Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hölderlin, Friedrich: Hyperion. Zweiter Band. Tübingen, 1799.

Bild:
<< vorherige Seite

es wäre so mit mir, du Guter! aber hier ists Ernst!

Ernst? rief ich, und warum denn?

Darum, mein Hyperion, sagt' er sanft, weil ich dein künftig Glük nicht gerne stören möchte, weil ich Diotimas Nähe fürchten muß. Glaube mir, es ist gewagt, um Liebende zu leben, und ein thatlos Herz, wie meines nun ist, hält es schwerlich aus.

Ach guter Alabanda! sagt' ich lächelnd, wie miskennst du dich! Du bist so wächsern nicht und deine veste Seele springt so leicht nicht über ihre Gränzen. Zum erstenmal in deinem Leben bist du grillenhaft. Du machtest hier bei mir den Krankenwärter und man sieht, wie wenig du dazu geboren bist. Das Stillesizen hat dich scheu gemacht -

Siehst du? rief er, das ists eben. Werd' ich thätiger leben mit euch? und wenn es eine Andre wäre! aber diese Diotima! kann ich anders? kann ich sie mit halber Seele fühlen? sie, die um und um so innig Eines ist, Ein göttlich ungetheiltes Leben? Glaube mir, es ist ein kindischer Versuch, diß Wesen sehn zu wollen ohne Liebe. Du blikst mich an, als kenntest du mich nicht? Bin ich doch

II. Bd. F

es wäre so mit mir, du Guter! aber hier ists Ernst!

Ernst? rief ich, und warum denn?

Darum, mein Hyperion, sagt’ er sanft, weil ich dein künftig Glük nicht gerne stören möchte, weil ich Diotimas Nähe fürchten muß. Glaube mir, es ist gewagt, um Liebende zu leben, und ein thatlos Herz, wie meines nun ist, hält es schwerlich aus.

Ach guter Alabanda! sagt’ ich lächelnd, wie miskennst du dich! Du bist so wächsern nicht und deine veste Seele springt so leicht nicht über ihre Gränzen. Zum erstenmal in deinem Leben bist du grillenhaft. Du machtest hier bei mir den Krankenwärter und man sieht, wie wenig du dazu geboren bist. Das Stillesizen hat dich scheu gemacht –

Siehst du? rief er, das ists eben. Werd’ ich thätiger leben mit euch? und wenn es eine Andre wäre! aber diese Diotima! kann ich anders? kann ich sie mit halber Seele fühlen? sie, die um und um so innig Eines ist, Ein göttlich ungetheiltes Leben? Glaube mir, es ist ein kindischer Versuch, diß Wesen sehn zu wollen ohne Liebe. Du blikst mich an, als kenntest du mich nicht? Bin ich doch

II. Bd. F
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div type="chapter" n="2">
          <p><pb facs="#f0081"/>
es wäre so mit mir, du Guter! aber hier ists Ernst!</p><lb/>
          <p>Ernst? rief ich, und warum denn?</p><lb/>
          <p>Darum, mein Hyperion, sagt&#x2019; er sanft, weil ich dein künftig Glük nicht gerne stören möchte, weil ich Diotimas Nähe fürchten muß. Glaube mir, es ist gewagt, um Liebende zu leben, und ein thatlos Herz, wie meines nun ist, hält es schwerlich aus.</p><lb/>
          <p>Ach guter Alabanda! sagt&#x2019; ich lächelnd, wie miskennst du dich! Du bist so wächsern nicht und deine veste Seele springt so leicht nicht über ihre Gränzen. Zum erstenmal in deinem Leben bist du grillenhaft. Du machtest hier bei mir den Krankenwärter und man sieht, wie wenig du dazu geboren bist. Das Stillesizen hat dich scheu gemacht &#x2013;</p><lb/>
          <p>Siehst du? rief er, das ists eben. Werd&#x2019; ich thätiger leben mit euch? und wenn es eine Andre wäre! aber diese Diotima! kann ich anders? kann ich sie mit halber Seele fühlen? sie, die um und um so innig Eines ist, Ein göttlich ungetheiltes Leben? Glaube mir, es ist ein kindischer Versuch, diß Wesen sehn zu wollen ohne Liebe. Du blikst mich an, als kenntest du mich nicht? Bin ich doch
                           <fw place="bottom" type="sig">II. Bd. F</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0081] es wäre so mit mir, du Guter! aber hier ists Ernst! Ernst? rief ich, und warum denn? Darum, mein Hyperion, sagt’ er sanft, weil ich dein künftig Glük nicht gerne stören möchte, weil ich Diotimas Nähe fürchten muß. Glaube mir, es ist gewagt, um Liebende zu leben, und ein thatlos Herz, wie meines nun ist, hält es schwerlich aus. Ach guter Alabanda! sagt’ ich lächelnd, wie miskennst du dich! Du bist so wächsern nicht und deine veste Seele springt so leicht nicht über ihre Gränzen. Zum erstenmal in deinem Leben bist du grillenhaft. Du machtest hier bei mir den Krankenwärter und man sieht, wie wenig du dazu geboren bist. Das Stillesizen hat dich scheu gemacht – Siehst du? rief er, das ists eben. Werd’ ich thätiger leben mit euch? und wenn es eine Andre wäre! aber diese Diotima! kann ich anders? kann ich sie mit halber Seele fühlen? sie, die um und um so innig Eines ist, Ein göttlich ungetheiltes Leben? Glaube mir, es ist ein kindischer Versuch, diß Wesen sehn zu wollen ohne Liebe. Du blikst mich an, als kenntest du mich nicht? Bin ich doch II. Bd. F

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Arbeitsstelle Zentralbegriffe der »Kunstperiode«, Prof. Dr. Jochen A. Bär, Universität Vechta, Institut für Geistes- und Kulturwissenschaften: Bereitstellung der Texttranskription. (2019-12-12T13:52:36Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Andre Pietsch, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2019-11-13T13:52:36Z)

Weitere Informationen:

Die Transkription erfolgte nach den unter http://www.deutschestextarchiv.de/doku/basisformat/ formulierten Richtlinien.

Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: stillschweigend korrigiert; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: keine Angabe; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: stillschweigend; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoelderlin_hyperion02_1799
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoelderlin_hyperion02_1799/81
Zitationshilfe: Hölderlin, Friedrich: Hyperion. Zweiter Band. Tübingen, 1799, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoelderlin_hyperion02_1799/81>, abgerufen am 21.11.2024.