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Johann Gottfried, Hoche: Vertraute Briefe über die jetzige abentheuerliche Lesesucht. Hannover, 1794.

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"weiblichen Empfindungen stehen auf der
"Grenze zwischen Harmonie und Disharmo-
"nie. Sie sehen, daß ich noch immer die Ver-
"theidigerin meines Geschlechts seyn möchte.
"Das Wörtchen Grenze leidet doch eine
"erträgliche Nebenidee."

Sollte Jhr Geschlecht wol ganz mit dem
Letztern zufrieden seyn? doch wir wollen darüber
nicht weiter streiten. Jhre Frage, dächte ich,
könnte man so zusammen fassen: Woher kom-
men die vielen Verstimmungen, die vielen
Mißlaure, die den Lebensgenuß stohren, in
die Seelen der Menschen, und besonders der
Frauenzimmer?
-- Eine ganz vollständige Be-
antwortung würde mich zu weit führen, über-
dem waren wir ja schon einst über die meisten
Ursachen dieser Verstimmung einig. Nur eins
bleibt mir übrig, nämlich mich über den Ein-
fluß der Lektüre auf die Empfindungen der Men-
schen zuerklären, ich verstehe dies aber nicht
von der gesammten Lektüre, denn darüber waren
wir meistentheils auch einverstanden, sondern
nur über den Einfluß der ietzigen Modelektüre,
die mir unter den obigen Pfuschern keinen ge-
ringen Platz zu behaupten scheint.

Was ich in diesen und in den folgenden
Briefen sagen werde, trift Sie gar nicht; ich

„weiblichen Empfindungen ſtehen auf der
Grenze zwiſchen Harmonie und Disharmo-
„nie. Sie ſehen, daß ich noch immer die Ver-
„theidigerin meines Geſchlechts ſeyn moͤchte.
„Das Woͤrtchen Grenze leidet doch eine
„ertraͤgliche Nebenidee.‟

Sollte Jhr Geſchlecht wol ganz mit dem
Letztern zufrieden ſeyn? doch wir wollen daruͤber
nicht weiter ſtreiten. Jhre Frage, daͤchte ich,
koͤnnte man ſo zuſammen faſſen: Woher kom-
men die vielen Verſtimmungen, die vielen
Mißlaure, die den Lebensgenuß ſtohren, in
die Seelen der Menſchen, und beſonders der
Frauenzimmer?
— Eine ganz vollſtaͤndige Be-
antwortung wuͤrde mich zu weit fuͤhren, uͤber-
dem waren wir ja ſchon einſt uͤber die meiſten
Urſachen dieſer Verſtimmung einig. Nur eins
bleibt mir uͤbrig, naͤmlich mich uͤber den Ein-
fluß der Lektuͤre auf die Empfindungen der Men-
ſchen zuerklaͤren, ich verſtehe dies aber nicht
von der geſammten Lektuͤre, denn daruͤber waren
wir meiſtentheils auch einverſtanden, ſondern
nur uͤber den Einfluß der ietzigen Modelektuͤre,
die mir unter den obigen Pfuſchern keinen ge-
ringen Platz zu behaupten ſcheint.

Was ich in dieſen und in den folgenden
Briefen ſagen werde, trift Sie gar nicht; ich

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[12/0012] „weiblichen Empfindungen ſtehen auf der „Grenze zwiſchen Harmonie und Disharmo- „nie. Sie ſehen, daß ich noch immer die Ver- „theidigerin meines Geſchlechts ſeyn moͤchte. „Das Woͤrtchen Grenze leidet doch eine „ertraͤgliche Nebenidee.‟ Sollte Jhr Geſchlecht wol ganz mit dem Letztern zufrieden ſeyn? doch wir wollen daruͤber nicht weiter ſtreiten. Jhre Frage, daͤchte ich, koͤnnte man ſo zuſammen faſſen: Woher kom- men die vielen Verſtimmungen, die vielen Mißlaure, die den Lebensgenuß ſtohren, in die Seelen der Menſchen, und beſonders der Frauenzimmer? — Eine ganz vollſtaͤndige Be- antwortung wuͤrde mich zu weit fuͤhren, uͤber- dem waren wir ja ſchon einſt uͤber die meiſten Urſachen dieſer Verſtimmung einig. Nur eins bleibt mir uͤbrig, naͤmlich mich uͤber den Ein- fluß der Lektuͤre auf die Empfindungen der Men- ſchen zuerklaͤren, ich verſtehe dies aber nicht von der geſammten Lektuͤre, denn daruͤber waren wir meiſtentheils auch einverſtanden, ſondern nur uͤber den Einfluß der ietzigen Modelektuͤre, die mir unter den obigen Pfuſchern keinen ge- ringen Platz zu behaupten ſcheint. Was ich in dieſen und in den folgenden Briefen ſagen werde, trift Sie gar nicht; ich

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Zitationshilfe: Johann Gottfried, Hoche: Vertraute Briefe über die jetzige abentheuerliche Lesesucht. Hannover, 1794, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoche_lesesucht_1794/12>, abgerufen am 24.11.2024.