Hölderlin, Friedrich: Hyperion. Erster Band. Tübingen, 1797.ein dienstbarer Geselle, der den Zaun aus grobem Holze zimmert, wie ihm vorgezeichnet ist, und die gezimmerten Pfähle an einander nagelt, für den Garten, den der Meister bauen will. Des Verstandes ganzes Geschäft ist Nothwerk. Vor dem Unsinn, vor dem Unrecht schüzt er uns, indem er ordnet; aber sicher zu seyn vor Unsinn und vor Unrecht ist doch nicht die höchste Stuffe menschlicher Vortreflichkeit. Vernunft ist ohne Geistes-, ohne Herzensschönheit, wie ein Treiber, den der Herr des Hauses über die Knechte gesezt hat; der weiss, so wenig, als die Knechte, was aus all' der unendlichen Arbeit werden soll, und ruft nur: tummelt euch, und siehet es fast ungern, wenn es vor sich geht, denn am Ende hätt' er ja nichts mehr zu treiben, und seine Rolle wäre gespielt. Aus blosem Verstande kömmt keine Philosophie, denn Philosophie ist mehr, denn nur die beschränkte Erkenntniss des Vorhandnen. Aus bloser Vernunft kömmt keine Philosophie, denn Philosophie ist mehr, denn blinde Forderung eines nie zu endigenden Fortschritts in Vereinigung und Unterscheidung eines möglichen Stoffs. ein dienstbarer Geselle, der den Zaun aus grobem Holze zimmert, wie ihm vorgezeichnet ist, und die gezimmerten Pfähle an einander nagelt, für den Garten, den der Meister bauen will. Des Verstandes ganzes Geschäft ist Nothwerk. Vor dem Unsinn, vor dem Unrecht schüzt er uns, indem er ordnet; aber sicher zu seyn vor Unsinn und vor Unrecht ist doch nicht die höchste Stuffe menschlicher Vortreflichkeit. Vernunft ist ohne Geistes-, ohne Herzensschönheit, wie ein Treiber, den der Herr des Hauses über die Knechte gesezt hat; der weiss, so wenig, als die Knechte, was aus all’ der unendlichen Arbeit werden soll, und ruft nur: tummelt euch, und siehet es fast ungern, wenn es vor sich geht, denn am Ende hätt’ er ja nichts mehr zu treiben, und seine Rolle wäre gespielt. Aus blosem Verstande kömmt keine Philosophie, denn Philosophie ist mehr, denn nur die beschränkte Erkenntniss des Vorhandnen. Aus bloser Vernunft kömmt keine Philosophie, denn Philosophie ist mehr, denn blinde Forderung eines nie zu endigenden Fortschritts in Vereinigung und Unterscheidung eines möglichen Stoffs. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div type="chapter" n="2"> <p><pb facs="#f0154"/> ein dienstbarer Geselle, der den Zaun aus grobem Holze zimmert, wie ihm vorgezeichnet ist, und die gezimmerten Pfähle an einander nagelt, für den Garten, den der Meister bauen will. Des Verstandes ganzes Geschäft ist Nothwerk. Vor dem Unsinn, vor dem Unrecht schüzt er uns, indem er ordnet; aber sicher zu seyn vor Unsinn und vor Unrecht ist doch nicht die höchste Stuffe menschlicher Vortreflichkeit.</p><lb/> <p>Vernunft ist ohne Geistes-, ohne Herzensschönheit, wie ein Treiber, den der Herr des Hauses über die Knechte gesezt hat; der weiss, so wenig, als die Knechte, was aus all’ der unendlichen Arbeit werden soll, und ruft nur: tummelt euch, und siehet es fast ungern, wenn es vor sich geht, denn am Ende hätt’ er ja nichts mehr zu treiben, und seine Rolle wäre gespielt.</p><lb/> <p>Aus blosem Verstande kömmt keine Philosophie, denn Philosophie ist mehr, denn nur die beschränkte Erkenntniss des Vorhandnen.</p><lb/> <p>Aus bloser Vernunft kömmt keine Philosophie, denn Philosophie ist mehr, denn blinde Forderung eines nie zu endigenden Fortschritts in Vereinigung und Unterscheidung eines möglichen Stoffs.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0154]
ein dienstbarer Geselle, der den Zaun aus grobem Holze zimmert, wie ihm vorgezeichnet ist, und die gezimmerten Pfähle an einander nagelt, für den Garten, den der Meister bauen will. Des Verstandes ganzes Geschäft ist Nothwerk. Vor dem Unsinn, vor dem Unrecht schüzt er uns, indem er ordnet; aber sicher zu seyn vor Unsinn und vor Unrecht ist doch nicht die höchste Stuffe menschlicher Vortreflichkeit.
Vernunft ist ohne Geistes-, ohne Herzensschönheit, wie ein Treiber, den der Herr des Hauses über die Knechte gesezt hat; der weiss, so wenig, als die Knechte, was aus all’ der unendlichen Arbeit werden soll, und ruft nur: tummelt euch, und siehet es fast ungern, wenn es vor sich geht, denn am Ende hätt’ er ja nichts mehr zu treiben, und seine Rolle wäre gespielt.
Aus blosem Verstande kömmt keine Philosophie, denn Philosophie ist mehr, denn nur die beschränkte Erkenntniss des Vorhandnen.
Aus bloser Vernunft kömmt keine Philosophie, denn Philosophie ist mehr, denn blinde Forderung eines nie zu endigenden Fortschritts in Vereinigung und Unterscheidung eines möglichen Stoffs.
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Zitationshilfe: | Hölderlin, Friedrich: Hyperion. Erster Band. Tübingen, 1797, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoelderlin_hyperion01_1797/154>, abgerufen am 16.02.2025. |