So geht es auch in der Schriftstellerei, wo sich neben den vortreflichen Arbeitern so vie- le Tagelöhner eingeschlichen haben, die sich nie über Kalk und Stroh erheben. Wenn sie dies zum Behuf der Meister lieferten: so wären sie allerdings nützlich, ja unentbehrlich. Da sie aber für sich allein damit bestehen und das Publi- kum in ihre Hütten aufnehmen wollen: so sind sie schädlich. Jhr Gebäude fällt, und erdrückt die darunter hausen, und ihre Nahrung, die sie darin gaben, vergiftet die, welche entka- men. -- Die Ausschweifung in der Schrift- stellerei wird die Pest für die Menschen. So lange sie der wahren Gelehrsamkeit, und dem Menschenwohl nicht schadet, so lange noch durch diese schriftstellerischen Tändeleien, manches, was sonst verlohren gienge, und doch nützlich ist, in Umlauf gebracht wird, so lange läßt sie sich der Vernünstige gefallen. Aber wenn er statt dieses kleinen Nutzens den größten Scha- den daraus hervorgehen siehet, soll er dann nicht seine Stimme erheben?
Die Zweige der wahren Gelehrsamkeit über- schatteten sonst das Unkraut, das sich in ihrem Schatten nährte, jetzt fängt es an zu luxuri- ren und will über jene Zweige hinauswachsen. Dies ist in der That zu befürchten, wenn ihm
So geht es auch in der Schriftſtellerei, wo ſich neben den vortreflichen Arbeitern ſo vie- le Tageloͤhner eingeſchlichen haben, die ſich nie uͤber Kalk und Stroh erheben. Wenn ſie dies zum Behuf der Meiſter lieferten: ſo waͤren ſie allerdings nuͤtzlich, ja unentbehrlich. Da ſie aber fuͤr ſich allein damit beſtehen und das Publi- kum in ihre Huͤtten aufnehmen wollen: ſo ſind ſie ſchaͤdlich. Jhr Gebaͤude faͤllt, und erdruͤckt die darunter hauſen, und ihre Nahrung, die ſie darin gaben, vergiftet die, welche entka- men. — Die Ausſchweifung in der Schrift- ſtellerei wird die Peſt fuͤr die Menſchen. So lange ſie der wahren Gelehrſamkeit, und dem Menſchenwohl nicht ſchadet, ſo lange noch durch dieſe ſchriftſtelleriſchen Taͤndeleien, manches, was ſonſt verlohren gienge, und doch nuͤtzlich iſt, in Umlauf gebracht wird, ſo lange laͤßt ſie ſich der Vernuͤnſtige gefallen. Aber wenn er ſtatt dieſes kleinen Nutzens den groͤßten Scha- den daraus hervorgehen ſiehet, ſoll er dann nicht ſeine Stimme erheben?
Die Zweige der wahren Gelehrſamkeit uͤber- ſchatteten ſonſt das Unkraut, das ſich in ihrem Schatten naͤhrte, jetzt faͤngt es an zu luxuri- ren und will uͤber jene Zweige hinauswachſen. Dies iſt in der That zu befuͤrchten, wenn ihm
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So geht es auch in der Schriftſtellerei, wo
ſich neben den vortreflichen Arbeitern ſo vie-
le Tageloͤhner eingeſchlichen haben, die ſich nie
uͤber Kalk und Stroh erheben. Wenn ſie dies
zum Behuf der Meiſter lieferten: ſo waͤren ſie
allerdings nuͤtzlich, ja unentbehrlich. Da ſie
aber fuͤr ſich allein damit beſtehen und das Publi-
kum in ihre Huͤtten aufnehmen wollen: ſo ſind
ſie ſchaͤdlich. Jhr Gebaͤude faͤllt, und erdruͤckt
die darunter hauſen, und ihre Nahrung, die
ſie darin gaben, vergiftet die, welche entka-
men. — Die Ausſchweifung in der Schrift-
ſtellerei wird die Peſt fuͤr die Menſchen. So
lange ſie der wahren Gelehrſamkeit, und dem
Menſchenwohl nicht ſchadet, ſo lange noch durch
dieſe ſchriftſtelleriſchen Taͤndeleien, manches,
was ſonſt verlohren gienge, und doch nuͤtzlich
iſt, in Umlauf gebracht wird, ſo lange laͤßt
ſie ſich der Vernuͤnſtige gefallen. Aber wenn
er ſtatt dieſes kleinen Nutzens den groͤßten Scha-
den daraus hervorgehen ſiehet, ſoll er dann
nicht ſeine Stimme erheben?
Die Zweige der wahren Gelehrſamkeit uͤber-
ſchatteten ſonſt das Unkraut, das ſich in ihrem
Schatten naͤhrte, jetzt faͤngt es an zu luxuri-
ren und will uͤber jene Zweige hinauswachſen.
Dies iſt in der That zu befuͤrchten, wenn ihm
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Johann Gottfried, Hoche: Vertraute Briefe über die jetzige abentheuerliche Lesesucht. Hannover, 1794, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoche_lesesucht_1794/14>, abgerufen am 16.02.2025.
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