Hoefer, Edmund: Rolof, der Rekrut. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 233–295. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.rief mich der Vorsitzende Offizier selbst ins Vorzimmer und theilte mir das Urtheil mit, und daß ich alsbald mit den Frauen zu ihm könne. -- Als das Urtheil gesprochen wurde, hatte man ihm die Wahl gelassen zwischen Gassenlaufen auf Leben und Sterben oder der Kugel. Er hatte den Tod gewählt. Denn, hat er gemeint, am Andern stürb' ich doch auch, wenn nicht dabei, doch nachher; da ist es so leichter. Sie hatten ihm dann Begnadigung in Aussicht gestellt, er aber verbat jedes Gesuch. Wenn ihr mir mein Recht gegeben habt, sagte er, so ist es mein Recht, und dabei muß es bleiben. Und so blieb es auch; am folgenden Morgen sollte er erschossen werden. Meine Weibsleute führte ich ins Gefängniß, ich selbst ging zum Appell. Nachdem der Spruch des Gerichts verlesen, und daß unsere Compagnie dabei zum Dienst commandirt sei, rief mich der Capitän abseits und sagte mir, ich sei natürlich dispensirt und könne diese Tage über thun und gehen wie ich wolle. Dagegen Protestirte ich, ich wollte nicht dispensirt sein. Er redete mir zu, vernünftig zu sein; es sei des Obersten Befehl, und er wolle mein Bestes. Nein, meinte ich, das könne ich nicht, und ich wünsche mit dem Obersten selbst zu reden. Das ward mir erlaubt, und auf den Abend ward ich zu ihm bestellt. Dann ging ich zum Arrestanten, bei dem ich die Weiber und den Prediger traf. Er war reinlich und sauber gekleidet, auch ohne rief mich der Vorsitzende Offizier selbst ins Vorzimmer und theilte mir das Urtheil mit, und daß ich alsbald mit den Frauen zu ihm könne. — Als das Urtheil gesprochen wurde, hatte man ihm die Wahl gelassen zwischen Gassenlaufen auf Leben und Sterben oder der Kugel. Er hatte den Tod gewählt. Denn, hat er gemeint, am Andern stürb' ich doch auch, wenn nicht dabei, doch nachher; da ist es so leichter. Sie hatten ihm dann Begnadigung in Aussicht gestellt, er aber verbat jedes Gesuch. Wenn ihr mir mein Recht gegeben habt, sagte er, so ist es mein Recht, und dabei muß es bleiben. Und so blieb es auch; am folgenden Morgen sollte er erschossen werden. Meine Weibsleute führte ich ins Gefängniß, ich selbst ging zum Appell. Nachdem der Spruch des Gerichts verlesen, und daß unsere Compagnie dabei zum Dienst commandirt sei, rief mich der Capitän abseits und sagte mir, ich sei natürlich dispensirt und könne diese Tage über thun und gehen wie ich wolle. Dagegen Protestirte ich, ich wollte nicht dispensirt sein. Er redete mir zu, vernünftig zu sein; es sei des Obersten Befehl, und er wolle mein Bestes. Nein, meinte ich, das könne ich nicht, und ich wünsche mit dem Obersten selbst zu reden. Das ward mir erlaubt, und auf den Abend ward ich zu ihm bestellt. Dann ging ich zum Arrestanten, bei dem ich die Weiber und den Prediger traf. Er war reinlich und sauber gekleidet, auch ohne <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0060"/> rief mich der Vorsitzende Offizier selbst ins Vorzimmer und theilte mir das Urtheil mit, und daß ich alsbald mit den Frauen zu ihm könne. — Als das Urtheil gesprochen wurde, hatte man ihm die Wahl gelassen zwischen Gassenlaufen auf Leben und Sterben oder der Kugel. Er hatte den Tod gewählt. Denn, hat er gemeint, am Andern stürb' ich doch auch, wenn nicht dabei, doch nachher; da ist es so leichter. Sie hatten ihm dann Begnadigung in Aussicht gestellt, er aber verbat jedes Gesuch. Wenn ihr mir mein Recht gegeben habt, sagte er, so ist es mein Recht, und dabei muß es bleiben. Und so blieb es auch; am folgenden Morgen sollte er erschossen werden.</p><lb/> <p>Meine Weibsleute führte ich ins Gefängniß, ich selbst ging zum Appell. Nachdem der Spruch des Gerichts verlesen, und daß unsere Compagnie dabei zum Dienst commandirt sei, rief mich der Capitän abseits und sagte mir, ich sei natürlich dispensirt und könne diese Tage über thun und gehen wie ich wolle. Dagegen Protestirte ich, ich wollte nicht dispensirt sein. Er redete mir zu, vernünftig zu sein; es sei des Obersten Befehl, und er wolle mein Bestes. Nein, meinte ich, das könne ich nicht, und ich wünsche mit dem Obersten selbst zu reden. Das ward mir erlaubt, und auf den Abend ward ich zu ihm bestellt. Dann ging ich zum Arrestanten, bei dem ich die Weiber und den Prediger traf.</p><lb/> <p>Er war reinlich und sauber gekleidet, auch ohne<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0060]
rief mich der Vorsitzende Offizier selbst ins Vorzimmer und theilte mir das Urtheil mit, und daß ich alsbald mit den Frauen zu ihm könne. — Als das Urtheil gesprochen wurde, hatte man ihm die Wahl gelassen zwischen Gassenlaufen auf Leben und Sterben oder der Kugel. Er hatte den Tod gewählt. Denn, hat er gemeint, am Andern stürb' ich doch auch, wenn nicht dabei, doch nachher; da ist es so leichter. Sie hatten ihm dann Begnadigung in Aussicht gestellt, er aber verbat jedes Gesuch. Wenn ihr mir mein Recht gegeben habt, sagte er, so ist es mein Recht, und dabei muß es bleiben. Und so blieb es auch; am folgenden Morgen sollte er erschossen werden.
Meine Weibsleute führte ich ins Gefängniß, ich selbst ging zum Appell. Nachdem der Spruch des Gerichts verlesen, und daß unsere Compagnie dabei zum Dienst commandirt sei, rief mich der Capitän abseits und sagte mir, ich sei natürlich dispensirt und könne diese Tage über thun und gehen wie ich wolle. Dagegen Protestirte ich, ich wollte nicht dispensirt sein. Er redete mir zu, vernünftig zu sein; es sei des Obersten Befehl, und er wolle mein Bestes. Nein, meinte ich, das könne ich nicht, und ich wünsche mit dem Obersten selbst zu reden. Das ward mir erlaubt, und auf den Abend ward ich zu ihm bestellt. Dann ging ich zum Arrestanten, bei dem ich die Weiber und den Prediger traf.
Er war reinlich und sauber gekleidet, auch ohne
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription.
(2017-03-15T11:37:13Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2017-03-15T11:37:13Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |