Hölderlin, Friedrich: Hyperion. Erster Band. Tübingen, 1797.Leuchtet aber das göttliche en diapheron eauto, das Ideal der Schönheit der strebenden Vernunft, so fodert sie nicht blind, und weiss, warum, wozu sie fodert. Scheint, wie der Maitag in des Künstlers Werkstatt, dem Verstande die Sonne des Schönen zu seinem Geschäfte, so schwärmt er zwar nicht hinaus und lässt sein Nothwerk stehn, doch denkt er gerne des Festtags, wo er wandeln wird im verjüngenden Frühlingslichte. So weit war ich, als wir landeten an der Küste von Attika. Das alte Athen lag jezt zu sehr uns im Sinne, als dass wir hätten viel in der Ordnung sprechen mögen, und ich wunderte mich jezt selber über die Art meiner Äusserungen. Wie bin ich doch, rief ich, auf die troknen Berggipfel gerathen, worauf ihr mich saht? Es ist immer so, erwiederte Diotima, wenn uns recht wohl ist. Die üppige Kraft sucht eine Arbeit. Die jungen Lämmer stossen sich die Stirnen an einander, wenn sie von der Mutter Milch gesättiget sind. Wir giengen jezt am Lykabeltus hinauf, und blieben, troz der Eile, zuweilen stehen, in Gedanken und wunderbaren Erwartungen. Es ist schön, dass es dem Menschen so Leuchtet aber das göttliche εν διαφερον εαυτω, das Ideal der Schönheit der strebenden Vernunft, so fodert sie nicht blind, und weiss, warum, wozu sie fodert. Scheint, wie der Maitag in des Künstlers Werkstatt, dem Verstande die Sonne des Schönen zu seinem Geschäfte, so schwärmt er zwar nicht hinaus und lässt sein Nothwerk stehn, doch denkt er gerne des Festtags, wo er wandeln wird im verjüngenden Frühlingslichte. So weit war ich, als wir landeten an der Küste von Attika. Das alte Athen lag jezt zu sehr uns im Sinne, als dass wir hätten viel in der Ordnung sprechen mögen, und ich wunderte mich jezt selber über die Art meiner Äusserungen. Wie bin ich doch, rief ich, auf die troknen Berggipfel gerathen, worauf ihr mich saht? Es ist immer so, erwiederte Diotima, wenn uns recht wohl ist. Die üppige Kraft sucht eine Arbeit. Die jungen Lämmer stossen sich die Stirnen an einander, wenn sie von der Mutter Milch gesättiget sind. Wir giengen jezt am Lykabeltus hinauf, und blieben, troz der Eile, zuweilen stehen, in Gedanken und wunderbaren Erwartungen. Es ist schön, dass es dem Menschen so <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div type="chapter" n="2"> <pb facs="#f0155"/> <p>Leuchtet aber das göttliche εν διαφερον εαυτω, das Ideal der Schönheit der strebenden Vernunft, so fodert sie nicht blind, und weiss, warum, wozu sie fodert.</p><lb/> <p>Scheint, wie der Maitag in des Künstlers Werkstatt, dem Verstande die Sonne des Schönen zu seinem Geschäfte, so schwärmt er zwar nicht hinaus und lässt sein Nothwerk stehn, doch denkt er gerne des Festtags, wo er wandeln wird im verjüngenden Frühlingslichte.</p><lb/> <p>So weit war ich, als wir landeten an der Küste von Attika.</p><lb/> <p>Das alte Athen lag jezt zu sehr uns im Sinne, als dass wir hätten viel in der Ordnung sprechen mögen, und ich wunderte mich jezt selber über die Art meiner Äusserungen. Wie bin ich doch, rief ich, auf die troknen Berggipfel gerathen, worauf ihr mich saht?</p><lb/> <p>Es ist immer so, erwiederte Diotima, wenn uns recht wohl ist. Die üppige Kraft sucht eine Arbeit. Die jungen Lämmer stossen sich die Stirnen an einander, wenn sie von der Mutter Milch gesättiget sind.</p><lb/> <p>Wir giengen jezt am Lykabeltus hinauf, und blieben, troz der Eile, zuweilen stehen, in Gedanken und wunderbaren Erwartungen.</p><lb/> <p>Es ist schön, dass es dem Menschen so </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0155]
Leuchtet aber das göttliche εν διαφερον εαυτω, das Ideal der Schönheit der strebenden Vernunft, so fodert sie nicht blind, und weiss, warum, wozu sie fodert.
Scheint, wie der Maitag in des Künstlers Werkstatt, dem Verstande die Sonne des Schönen zu seinem Geschäfte, so schwärmt er zwar nicht hinaus und lässt sein Nothwerk stehn, doch denkt er gerne des Festtags, wo er wandeln wird im verjüngenden Frühlingslichte.
So weit war ich, als wir landeten an der Küste von Attika.
Das alte Athen lag jezt zu sehr uns im Sinne, als dass wir hätten viel in der Ordnung sprechen mögen, und ich wunderte mich jezt selber über die Art meiner Äusserungen. Wie bin ich doch, rief ich, auf die troknen Berggipfel gerathen, worauf ihr mich saht?
Es ist immer so, erwiederte Diotima, wenn uns recht wohl ist. Die üppige Kraft sucht eine Arbeit. Die jungen Lämmer stossen sich die Stirnen an einander, wenn sie von der Mutter Milch gesättiget sind.
Wir giengen jezt am Lykabeltus hinauf, und blieben, troz der Eile, zuweilen stehen, in Gedanken und wunderbaren Erwartungen.
Es ist schön, dass es dem Menschen so
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Zitationshilfe: | Hölderlin, Friedrich: Hyperion. Erster Band. Tübingen, 1797, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoelderlin_hyperion01_1797/155>, abgerufen am 16.07.2024. |