ihm eingeſchenkt wurde, und<lb/>
ging wieder weg. So hatte er ſelbſt Leiſewiz ſchon<lb/>
oft beſucht, bis ſie endlich zu einer Unterredung<lb/>
kamen.</p><lb/><p>Mit dieſem Scheine von Gleichgültigkeit verband er<lb/>
eine brennende Neugier. Man konnte ihn, wie Sokra¬<lb/>
tes ſcherzend von ſich ſagte, mit einer verſprochenen<lb/>
Neuigkeit, wie ein Kalb mit vorgehaltenem Graſe,<lb/>
locken wohin man wollte. Er wuſste zuerſt, was die<lb/>
Meſſe gutes und böſes gebracht hatte, und durchblätterte<lb/>
hohe Stapel aus dem Buchladen; ihm entging keine Re¬<lb/><fwplace="bottom"type="catch">zenſion,<lb/></fw></p></div></front></text></TEI>
[XI/0019]
etwas zahlreich war, muſste das Geſpräch ſehr anzie¬
hend, oder gradezu an ihn gerichtet ſein, eh er ſich
darein miſchte. Dann ſprach er oft lebhaft, ſchnell und
mit erhöhter Stimme, und ſein Geſicht ward weniger
blaſs. Manchmal, wenn er lange wie mit abweſender
Seele geſeſſen hatte, unterbrach er das Geſpräch durch
einen drollichten Einfall, der deſto mehr Lachen erregte,
da er ihn mit ganz trockener Stimme und ehrbarem Ge¬
ſicht vorbrachte. Es geſchah häufig, wenn er mit ſei¬
nen Freunden auf der Gaſſe ging, daſs ihn jemand an¬
hielt, und zum Kaffe nöthigte. Hölty fragte nach der
Wohnung, und war plözlich verſchwunden. Aber
bald kam er wieder daher gewankt, ohne ſich merken
zu laſſen, daſs er weggeweſen war. Er ging nur hin,
machte dem Wirt einen Bückling, trank, ohne ein
Wort zu ſprechen, was ihm eingeſchenkt wurde, und
ging wieder weg. So hatte er ſelbſt Leiſewiz ſchon
oft beſucht, bis ſie endlich zu einer Unterredung
kamen.
Mit dieſem Scheine von Gleichgültigkeit verband er
eine brennende Neugier. Man konnte ihn, wie Sokra¬
tes ſcherzend von ſich ſagte, mit einer verſprochenen
Neuigkeit, wie ein Kalb mit vorgehaltenem Graſe,
locken wohin man wollte. Er wuſste zuerſt, was die
Meſſe gutes und böſes gebracht hatte, und durchblätterte
hohe Stapel aus dem Buchladen; ihm entging keine Re¬
zenſion,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Hölty, Ludwig Christoph Heinrich: Gedichte. Hamburg, 1783, S. XI. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoelty_gedichte_1783/19>, abgerufen am 19.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.