Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hölderlin, Friedrich: Gedichte. Stuttgart u. a., 1826.

Bild:
<< vorherige Seite

Stolzer aus der Trauer empor und blühte noch
lange,
Gott der Wogen und dir, und deine Lieblinge sangen
Frohversammelt noch oft am Vorgebirge den Dank
dir.

O die Kinder des Glücks, die frommen! wandeln
sie fern nun
Bei den Vätern daheim, und der Schicksalstage
vergessen,
Drüben am Lethestrom, und bringt kein Sehnen
sie wieder?
Sieht mein Auge sie nie? ach! findet über den
tausend
Pfaden der grünenden Erd', ihr göttergleichen Ge-
stalten!
Euch das suchende nie, und vernahm ich darum
die Sprache,
Darum die Sage von euch, daß immertrauernd
die Seele
Vor der Zeit mir hinab zu euern Schatten ent-
fliehe?
Aber näher zu euch, wo eure Haine noch wachsen,
Wo sein einsames Haupt in Wolken der heilige
Berg hüllt,
Zum Parnassos will ich, und wenn im Dunkel
der Eiche

Stolzer aus der Trauer empor und bluͤhte noch
lange,
Gott der Wogen und dir, und deine Lieblinge ſangen
Frohverſammelt noch oft am Vorgebirge den Dank
dir.

O die Kinder des Gluͤcks, die frommen! wandeln
ſie fern nun
Bei den Vaͤtern daheim, und der Schickſalstage
vergeſſen,
Druͤben am Letheſtrom, und bringt kein Sehnen
ſie wieder?
Sieht mein Auge ſie nie? ach! findet uͤber den
tauſend
Pfaden der gruͤnenden Erd', ihr goͤttergleichen Ge-
ſtalten!
Euch das ſuchende nie, und vernahm ich darum
die Sprache,
Darum die Sage von euch, daß immertrauernd
die Seele
Vor der Zeit mir hinab zu euern Schatten ent-
fliehe?
Aber naͤher zu euch, wo eure Haine noch wachſen,
Wo ſein einſames Haupt in Wolken der heilige
Berg huͤllt,
Zum Parnaſſos will ich, und wenn im Dunkel
der Eiche
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <lg n="10">
            <pb facs="#f0181" n="173"/>
            <l>Stolzer aus der Trauer empor und blu&#x0364;hte noch</l><lb/>
            <l>lange,</l><lb/>
            <l>Gott der Wogen und dir, und deine Lieblinge &#x017F;angen</l><lb/>
            <l>Frohver&#x017F;ammelt noch oft am Vorgebirge den Dank</l><lb/>
            <l>dir.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="11">
            <l>O die Kinder des Glu&#x0364;cks, die frommen! wandeln</l><lb/>
            <l>&#x017F;ie fern nun</l><lb/>
            <l>Bei den Va&#x0364;tern daheim, und der Schick&#x017F;alstage</l><lb/>
            <l>verge&#x017F;&#x017F;en,</l><lb/>
            <l>Dru&#x0364;ben am Lethe&#x017F;trom, und bringt kein Sehnen</l><lb/>
            <l>&#x017F;ie wieder?</l><lb/>
            <l>Sieht mein Auge &#x017F;ie nie? ach! findet u&#x0364;ber den</l><lb/>
            <l>tau&#x017F;end</l><lb/>
            <l>Pfaden der gru&#x0364;nenden Erd', ihr go&#x0364;ttergleichen Ge-</l><lb/>
            <l>&#x017F;talten!</l><lb/>
            <l>Euch das &#x017F;uchende nie, und vernahm ich darum</l><lb/>
            <l>die Sprache,</l><lb/>
            <l>Darum die Sage von euch, daß immertrauernd</l><lb/>
            <l>die Seele</l><lb/>
            <l>Vor der Zeit mir hinab zu euern Schatten ent-</l><lb/>
            <l>fliehe?</l><lb/>
            <l>Aber na&#x0364;her zu euch, wo eure Haine noch wach&#x017F;en,</l><lb/>
            <l>Wo &#x017F;ein ein&#x017F;ames Haupt in Wolken der heilige</l><lb/>
            <l>Berg hu&#x0364;llt,</l><lb/>
            <l>Zum Parna&#x017F;&#x017F;os will ich, und wenn im Dunkel</l><lb/>
            <l>der Eiche</l><lb/>
          </lg>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[173/0181] Stolzer aus der Trauer empor und bluͤhte noch lange, Gott der Wogen und dir, und deine Lieblinge ſangen Frohverſammelt noch oft am Vorgebirge den Dank dir. O die Kinder des Gluͤcks, die frommen! wandeln ſie fern nun Bei den Vaͤtern daheim, und der Schickſalstage vergeſſen, Druͤben am Letheſtrom, und bringt kein Sehnen ſie wieder? Sieht mein Auge ſie nie? ach! findet uͤber den tauſend Pfaden der gruͤnenden Erd', ihr goͤttergleichen Ge- ſtalten! Euch das ſuchende nie, und vernahm ich darum die Sprache, Darum die Sage von euch, daß immertrauernd die Seele Vor der Zeit mir hinab zu euern Schatten ent- fliehe? Aber naͤher zu euch, wo eure Haine noch wachſen, Wo ſein einſames Haupt in Wolken der heilige Berg huͤllt, Zum Parnaſſos will ich, und wenn im Dunkel der Eiche

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoelderlin_gedichte_1826
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoelderlin_gedichte_1826/181
Zitationshilfe: Hölderlin, Friedrich: Gedichte. Stuttgart u. a., 1826, S. 173. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoelderlin_gedichte_1826/181>, abgerufen am 22.11.2024.