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Johann Gottfried, Hoche: Vertraute Briefe über die jetzige abentheuerliche Lesesucht. Hannover, 1794.

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Erfahrung hat mich dazu gezwungen. Diese
Sucht nach dem Wunderbaren gehet aus der
Geisterwelt in die wirkliche Welt über. Aus
dem natürlichen Triebe der Menschen nach et-
was übernatürlichen, der dadurch eine reiche
Nahrungsquelle erhält, soll sich dies leicht er-
klären lassen. Kinder und Weiber werden zum
Beweise angeführt. Das albernste Zeug, das
nur einen Schein des Wunderbaren hat,
gilt dem Einfältigen, der gern Wunder hört
und siehet, für ein Wunder, er giebt sich nicht
die Mühe zu untersuchen, entweder aus Man-
gel an Kräften, oder aus Faulheit, oder um
nicht seiner Lieblingsneigung selbst in die Quer
zu kommen. Ja es kann so hübsch, so ange-
nehm seyn, sich lehrreich darüber zu unterhal-
ten!! man kann damit oft eine große Lücke aus-
füllen. Jch weiß so gar, daß es Jemandem
sehr unangenehm war, als man ihm einige seiner
eingebildeten Wunder nehmen wollte. Er ver-
mochte es nicht über sich den Wunsch zu un-
terdrücken, daß sie doch wahre Wunder seyn
möchten.

Auf der andern Seite aber schwächen diese
erdichteten Wunder den Glauben an wahre
Wunder der Religion. Dies scheint ganz son-
derbar, und doch ist es wahr. Stehet der
Mensch so oft mit sich selbst im Widerspruche,

Erfahrung hat mich dazu gezwungen. Dieſe
Sucht nach dem Wunderbaren gehet aus der
Geiſterwelt in die wirkliche Welt uͤber. Aus
dem natuͤrlichen Triebe der Menſchen nach et-
was uͤbernatuͤrlichen, der dadurch eine reiche
Nahrungsquelle erhaͤlt, ſoll ſich dies leicht er-
klaͤren laſſen. Kinder und Weiber werden zum
Beweiſe angefuͤhrt. Das albernſte Zeug, das
nur einen Schein des Wunderbaren hat,
gilt dem Einfaͤltigen, der gern Wunder hoͤrt
und ſiehet, fuͤr ein Wunder, er giebt ſich nicht
die Muͤhe zu unterſuchen, entweder aus Man-
gel an Kraͤften, oder aus Faulheit, oder um
nicht ſeiner Lieblingsneigung ſelbſt in die Quer
zu kommen. Ja es kann ſo huͤbſch, ſo ange-
nehm ſeyn, ſich lehrreich daruͤber zu unterhal-
ten!! man kann damit oft eine große Luͤcke aus-
fuͤllen. Jch weiß ſo gar, daß es Jemandem
ſehr unangenehm war, als man ihm einige ſeiner
eingebildeten Wunder nehmen wollte. Er ver-
mochte es nicht uͤber ſich den Wunſch zu un-
terdruͤcken, daß ſie doch wahre Wunder ſeyn
moͤchten.

Auf der andern Seite aber ſchwaͤchen dieſe
erdichteten Wunder den Glauben an wahre
Wunder der Religion. Dies ſcheint ganz ſon-
derbar, und doch iſt es wahr. Stehet der
Menſch ſo oft mit ſich ſelbſt im Widerſpruche,

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[25/0025] Erfahrung hat mich dazu gezwungen. Dieſe Sucht nach dem Wunderbaren gehet aus der Geiſterwelt in die wirkliche Welt uͤber. Aus dem natuͤrlichen Triebe der Menſchen nach et- was uͤbernatuͤrlichen, der dadurch eine reiche Nahrungsquelle erhaͤlt, ſoll ſich dies leicht er- klaͤren laſſen. Kinder und Weiber werden zum Beweiſe angefuͤhrt. Das albernſte Zeug, das nur einen Schein des Wunderbaren hat, gilt dem Einfaͤltigen, der gern Wunder hoͤrt und ſiehet, fuͤr ein Wunder, er giebt ſich nicht die Muͤhe zu unterſuchen, entweder aus Man- gel an Kraͤften, oder aus Faulheit, oder um nicht ſeiner Lieblingsneigung ſelbſt in die Quer zu kommen. Ja es kann ſo huͤbſch, ſo ange- nehm ſeyn, ſich lehrreich daruͤber zu unterhal- ten!! man kann damit oft eine große Luͤcke aus- fuͤllen. Jch weiß ſo gar, daß es Jemandem ſehr unangenehm war, als man ihm einige ſeiner eingebildeten Wunder nehmen wollte. Er ver- mochte es nicht uͤber ſich den Wunſch zu un- terdruͤcken, daß ſie doch wahre Wunder ſeyn moͤchten. Auf der andern Seite aber ſchwaͤchen dieſe erdichteten Wunder den Glauben an wahre Wunder der Religion. Dies ſcheint ganz ſon- derbar, und doch iſt es wahr. Stehet der Menſch ſo oft mit ſich ſelbſt im Widerſpruche,

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Zitationshilfe: Johann Gottfried, Hoche: Vertraute Briefe über die jetzige abentheuerliche Lesesucht. Hannover, 1794, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoche_lesesucht_1794/25>, abgerufen am 25.11.2024.