Hölderlin, Friedrich: Gedichte. Stuttgart u. a., 1826.
Ist stärker, denn die Starken, Und wohlbekannt ist dieser Seltne mir. Zu glücklich wuchs er auf; Ihm ist von Anbeginn Der eigne Sinn verwöhnt, daß ihn Geringes irrt; er wird es büßen, Daß er zu sehr geliebt die Sterblichen. Mekades. Mir ahndet selbst, Es wird mit ihm nicht lange dauern, Doch ist es lang genug, So er erst fällt, wenn ihm's gelungen ist. Hermokrates. Und schon ist er gefallen. Mekades. Was sagst du? Hermokrates. Siehst du denn nicht? es haben Den hohen Geist die Geistesarmen Geirrt, die Blinden den Verführer. Die Seele warf er vor das Volk, verrieth Der Götter Gunst gutmüthig den Gemeinen, Doch rächend äffte leeren Wiederhall's Genug denn auch aus todter Brust den Thoren. Und eine Zeit ertrug er's, grämte sich
Iſt ſtaͤrker, denn die Starken, Und wohlbekannt iſt dieſer Seltne mir. Zu gluͤcklich wuchs er auf; Ihm iſt von Anbeginn Der eigne Sinn verwoͤhnt, daß ihn Geringes irrt; er wird es buͤßen, Daß er zu ſehr geliebt die Sterblichen. Mekades. Mir ahndet ſelbſt, Es wird mit ihm nicht lange dauern, Doch iſt es lang genug, So er erſt faͤllt, wenn ihm's gelungen iſt. Hermokrates. Und ſchon iſt er gefallen. Mekades. Was ſagſt du? Hermokrates. Siehſt du denn nicht? es haben Den hohen Geiſt die Geiſtesarmen Geirrt, die Blinden den Verfuͤhrer. Die Seele warf er vor das Volk, verrieth Der Goͤtter Gunſt gutmuͤthig den Gemeinen, Doch raͤchend aͤffte leeren Wiederhall's Genug denn auch aus todter Bruſt den Thoren. Und eine Zeit ertrug er's, graͤmte ſich <TEI> <text> <body> <div n="1"> <sp who="#HER"> <p><pb facs="#f0209" n="201"/> Iſt ſtaͤrker, denn die Starken,<lb/> Und wohlbekannt iſt dieſer Seltne mir.<lb/> Zu gluͤcklich wuchs er auf;<lb/> Ihm iſt von Anbeginn<lb/> Der eigne Sinn verwoͤhnt, daß ihn<lb/> Geringes irrt; er wird es buͤßen,<lb/> Daß er zu ſehr geliebt die Sterblichen.</p> </sp><lb/> <sp who="#MEK"> <speaker><hi rendition="#g">Mekades</hi>.</speaker><lb/> <p>Mir ahndet ſelbſt,<lb/> Es wird mit ihm nicht lange dauern,<lb/> Doch iſt es lang genug,<lb/> So er erſt faͤllt, wenn ihm's gelungen iſt.</p> </sp><lb/> <sp who="#HER"> <speaker><hi rendition="#g">Hermokrates</hi>.</speaker><lb/> <p>Und ſchon iſt er gefallen.</p> </sp><lb/> <sp who="#MEK"> <speaker><hi rendition="#g">Mekades</hi>.</speaker><lb/> <p>Was ſagſt du?</p> </sp><lb/> <sp who="#HER"> <speaker><hi rendition="#g">Hermokrates</hi>.</speaker><lb/> <p>Siehſt du denn nicht? es haben<lb/> Den hohen Geiſt die Geiſtesarmen<lb/> Geirrt, die Blinden den Verfuͤhrer.<lb/> Die Seele warf er vor das Volk, verrieth<lb/> Der Goͤtter Gunſt gutmuͤthig den Gemeinen,<lb/> Doch raͤchend aͤffte leeren Wiederhall's<lb/> Genug denn auch aus todter Bruſt den Thoren.<lb/> Und eine Zeit ertrug er's, graͤmte ſich<lb/></p> </sp> </div> </body> </text> </TEI> [201/0209]
Iſt ſtaͤrker, denn die Starken,
Und wohlbekannt iſt dieſer Seltne mir.
Zu gluͤcklich wuchs er auf;
Ihm iſt von Anbeginn
Der eigne Sinn verwoͤhnt, daß ihn
Geringes irrt; er wird es buͤßen,
Daß er zu ſehr geliebt die Sterblichen.
Mekades.
Mir ahndet ſelbſt,
Es wird mit ihm nicht lange dauern,
Doch iſt es lang genug,
So er erſt faͤllt, wenn ihm's gelungen iſt.
Hermokrates.
Und ſchon iſt er gefallen.
Mekades.
Was ſagſt du?
Hermokrates.
Siehſt du denn nicht? es haben
Den hohen Geiſt die Geiſtesarmen
Geirrt, die Blinden den Verfuͤhrer.
Die Seele warf er vor das Volk, verrieth
Der Goͤtter Gunſt gutmuͤthig den Gemeinen,
Doch raͤchend aͤffte leeren Wiederhall's
Genug denn auch aus todter Bruſt den Thoren.
Und eine Zeit ertrug er's, graͤmte ſich
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Zitationshilfe: | Hölderlin, Friedrich: Gedichte. Stuttgart u. a., 1826, S. 201. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoelderlin_gedichte_1826/209>, abgerufen am 23.07.2024. |