Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hoefer, Edmund: Rolof, der Rekrut. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 233–295. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

fort. Beim Major fand ich noch weniger Trost; er blieb bei seiner Drohung vom Morgen, ohne sich auf etwas Weiteres einzulassen.

Am folgenden Morgen warf ich mich in meine beste Uniform, ging nach der Wache und besuchte den armen Jungen. Gestern Abend noch waren ihm auf des Obersten Befehl die Ketten abgenommen worden; er hatte sich gereinigt und seinen zerrissenen Anzug so gut wie möglich wieder hergestellt; die Nahrung, der Schlaf, die Ruhe, die auf das lange Gespräch mit mir, auf die Abnahme der Eisen gefolgt war, alles das hatte ihm gut gethan und ihn sichtbar zu einem ganz andern Menschen gemacht. Von Nachgeben jedoch, von freiwilligem Eintreten war noch immer keine Rede. Das kümmerte mich aber wenig, und als es mir Zeit schien, ging ich zum Obersten, um noch einmal zu versuchen, ob ich ihn nicht ganz herausbringen und zu seinem Geschäft zurückschicken könne. Dabei stand mir freilich im Wege, daß ich all mein Lebtag nicht recht zu bitten verstanden habe; wenn ich die Sache dargestellt hatte, war es aus, sei es daß Abschlag oder Bewilligung darauf erfolgte. Ich bin nicht anders erzogen.

Der Oberst war ein alter Mann, wohl an die zwanzig Jahre älter als sein Bruder, der Capitän, und so lange ich ihn gesehen, immer still und ernst; allein es ging das Gerücht von ihm, daß er vor Zeiten einer der wildesten Tollköpfe der Armee und ein ausnehmender Liebling des alten Seeblitz gewesen. In

fort. Beim Major fand ich noch weniger Trost; er blieb bei seiner Drohung vom Morgen, ohne sich auf etwas Weiteres einzulassen.

Am folgenden Morgen warf ich mich in meine beste Uniform, ging nach der Wache und besuchte den armen Jungen. Gestern Abend noch waren ihm auf des Obersten Befehl die Ketten abgenommen worden; er hatte sich gereinigt und seinen zerrissenen Anzug so gut wie möglich wieder hergestellt; die Nahrung, der Schlaf, die Ruhe, die auf das lange Gespräch mit mir, auf die Abnahme der Eisen gefolgt war, alles das hatte ihm gut gethan und ihn sichtbar zu einem ganz andern Menschen gemacht. Von Nachgeben jedoch, von freiwilligem Eintreten war noch immer keine Rede. Das kümmerte mich aber wenig, und als es mir Zeit schien, ging ich zum Obersten, um noch einmal zu versuchen, ob ich ihn nicht ganz herausbringen und zu seinem Geschäft zurückschicken könne. Dabei stand mir freilich im Wege, daß ich all mein Lebtag nicht recht zu bitten verstanden habe; wenn ich die Sache dargestellt hatte, war es aus, sei es daß Abschlag oder Bewilligung darauf erfolgte. Ich bin nicht anders erzogen.

Der Oberst war ein alter Mann, wohl an die zwanzig Jahre älter als sein Bruder, der Capitän, und so lange ich ihn gesehen, immer still und ernst; allein es ging das Gerücht von ihm, daß er vor Zeiten einer der wildesten Tollköpfe der Armee und ein ausnehmender Liebling des alten Seeblitz gewesen. In

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <p><pb facs="#f0037"/>
fort. Beim Major fand ich noch weniger Trost; er blieb bei seiner Drohung                     vom Morgen, ohne sich auf etwas Weiteres einzulassen.</p><lb/>
        <p>Am folgenden Morgen warf ich mich in meine beste Uniform, ging nach der Wache und                     besuchte den armen Jungen. Gestern Abend noch waren ihm auf des Obersten Befehl                     die Ketten abgenommen worden; er hatte sich gereinigt und seinen zerrissenen                     Anzug so gut wie möglich wieder hergestellt; die Nahrung, der Schlaf, die Ruhe,                     die auf das lange Gespräch mit mir, auf die Abnahme der Eisen gefolgt war, alles                     das hatte ihm gut gethan und ihn sichtbar zu einem ganz andern Menschen gemacht.                     Von Nachgeben jedoch, von freiwilligem Eintreten war noch immer keine Rede. Das                     kümmerte mich aber wenig, und als es mir Zeit schien, ging ich zum Obersten, um                     noch einmal zu versuchen, ob ich ihn nicht ganz herausbringen und zu seinem                     Geschäft zurückschicken könne. Dabei stand mir freilich im Wege, daß ich all                     mein Lebtag nicht recht zu bitten verstanden habe; wenn ich die Sache                     dargestellt hatte, war es aus, sei es daß Abschlag oder Bewilligung darauf                     erfolgte. Ich bin nicht anders erzogen.</p><lb/>
        <p>Der Oberst war ein alter Mann, wohl an die zwanzig Jahre älter als sein Bruder,                     der Capitän, und so lange ich ihn gesehen, immer still und ernst; allein es ging                     das Gerücht von ihm, daß er vor Zeiten einer der wildesten Tollköpfe der Armee                     und ein ausnehmender Liebling des alten Seeblitz gewesen. In<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0037] fort. Beim Major fand ich noch weniger Trost; er blieb bei seiner Drohung vom Morgen, ohne sich auf etwas Weiteres einzulassen. Am folgenden Morgen warf ich mich in meine beste Uniform, ging nach der Wache und besuchte den armen Jungen. Gestern Abend noch waren ihm auf des Obersten Befehl die Ketten abgenommen worden; er hatte sich gereinigt und seinen zerrissenen Anzug so gut wie möglich wieder hergestellt; die Nahrung, der Schlaf, die Ruhe, die auf das lange Gespräch mit mir, auf die Abnahme der Eisen gefolgt war, alles das hatte ihm gut gethan und ihn sichtbar zu einem ganz andern Menschen gemacht. Von Nachgeben jedoch, von freiwilligem Eintreten war noch immer keine Rede. Das kümmerte mich aber wenig, und als es mir Zeit schien, ging ich zum Obersten, um noch einmal zu versuchen, ob ich ihn nicht ganz herausbringen und zu seinem Geschäft zurückschicken könne. Dabei stand mir freilich im Wege, daß ich all mein Lebtag nicht recht zu bitten verstanden habe; wenn ich die Sache dargestellt hatte, war es aus, sei es daß Abschlag oder Bewilligung darauf erfolgte. Ich bin nicht anders erzogen. Der Oberst war ein alter Mann, wohl an die zwanzig Jahre älter als sein Bruder, der Capitän, und so lange ich ihn gesehen, immer still und ernst; allein es ging das Gerücht von ihm, daß er vor Zeiten einer der wildesten Tollköpfe der Armee und ein ausnehmender Liebling des alten Seeblitz gewesen. In

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T11:37:13Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T11:37:13Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoefer_rekrut_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoefer_rekrut_1910/37
Zitationshilfe: Hoefer, Edmund: Rolof, der Rekrut. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 233–295. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoefer_rekrut_1910/37>, abgerufen am 27.11.2024.