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Johann Gottfried, Hoche: Vertraute Briefe über die jetzige abentheuerliche Lesesucht. Hannover, 1794.

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ihrer Tapferkeit. Wenn hierin ein feiner Plan
liegen sollte: so möchten wol die adelichen Rit-
ter mit den Geistlichen zugleich, im dem Fall
eines zu entstehenden Prozesses, die Unkosten be-
zahlen müßen, und die bürgerlichen Knappen
könnten das Depositum gewinnen. Sie dürften
dann auch ihren Herrn und Lehrern nicht mehr
Kutten und Helme aufsetzen, sondern sie in
puris naturalibus stehen lassen.

Man darf nur die Meßkatalogen ansehen,
und man wird erschrecken über diese Ritter-
wuth, die uns von allen Seiten her und aus
allen Jahrhunderten belagert. Laßen sie uns von
Planen und Absichten absehen, die hier nicht zu
finden sind,
und diese Schriften nach ihrem
innern Gehalte beurtheilen.

Man warf sonst den deutschen vor, und
mich dünkt, nicht ohne Grund, daß sie in ihren
eigenen Werken, wo sie Originale seyn wollten,
lauter Bisarrerien und Karrikaturen lieferten.
Sollen etwa diese Rittermähren jenes Urtheil in
unsern Zeiten wieder geltend machen, jetzt wo die
Ausländer den deutschen Geist verehren, und den
deutschen Fleiß bewundern, wo deutsche Männer
praeceptores Europae heißen? was mögen die
Ausländer von diesem Unwesen, von dem Ge-
schmack unsers Publikums urtheilen? Man muß

ihrer Tapferkeit. Wenn hierin ein feiner Plan
liegen ſollte: ſo moͤchten wol die adelichen Rit-
ter mit den Geiſtlichen zugleich, im dem Fall
eines zu entſtehenden Prozeſſes, die Unkoſten be-
zahlen muͤßen, und die buͤrgerlichen Knappen
koͤnnten das Depoſitum gewinnen. Sie duͤrften
dann auch ihren Herrn und Lehrern nicht mehr
Kutten und Helme aufſetzen, ſondern ſie in
puris naturalibus ſtehen laſſen.

Man darf nur die Meßkatalogen anſehen,
und man wird erſchrecken uͤber dieſe Ritter-
wuth, die uns von allen Seiten her und aus
allen Jahrhunderten belagert. Laßen ſie uns von
Planen und Abſichten abſehen, die hier nicht zu
finden ſind,
und dieſe Schriften nach ihrem
innern Gehalte beurtheilen.

Man warf ſonſt den deutſchen vor, und
mich duͤnkt, nicht ohne Grund, daß ſie in ihren
eigenen Werken, wo ſie Originale ſeyn wollten,
lauter Biſarrerien und Karrikaturen lieferten.
Sollen etwa dieſe Rittermaͤhren jenes Urtheil in
unſern Zeiten wieder geltend machen, jetzt wo die
Auslaͤnder den deutſchen Geiſt verehren, und den
deutſchen Fleiß bewundern, wo deutſche Maͤnner
praeceptores Europae heißen? was moͤgen die
Auslaͤnder von dieſem Unweſen, von dem Ge-
ſchmack unſers Publikums urtheilen? Man muß

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[45/0045] ihrer Tapferkeit. Wenn hierin ein feiner Plan liegen ſollte: ſo moͤchten wol die adelichen Rit- ter mit den Geiſtlichen zugleich, im dem Fall eines zu entſtehenden Prozeſſes, die Unkoſten be- zahlen muͤßen, und die buͤrgerlichen Knappen koͤnnten das Depoſitum gewinnen. Sie duͤrften dann auch ihren Herrn und Lehrern nicht mehr Kutten und Helme aufſetzen, ſondern ſie in puris naturalibus ſtehen laſſen. Man darf nur die Meßkatalogen anſehen, und man wird erſchrecken uͤber dieſe Ritter- wuth, die uns von allen Seiten her und aus allen Jahrhunderten belagert. Laßen ſie uns von Planen und Abſichten abſehen, die hier nicht zu finden ſind, und dieſe Schriften nach ihrem innern Gehalte beurtheilen. Man warf ſonſt den deutſchen vor, und mich duͤnkt, nicht ohne Grund, daß ſie in ihren eigenen Werken, wo ſie Originale ſeyn wollten, lauter Biſarrerien und Karrikaturen lieferten. Sollen etwa dieſe Rittermaͤhren jenes Urtheil in unſern Zeiten wieder geltend machen, jetzt wo die Auslaͤnder den deutſchen Geiſt verehren, und den deutſchen Fleiß bewundern, wo deutſche Maͤnner praeceptores Europae heißen? was moͤgen die Auslaͤnder von dieſem Unweſen, von dem Ge- ſchmack unſers Publikums urtheilen? Man muß

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Zitationshilfe: Johann Gottfried, Hoche: Vertraute Briefe über die jetzige abentheuerliche Lesesucht. Hannover, 1794, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoche_lesesucht_1794/45>, abgerufen am 23.04.2024.