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Johann Gottfried, Hoche: Vertraute Briefe über die jetzige abentheuerliche Lesesucht. Hannover, 1794.

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aber auch die vielen nützlichen Schriften lesen,
woran wir keinen Mangel haben: so würden
Sie gar irre werden und fragen, wie war es
möglich, daß bei so vieler Vernunft doch so
viel Unvernunft seyn konnte?

Siehet man auf den Schaden, den diese
Schriftstellerei stiftet, den man ohne Brille sehen
kann: so wird man genötigt, die Herrn Ver-
fasser nicht nur für Stümper und unhöflich ge-
gen das Publikum, sondern für wirkliche Feinde
des menschlichen Verstandes zu halten. Selbst
bei ihren translunarischen und subterranischen
Helden möchten sie es größtenteils schwer zu ver-
antworten haben, daß sie sich so gröblich an
ihnen versündigen.

Sie erlauben mir, daß ich jetzt einzelne
Fälle anführen darf, wo der Schaden, den
diese Wunderdinge, Geistergeschichten und nächt-
lichen Erscheinungen gestiftet haben, unverkenn-
bar ist.

Zuerst haben sie unleugbar den Wunder-
glauben befördert. Alles was nicht wunderbar
ist, worin nicht ein Dutzend Nachtgeister, wol
gar am hellen Tage erscheinen, findet schon um
deswillen weniger Eingang. Jch habe mich
nicht gern hiervon überzeugen wollen, aber die

aber auch die vielen nuͤtzlichen Schriften leſen,
woran wir keinen Mangel haben: ſo wuͤrden
Sie gar irre werden und fragen, wie war es
moͤglich, daß bei ſo vieler Vernunft doch ſo
viel Unvernunft ſeyn konnte?

Siehet man auf den Schaden, den dieſe
Schriftſtellerei ſtiftet, den man ohne Brille ſehen
kann: ſo wird man genoͤtigt, die Herrn Ver-
faſſer nicht nur fuͤr Stuͤmper und unhoͤflich ge-
gen das Publikum, ſondern fuͤr wirkliche Feinde
des menſchlichen Verſtandes zu halten. Selbſt
bei ihren translunariſchen und ſubterraniſchen
Helden moͤchten ſie es groͤßtenteils ſchwer zu ver-
antworten haben, daß ſie ſich ſo groͤblich an
ihnen verſuͤndigen.

Sie erlauben mir, daß ich jetzt einzelne
Faͤlle anfuͤhren darf, wo der Schaden, den
dieſe Wunderdinge, Geiſtergeſchichten und naͤcht-
lichen Erſcheinungen geſtiftet haben, unverkenn-
bar iſt.

Zuerſt haben ſie unleugbar den Wunder-
glauben befoͤrdert. Alles was nicht wunderbar
iſt, worin nicht ein Dutzend Nachtgeiſter, wol
gar am hellen Tage erſcheinen, findet ſchon um
deswillen weniger Eingang. Jch habe mich
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[24/0024] aber auch die vielen nuͤtzlichen Schriften leſen, woran wir keinen Mangel haben: ſo wuͤrden Sie gar irre werden und fragen, wie war es moͤglich, daß bei ſo vieler Vernunft doch ſo viel Unvernunft ſeyn konnte? Siehet man auf den Schaden, den dieſe Schriftſtellerei ſtiftet, den man ohne Brille ſehen kann: ſo wird man genoͤtigt, die Herrn Ver- faſſer nicht nur fuͤr Stuͤmper und unhoͤflich ge- gen das Publikum, ſondern fuͤr wirkliche Feinde des menſchlichen Verſtandes zu halten. Selbſt bei ihren translunariſchen und ſubterraniſchen Helden moͤchten ſie es groͤßtenteils ſchwer zu ver- antworten haben, daß ſie ſich ſo groͤblich an ihnen verſuͤndigen. Sie erlauben mir, daß ich jetzt einzelne Faͤlle anfuͤhren darf, wo der Schaden, den dieſe Wunderdinge, Geiſtergeſchichten und naͤcht- lichen Erſcheinungen geſtiftet haben, unverkenn- bar iſt. Zuerſt haben ſie unleugbar den Wunder- glauben befoͤrdert. Alles was nicht wunderbar iſt, worin nicht ein Dutzend Nachtgeiſter, wol gar am hellen Tage erſcheinen, findet ſchon um deswillen weniger Eingang. Jch habe mich nicht gern hiervon uͤberzeugen wollen, aber die

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Zitationshilfe: Johann Gottfried, Hoche: Vertraute Briefe über die jetzige abentheuerliche Lesesucht. Hannover, 1794, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoche_lesesucht_1794/24>, abgerufen am 29.03.2024.