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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785.

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einzelner Theile eines Landsitzes.

Nicht weit von dem Geflügel des Hofes ist der Ort, der für das Wassergeflü-
gel eigentlich bestimmt ist. Canäle, oder ein Arm von dem kleinen Flusse, verse-
hen diese Geschöpfe sowohl mit dem Nothwendigen, als mit dem Ueberflüssigen, das
ihnen eigen ist. Auch sind die in ihren Aufenthalt geleiteten Wasser mit Weiden
und Binsen eingefasset, und auf denselben befinden sich kleine Hütten, deren An-
muth und Bequemlichkeit sie dahin einladet.

Weiterhin befindet sich eine noch interessantere Einrichtung: ein Garten voll
solcher medicinischer Pflanzen, die Menschen und Thieren am nothwendigsten sind.
Sie sind sorgfältig gepfleget, in gewisse Reihen geordnet, und mit Zeichen versehen,
so daß ich, in wenig Worten, mit ihrem Namen, mit ihrer Classe und mit ihren
vornehmsten Eigenschaften bekannt gemacht werde. Diese Vorsorge, die sich mit
der Menschenliebe, mit der Oeconomie und den Kenntnissen jetziger Zeit so wohl
verträgt, veranlaßt mich, nicht ohne Rührung die Behausung zu besuchen, die für
kranke Dienstboten bestimmet ist. Eine verständige Wirthschafterinn, und ein
Mann, der die nothwendigsten Grundsätze kennet, und in dieser ganzen kleinen Ge-
gend bey dringenden Nothfällen Hülfe zu leisten fähig ist, bewohnen nebst einigen
Bedienten einen reinlichen Aufenthalt. Dieser unterhält ein Laboratorium, wo sich
nicht die künstlichsten, aber die unentbehrlichsten Geräthschaften befinden; er sorgt
für einen Vorrath von Wurzeln und Kräutern, die man stets bey der Hand haben
muß; er hat eine medicinische Bibliothek, die ausgesucht und eben deswegen nicht
zahlreich ist.

Der Ort ist luftig, geräumig und gesund. Einige ländliche Alleen dienen zu
Spaziergängen. Am Ende derselben ist auf einer Anhöhe ein Bethaus, welches,
auf verschiedenen Seiten des Thals, den zugleich malerischen und interessanten An-
blick eines zur Danksagung für empfangene Wohlthaten gewidmeten Tempels dar-
stellt. In der Nähe ist ein kleines Haus, in der Gestalt einer Einsiedeley, wo
man ausruhen kann, wo man Stühle, einen Tisch und alles findet, was man bey
der Verweilung von einigen Augenblicken nöthig haben kann.

Man übersieht nun die ganze Länderey, und man erinnert sich, indem man
noch einmal die Blicke darauf heftet, der Empfindungen, die man darinnen hatte.
Alsdann ist es sehr natürlich mit dem Weisen auszurufen: o! wie glückselig würden
die Bewohner des Landes seyn, wenn sie den Werth der Güter besser schätzten, die
sie genießen, oder doch genießen könnten! Man fühlt ein Verlangen, sich auf im-

mer
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einzelner Theile eines Landſitzes.

Nicht weit von dem Gefluͤgel des Hofes iſt der Ort, der fuͤr das Waſſergefluͤ-
gel eigentlich beſtimmt iſt. Canaͤle, oder ein Arm von dem kleinen Fluſſe, verſe-
hen dieſe Geſchoͤpfe ſowohl mit dem Nothwendigen, als mit dem Ueberfluͤſſigen, das
ihnen eigen iſt. Auch ſind die in ihren Aufenthalt geleiteten Waſſer mit Weiden
und Binſen eingefaſſet, und auf denſelben befinden ſich kleine Huͤtten, deren An-
muth und Bequemlichkeit ſie dahin einladet.

Weiterhin befindet ſich eine noch intereſſantere Einrichtung: ein Garten voll
ſolcher mediciniſcher Pflanzen, die Menſchen und Thieren am nothwendigſten ſind.
Sie ſind ſorgfaͤltig gepfleget, in gewiſſe Reihen geordnet, und mit Zeichen verſehen,
ſo daß ich, in wenig Worten, mit ihrem Namen, mit ihrer Claſſe und mit ihren
vornehmſten Eigenſchaften bekannt gemacht werde. Dieſe Vorſorge, die ſich mit
der Menſchenliebe, mit der Oeconomie und den Kenntniſſen jetziger Zeit ſo wohl
vertraͤgt, veranlaßt mich, nicht ohne Ruͤhrung die Behauſung zu beſuchen, die fuͤr
kranke Dienſtboten beſtimmet iſt. Eine verſtaͤndige Wirthſchafterinn, und ein
Mann, der die nothwendigſten Grundſaͤtze kennet, und in dieſer ganzen kleinen Ge-
gend bey dringenden Nothfaͤllen Huͤlfe zu leiſten faͤhig iſt, bewohnen nebſt einigen
Bedienten einen reinlichen Aufenthalt. Dieſer unterhaͤlt ein Laboratorium, wo ſich
nicht die kuͤnſtlichſten, aber die unentbehrlichſten Geraͤthſchaften befinden; er ſorgt
fuͤr einen Vorrath von Wurzeln und Kraͤutern, die man ſtets bey der Hand haben
muß; er hat eine mediciniſche Bibliothek, die ausgeſucht und eben deswegen nicht
zahlreich iſt.

Der Ort iſt luftig, geraͤumig und geſund. Einige laͤndliche Alleen dienen zu
Spaziergaͤngen. Am Ende derſelben iſt auf einer Anhoͤhe ein Bethaus, welches,
auf verſchiedenen Seiten des Thals, den zugleich maleriſchen und intereſſanten An-
blick eines zur Dankſagung fuͤr empfangene Wohlthaten gewidmeten Tempels dar-
ſtellt. In der Naͤhe iſt ein kleines Haus, in der Geſtalt einer Einſiedeley, wo
man ausruhen kann, wo man Stuͤhle, einen Tiſch und alles findet, was man bey
der Verweilung von einigen Augenblicken noͤthig haben kann.

Man uͤberſieht nun die ganze Laͤnderey, und man erinnert ſich, indem man
noch einmal die Blicke darauf heftet, der Empfindungen, die man darinnen hatte.
Alsdann iſt es ſehr natuͤrlich mit dem Weiſen auszurufen: o! wie gluͤckſelig wuͤrden
die Bewohner des Landes ſeyn, wenn ſie den Werth der Guͤter beſſer ſchaͤtzten, die
ſie genießen, oder doch genießen koͤnnten! Man fuͤhlt ein Verlangen, ſich auf im-

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[141/0149] einzelner Theile eines Landſitzes. Nicht weit von dem Gefluͤgel des Hofes iſt der Ort, der fuͤr das Waſſergefluͤ- gel eigentlich beſtimmt iſt. Canaͤle, oder ein Arm von dem kleinen Fluſſe, verſe- hen dieſe Geſchoͤpfe ſowohl mit dem Nothwendigen, als mit dem Ueberfluͤſſigen, das ihnen eigen iſt. Auch ſind die in ihren Aufenthalt geleiteten Waſſer mit Weiden und Binſen eingefaſſet, und auf denſelben befinden ſich kleine Huͤtten, deren An- muth und Bequemlichkeit ſie dahin einladet. Weiterhin befindet ſich eine noch intereſſantere Einrichtung: ein Garten voll ſolcher mediciniſcher Pflanzen, die Menſchen und Thieren am nothwendigſten ſind. Sie ſind ſorgfaͤltig gepfleget, in gewiſſe Reihen geordnet, und mit Zeichen verſehen, ſo daß ich, in wenig Worten, mit ihrem Namen, mit ihrer Claſſe und mit ihren vornehmſten Eigenſchaften bekannt gemacht werde. Dieſe Vorſorge, die ſich mit der Menſchenliebe, mit der Oeconomie und den Kenntniſſen jetziger Zeit ſo wohl vertraͤgt, veranlaßt mich, nicht ohne Ruͤhrung die Behauſung zu beſuchen, die fuͤr kranke Dienſtboten beſtimmet iſt. Eine verſtaͤndige Wirthſchafterinn, und ein Mann, der die nothwendigſten Grundſaͤtze kennet, und in dieſer ganzen kleinen Ge- gend bey dringenden Nothfaͤllen Huͤlfe zu leiſten faͤhig iſt, bewohnen nebſt einigen Bedienten einen reinlichen Aufenthalt. Dieſer unterhaͤlt ein Laboratorium, wo ſich nicht die kuͤnſtlichſten, aber die unentbehrlichſten Geraͤthſchaften befinden; er ſorgt fuͤr einen Vorrath von Wurzeln und Kraͤutern, die man ſtets bey der Hand haben muß; er hat eine mediciniſche Bibliothek, die ausgeſucht und eben deswegen nicht zahlreich iſt. Der Ort iſt luftig, geraͤumig und geſund. Einige laͤndliche Alleen dienen zu Spaziergaͤngen. Am Ende derſelben iſt auf einer Anhoͤhe ein Bethaus, welches, auf verſchiedenen Seiten des Thals, den zugleich maleriſchen und intereſſanten An- blick eines zur Dankſagung fuͤr empfangene Wohlthaten gewidmeten Tempels dar- ſtellt. In der Naͤhe iſt ein kleines Haus, in der Geſtalt einer Einſiedeley, wo man ausruhen kann, wo man Stuͤhle, einen Tiſch und alles findet, was man bey der Verweilung von einigen Augenblicken noͤthig haben kann. Man uͤberſieht nun die ganze Laͤnderey, und man erinnert ſich, indem man noch einmal die Blicke darauf heftet, der Empfindungen, die man darinnen hatte. Alsdann iſt es ſehr natuͤrlich mit dem Weiſen auszurufen: o! wie gluͤckſelig wuͤrden die Bewohner des Landes ſeyn, wenn ſie den Werth der Guͤter beſſer ſchaͤtzten, die ſie genießen, oder doch genießen koͤnnten! Man fuͤhlt ein Verlangen, ſich auf im- mer S 3

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst5_1785/149>, abgerufen am 24.11.2024.