Hölty, Ludwig Christoph Heinrich: Gedichte. Hamburg, 1783.zension, worin seiner selbst, oder eines Bekannten, in Nie sah man ihn mürrisch oder zerstreut, wenn er, sein
zenſion, worin ſeiner ſelbſt, oder eines Bekannten, in Nie ſah man ihn mürriſch oder zerſtreut, wenn er, ſein
<TEI> <text> <front> <div n="1"> <p><pb facs="#f0020" n="XII"/> zenſion, worin ſeiner ſelbſt, oder eines Bekannten, in<lb/> Ehren oder Unehren gedacht wurde: wiewohl ihm Lob<lb/> und Tadel, weil beides ſchon dazumal meiſt von Un¬<lb/> mündigen und Beſoldeten ertheilet ward, beinahe gleich¬<lb/> viel Freude machte. Ganze Tage, und oft den gröſsten<lb/> Theil der Nacht, ſaſs er, ſich ſelbſt und die ganze Welt<lb/> vergeſſend, über dicke Folianten und Quartanten hin¬<lb/> gebückt, mit ſo unermüdeter Geduld, daſs er ſie in we¬<lb/> nigen Wochen durchlas. Eigentlich naſchte ſein Geiſt<lb/> mehr in den meiſten Büchern, als daſs er ſie zweck¬<lb/> mäſſig gewählt, und Vorrath für künftige Bedürfniſſe<lb/> eingeſammelt hätte. Mit eben dem eiſernen Fleiſſe<lb/> durcharbeitete er ſchlechte Oden der Engelländer und<lb/> Italiener, und hatte ſeine herzliche Freude darüber, daſs<lb/> ſie ſo ſchlecht waren. Gute Gedichte ſchrieb er ganz<lb/> oder ſtellenweiſe ab; auch haben wir unter ſeinen Pa¬<lb/> pieren Ueberſezungen aus Taſſo und Arioſt, und kleiner<lb/> griechiſcher Gedichte gefunden, die aber nicht für den<lb/> Druck beſtimmt ſind. Da er in den lezten Jahren auch<lb/> die ſpaniſche Sprache lernte, ſo hatte ſeine Wiſsbegierde<lb/> ein groſſes Feld vor ſich, und ſammelte jede Frucht der<lb/> Erkenntniſs, und jede Blume des Vergnügens, welche<lb/> ſie reizte, unverpflanzt und unverkümmert auf ihrem<lb/> heimiſchen Boden.</p><lb/> <p>Nie ſah man ihn mürriſch oder zerſtreut, wenn er,<lb/> vom Leſen erhizt, überfallen ward; er klappte ruhig<lb/> <fw place="bottom" type="catch">ſein<lb/></fw> </p> </div> </front> </text> </TEI> [XII/0020]
zenſion, worin ſeiner ſelbſt, oder eines Bekannten, in
Ehren oder Unehren gedacht wurde: wiewohl ihm Lob
und Tadel, weil beides ſchon dazumal meiſt von Un¬
mündigen und Beſoldeten ertheilet ward, beinahe gleich¬
viel Freude machte. Ganze Tage, und oft den gröſsten
Theil der Nacht, ſaſs er, ſich ſelbſt und die ganze Welt
vergeſſend, über dicke Folianten und Quartanten hin¬
gebückt, mit ſo unermüdeter Geduld, daſs er ſie in we¬
nigen Wochen durchlas. Eigentlich naſchte ſein Geiſt
mehr in den meiſten Büchern, als daſs er ſie zweck¬
mäſſig gewählt, und Vorrath für künftige Bedürfniſſe
eingeſammelt hätte. Mit eben dem eiſernen Fleiſſe
durcharbeitete er ſchlechte Oden der Engelländer und
Italiener, und hatte ſeine herzliche Freude darüber, daſs
ſie ſo ſchlecht waren. Gute Gedichte ſchrieb er ganz
oder ſtellenweiſe ab; auch haben wir unter ſeinen Pa¬
pieren Ueberſezungen aus Taſſo und Arioſt, und kleiner
griechiſcher Gedichte gefunden, die aber nicht für den
Druck beſtimmt ſind. Da er in den lezten Jahren auch
die ſpaniſche Sprache lernte, ſo hatte ſeine Wiſsbegierde
ein groſſes Feld vor ſich, und ſammelte jede Frucht der
Erkenntniſs, und jede Blume des Vergnügens, welche
ſie reizte, unverpflanzt und unverkümmert auf ihrem
heimiſchen Boden.
Nie ſah man ihn mürriſch oder zerſtreut, wenn er,
vom Leſen erhizt, überfallen ward; er klappte ruhig
ſein
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