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Johann Gottfried, Hoche: Vertraute Briefe über die jetzige abentheuerliche Lesesucht. Hannover, 1794.

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Strauß geben. Was für Schätze sind hier zu
finden, wie manchem Aberglauben, wie man-
cher Quelle der Jmmoralität kömmt man auf
die Spur!

Von dem zwölften Jahrhundert an waren
die Romane, in Frankreich, Erzählungen jeder
Geschichte in der Landessprache, welche die ro-
manische
hieß. Weil diese romanische Geschich-
te eigentlich für den ungelehrten Theil der Na-
tion bestimmt war, der nur Krieg und Waffen
kannte, und eben aus dieser Ursache das Wun-
derbare liebte: so erforderte sie auch eine eige-
ne Behandlung. Daher es denn kam daß sie
die Gestalt der Heldengedichte erhielt. Als
aber bei den wieder auflebenden Wissenschaften,
der griechischen und römischen Litteratur, die
Geschichte in der Landessprache nach dem Mu-
ster der Alten, und die epischen Gedichte gleich-
falls nach dem Muster iener epischen Meister-
stücke geschrieben wurden: so machten die roma-
nischen Heldengedichte eine eigene Gattung aus'
die nach gerade die gegenwärtige Gestalt er-
halten haben. -- Kann man unsere jetzigen
Leser und Leserinnen der dialogisirten oder ro-
manischen Geschichte, die jetzt wieder aufleben
will, mit Recht in jene rohen Zeiten zurück
setzen? das sey ferne. Jndeß bleibt es doch
ein Problem, was die Herrn Autoren für ei-

Strauß geben. Was fuͤr Schaͤtze ſind hier zu
finden, wie manchem Aberglauben, wie man-
cher Quelle der Jmmoralitaͤt koͤmmt man auf
die Spur!

Von dem zwoͤlften Jahrhundert an waren
die Romane, in Frankreich, Erzaͤhlungen jeder
Geſchichte in der Landesſprache, welche die ro-
maniſche
hieß. Weil dieſe romaniſche Geſchich-
te eigentlich fuͤr den ungelehrten Theil der Na-
tion beſtimmt war, der nur Krieg und Waffen
kannte, und eben aus dieſer Urſache das Wun-
derbare liebte: ſo erforderte ſie auch eine eige-
ne Behandlung. Daher es denn kam daß ſie
die Geſtalt der Heldengedichte erhielt. Als
aber bei den wieder auflebenden Wiſſenſchaften,
der griechiſchen und roͤmiſchen Litteratur, die
Geſchichte in der Landesſprache nach dem Mu-
ſter der Alten, und die epiſchen Gedichte gleich-
falls nach dem Muſter iener epiſchen Meiſter-
ſtuͤcke geſchrieben wurden: ſo machten die roma-
niſchen Heldengedichte eine eigene Gattung aus’
die nach gerade die gegenwaͤrtige Geſtalt er-
halten haben. — Kann man unſere jetzigen
Leſer und Leſerinnen der dialogiſirten oder ro-
maniſchen Geſchichte, die jetzt wieder aufleben
will, mit Recht in jene rohen Zeiten zuruͤck
ſetzen? das ſey ferne. Jndeß bleibt es doch
ein Problem, was die Herrn Autoren fuͤr ei-

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[43/0043] Strauß geben. Was fuͤr Schaͤtze ſind hier zu finden, wie manchem Aberglauben, wie man- cher Quelle der Jmmoralitaͤt koͤmmt man auf die Spur! Von dem zwoͤlften Jahrhundert an waren die Romane, in Frankreich, Erzaͤhlungen jeder Geſchichte in der Landesſprache, welche die ro- maniſche hieß. Weil dieſe romaniſche Geſchich- te eigentlich fuͤr den ungelehrten Theil der Na- tion beſtimmt war, der nur Krieg und Waffen kannte, und eben aus dieſer Urſache das Wun- derbare liebte: ſo erforderte ſie auch eine eige- ne Behandlung. Daher es denn kam daß ſie die Geſtalt der Heldengedichte erhielt. Als aber bei den wieder auflebenden Wiſſenſchaften, der griechiſchen und roͤmiſchen Litteratur, die Geſchichte in der Landesſprache nach dem Mu- ſter der Alten, und die epiſchen Gedichte gleich- falls nach dem Muſter iener epiſchen Meiſter- ſtuͤcke geſchrieben wurden: ſo machten die roma- niſchen Heldengedichte eine eigene Gattung aus’ die nach gerade die gegenwaͤrtige Geſtalt er- halten haben. — Kann man unſere jetzigen Leſer und Leſerinnen der dialogiſirten oder ro- maniſchen Geſchichte, die jetzt wieder aufleben will, mit Recht in jene rohen Zeiten zuruͤck ſetzen? das ſey ferne. Jndeß bleibt es doch ein Problem, was die Herrn Autoren fuͤr ei-

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Zitationshilfe: Johann Gottfried, Hoche: Vertraute Briefe über die jetzige abentheuerliche Lesesucht. Hannover, 1794, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoche_lesesucht_1794/43>, abgerufen am 26.04.2024.