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Hölderlin, Friedrich: Hyperion. Zweiter Band. Tübingen, 1799.

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zahmer Vogel, aber nun ist er dennoch über die Berge.

Wir lächelten über dem Worte, wiewol das Trauern uns näher war.

So sollt' auch unsre eigne Seeligkeit dahingehn, und wir sahen's voraus.

O Bellarmin! wer darf denn sagen, er stehe vest, wenn auch das Schöne seinem Schiksaal so entgegenreift, wenn auch das Göttliche sich demüthigen muß, und die Sterblichkeit mit allem Sterblichen theilen!

Hyperion an Bellarmin.

Ich hatte mit dem holden Mädchen noch vor ihrem Hause gezögert, bis das Licht der Nacht in die ruhige Dämmerung schien, nun kam ich in Notaras Wohnung zurük, gedankenvoll, voll überwallenden heroischen Lebens, wie immer, wenn ich aus ihren Umarmungen gieng. Es war ein Brief von Alabanda gekommen.

Es regt sich, Hyperion, schrieb er mir, Rußland hat der Pforte den Krieg erklärt; man kommt mit einer Flotte in den Archipelagus *);

*) Im Jahr 1770.

zahmer Vogel, aber nun ist er dennoch über die Berge.

Wir lächelten über dem Worte, wiewol das Trauern uns näher war.

So sollt’ auch unsre eigne Seeligkeit dahingehn, und wir sahen’s voraus.

O Bellarmin! wer darf denn sagen, er stehe vest, wenn auch das Schöne seinem Schiksaal so entgegenreift, wenn auch das Göttliche sich demüthigen muß, und die Sterblichkeit mit allem Sterblichen theilen!

Hyperion an Bellarmin.

Ich hatte mit dem holden Mädchen noch vor ihrem Hause gezögert, bis das Licht der Nacht in die ruhige Dämmerung schien, nun kam ich in Notaras Wohnung zurük, gedankenvoll, voll überwallenden heroischen Lebens, wie immer, wenn ich aus ihren Umarmungen gieng. Es war ein Brief von Alabanda gekommen.

Es regt sich, Hyperion, schrieb er mir, Rußland hat der Pforte den Krieg erklärt; man kommt mit einer Flotte in den Archipelagus *);

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[0005] zahmer Vogel, aber nun ist er dennoch über die Berge. Wir lächelten über dem Worte, wiewol das Trauern uns näher war. So sollt’ auch unsre eigne Seeligkeit dahingehn, und wir sahen’s voraus. O Bellarmin! wer darf denn sagen, er stehe vest, wenn auch das Schöne seinem Schiksaal so entgegenreift, wenn auch das Göttliche sich demüthigen muß, und die Sterblichkeit mit allem Sterblichen theilen! Hyperion an Bellarmin. Ich hatte mit dem holden Mädchen noch vor ihrem Hause gezögert, bis das Licht der Nacht in die ruhige Dämmerung schien, nun kam ich in Notaras Wohnung zurük, gedankenvoll, voll überwallenden heroischen Lebens, wie immer, wenn ich aus ihren Umarmungen gieng. Es war ein Brief von Alabanda gekommen. Es regt sich, Hyperion, schrieb er mir, Rußland hat der Pforte den Krieg erklärt; man kommt mit einer Flotte in den Archipelagus *); *) Im Jahr 1770.

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Zitationshilfe: Hölderlin, Friedrich: Hyperion. Zweiter Band. Tübingen, 1799, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoelderlin_hyperion02_1799/5>, abgerufen am 28.03.2024.