Hölderlin, Friedrich: Gedichte. Stuttgart u. a., 1826.Schimmernd, mir Irrenden dort Kastalias Quelle Schimmernd, mir Irrenden dort Kaſtalias Quelle <TEI> <text> <body> <div n="1"> <lg type="poem"> <lg n="11"> <pb facs="#f0182" n="174"/> <l>Schimmernd, mir Irrenden dort Kaſtalias Quelle</l><lb/> <l>begegnet,</l><lb/> <l>Will ich, mit Thraͤnen gemiſcht, aus bluͤtheum-</l><lb/> <l>dufteter Schale</l><lb/> <l>Dort auf keimendes Gruͤn das Waſſer gießen,</l><lb/> <l>damit doch,</l><lb/> <l>O ihr Schlafenden all' ein Todtenopfer euch werde.</l><lb/> <l>Dort im ſchweigenden Thal, an Tempe's hangen-</l><lb/> <l>den Felſen,</l><lb/> <l>Will ich wohnen mit euch, dort oft, ihr herrlichen</l><lb/> <l>Namen!</l><lb/> <l>Her euch rufen bei Nacht, und wenn ihr zuͤrnend</l><lb/> <l>erſcheinet,</l><lb/> <l>Weil der Pflug die Graͤber entweiht, mit der</l><lb/> <l>Stimme des Herzens</l><lb/> <l>Will ich, mit frommem Geſang, euch ſuͤhnen, hei-</l><lb/> <l>lige Schatten!</l><lb/> <l>Bis, zu leben mit euch, ſich ganz die Seele ge-</l><lb/> <l>woͤhnet.</l><lb/> <l>Fragen wird der Geweihtere dann euch Manches,</l><lb/> <l>ihr Todten!</l><lb/> <l>Euch, ihr Lebenden, auch, ihr hohen Kraͤfte des</l><lb/> <l>Himmels,</l><lb/> <l>Wenn ihr uͤber dem Schutt mit euren Jahren</l><lb/> <l>vorbeigeht,</l><lb/> <l>Ihr in der ſicheren Bahn! denn oft ergreifet das</l><lb/> <l>Irrſal</l><lb/> </lg> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [174/0182]
Schimmernd, mir Irrenden dort Kaſtalias Quelle
begegnet,
Will ich, mit Thraͤnen gemiſcht, aus bluͤtheum-
dufteter Schale
Dort auf keimendes Gruͤn das Waſſer gießen,
damit doch,
O ihr Schlafenden all' ein Todtenopfer euch werde.
Dort im ſchweigenden Thal, an Tempe's hangen-
den Felſen,
Will ich wohnen mit euch, dort oft, ihr herrlichen
Namen!
Her euch rufen bei Nacht, und wenn ihr zuͤrnend
erſcheinet,
Weil der Pflug die Graͤber entweiht, mit der
Stimme des Herzens
Will ich, mit frommem Geſang, euch ſuͤhnen, hei-
lige Schatten!
Bis, zu leben mit euch, ſich ganz die Seele ge-
woͤhnet.
Fragen wird der Geweihtere dann euch Manches,
ihr Todten!
Euch, ihr Lebenden, auch, ihr hohen Kraͤfte des
Himmels,
Wenn ihr uͤber dem Schutt mit euren Jahren
vorbeigeht,
Ihr in der ſicheren Bahn! denn oft ergreifet das
Irrſal
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