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Hölderlin, Friedrich: Gedichte. Stuttgart u. a., 1826.

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Greis.
O scherze nicht, und ehre doch dein Fest,
Umkränze dir dein Haupt, und schmück' es aus,
Das Opferthier, das nicht vergebens fällt.
Der jähe Tod, er ist von Anbeginn,
Das weißt du wohl, den Unverständigen
Die deinesgleichen sind, zuvor beschieden.
Du willst es, und so sey's, doch sollst du mir
Nicht unbesonnen, wie du bist, hinab,
Ich hab' ein Wort, und dieß bedenke, Trunkner!
Nur Einer darfs in dieser Zeit, nur Einer,
Nur Einen adelt' sie, die schwarze Stunde,
Ein Größrer ists, denn ich! denn wie die Rebe
Von Erd' und Himmel zeugt, wenn sie getränkt
Von hoher Sonn' aus dunklem Boden steigt,
So wächst er auf, aus Licht und Nacht geboren:
Es gährt um ihn die Welt, was irgend nur
Beweglich und verderbend ist im Busen
Der Sterblichen, ist aufgeregt von Grund aus,
Der Herr der Zeit, um seine Herrschaft bang,
Thront finster blickend über der Empörung,
Sein Tag erlischt, und seine Blitze rauchen.
Doch was von oben flammt, entzündet nur,
Und was von unten strebt, die wilde Zwietracht.
Der Eine doch, der neue Retter, faßt
Des Himmels Stralen ruhig auf, und liebend
Nimmt er, was sterblich ist, an seinen Busen,
Hölderlin Gedichte. 15
Greis.
O ſcherze nicht, und ehre doch dein Feſt,
Umkraͤnze dir dein Haupt, und ſchmuͤck' es aus,
Das Opferthier, das nicht vergebens faͤllt.
Der jaͤhe Tod, er iſt von Anbeginn,
Das weißt du wohl, den Unverſtaͤndigen
Die deinesgleichen ſind, zuvor beſchieden.
Du willſt es, und ſo ſey's, doch ſollſt du mir
Nicht unbeſonnen, wie du biſt, hinab,
Ich hab' ein Wort, und dieß bedenke, Trunkner!
Nur Einer darfs in dieſer Zeit, nur Einer,
Nur Einen adelt' ſie, die ſchwarze Stunde,
Ein Groͤßrer iſts, denn ich! denn wie die Rebe
Von Erd' und Himmel zeugt, wenn ſie getraͤnkt
Von hoher Sonn' aus dunklem Boden ſteigt,
So waͤchst er auf, aus Licht und Nacht geboren:
Es gaͤhrt um ihn die Welt, was irgend nur
Beweglich und verderbend iſt im Buſen
Der Sterblichen, iſt aufgeregt von Grund aus,
Der Herr der Zeit, um ſeine Herrſchaft bang,
Thront finſter blickend uͤber der Empoͤrung,
Sein Tag erliſcht, und ſeine Blitze rauchen.
Doch was von oben flammt, entzuͤndet nur,
Und was von unten ſtrebt, die wilde Zwietracht.
Der Eine doch, der neue Retter, faßt
Des Himmels Stralen ruhig auf, und liebend
Nimmt er, was ſterblich iſt, an ſeinen Buſen,
Hoͤlderlin Gedichte. 15
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[221/0229] Greis. O ſcherze nicht, und ehre doch dein Feſt, Umkraͤnze dir dein Haupt, und ſchmuͤck' es aus, Das Opferthier, das nicht vergebens faͤllt. Der jaͤhe Tod, er iſt von Anbeginn, Das weißt du wohl, den Unverſtaͤndigen Die deinesgleichen ſind, zuvor beſchieden. Du willſt es, und ſo ſey's, doch ſollſt du mir Nicht unbeſonnen, wie du biſt, hinab, Ich hab' ein Wort, und dieß bedenke, Trunkner! Nur Einer darfs in dieſer Zeit, nur Einer, Nur Einen adelt' ſie, die ſchwarze Stunde, Ein Groͤßrer iſts, denn ich! denn wie die Rebe Von Erd' und Himmel zeugt, wenn ſie getraͤnkt Von hoher Sonn' aus dunklem Boden ſteigt, So waͤchst er auf, aus Licht und Nacht geboren: Es gaͤhrt um ihn die Welt, was irgend nur Beweglich und verderbend iſt im Buſen Der Sterblichen, iſt aufgeregt von Grund aus, Der Herr der Zeit, um ſeine Herrſchaft bang, Thront finſter blickend uͤber der Empoͤrung, Sein Tag erliſcht, und ſeine Blitze rauchen. Doch was von oben flammt, entzuͤndet nur, Und was von unten ſtrebt, die wilde Zwietracht. Der Eine doch, der neue Retter, faßt Des Himmels Stralen ruhig auf, und liebend Nimmt er, was ſterblich iſt, an ſeinen Buſen, Hoͤlderlin Gedichte. 15

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Zitationshilfe: Hölderlin, Friedrich: Gedichte. Stuttgart u. a., 1826, S. 221. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoelderlin_gedichte_1826/229>, abgerufen am 03.05.2024.