Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785.

Bild:
<< vorherige Seite

Achter Abschnitt. Gartenmäßige Verschönerung
sie Beziehung hat, bestimmt. Alle diese Einrichtungen sollen nicht von der Größe
seyn, daß eine jede derselben die ganze Sorgfalt des Eigenthümers allein erforderte.
Das Verlangen, Reichthümer zu erwerben, erheischet freylich weitläuftige Einrich-
tungen; alsdann werden große Bemühungen durch einen großen Gewinn belohnt,
oder auch durch manchen empfindlichen Verlust vereitelt. Es giebt ein Maaß, das
mit der Befriedigung des Menschen in besserm Verhältnisse steht. Sein wahres
Glück wird immer in einem Zusammenhange von mäßigen Geschäften, Begierden
und Erholungen bestehen; in geringern, aber nicht so theuer erkauften Vortheilen;
in keinen rauschenden, aber in stillen und öfter genossenen Freuden. Ueberdieß wird
die Mannichfaltigkeit und das Maaß, wovon ich rede, die wohlgeordnete Eigenliebe
begünstigen, und denen, welche man genießen läßt, weit mehr schmeicheln, als Ge-
genstände, die Erstannen erregen und oft beleidigen. Ihr müsset nicht die Verwun-
derung, die von der Pracht erzeuget wird, in euren Gästen hervorzubringen suchen.
Wenn ihr Vortheile, die mittlern Glücksumständen angemessen sind, ihnen dar-
bietet, und mit ihnen theilet; so werden die meisten sie desto freyer genießen, je we-
niger sie dieselben zu groß für ihre Wünsche finden; und ihr werdet nicht, wie dieje-
nigen, die mit übel verstandenem Ueberflusse prahlen, Gefahr laufen, Neid zu
erwecken.

Aber indem ich mich von dem Orte entferne, wo ich die Seidenwürmer und
ihre Arbeiten gesehen habe, die zur Hervorbringung der künstlichen Werke, in wel-
chem Verstand und Fleiß sich vereiniget, angewendet werden, vernehme ich das Ge-
schrey verschiedener Thiere, und ich richte meinen Gang nach dem Hofe, wo das
Federvieh aufbehalten wird.

Wozu würden auch hier reiche Auszierungen und überflüssige Kunstwerke nü-
tzen? Absicht zieht natürlicher Weise die Aufmerksamkeit an sich, und bringt un-
fehlbar Theilnehmung hervor. Die Parkets sind geräumig und so wohl eingerichtet,
daß ich die Gefangenen, die darinnen eingeschlossen sind, nicht beklage. Die selte-
nern Arten sind abgesondert, um die Geschlechter zu erhalten. Schatten in der Zeit
der Hitze; Behältnisse, die gegen strenge Witterung schützen; Sand, Mist, Was-
ser; alles, was mich von der Glückseligkeit dieser nutzbaren Geschöpfe überzeugt,
gewähret mir ein größeres Vergnügen, als künstlich gearbeitetes und vergoldetes
Gitterwerk, als marmorne Wasserbecken, die bey der geringsten Hitze austrecknen,
und, ohne einen wahren Nutzen zu verschaffen, Beweise einer zur Unzeit verschwen-
deten Pracht abgeben.

Nicht

Achter Abſchnitt. Gartenmaͤßige Verſchoͤnerung
ſie Beziehung hat, beſtimmt. Alle dieſe Einrichtungen ſollen nicht von der Groͤße
ſeyn, daß eine jede derſelben die ganze Sorgfalt des Eigenthuͤmers allein erforderte.
Das Verlangen, Reichthuͤmer zu erwerben, erheiſchet freylich weitlaͤuftige Einrich-
tungen; alsdann werden große Bemuͤhungen durch einen großen Gewinn belohnt,
oder auch durch manchen empfindlichen Verluſt vereitelt. Es giebt ein Maaß, das
mit der Befriedigung des Menſchen in beſſerm Verhaͤltniſſe ſteht. Sein wahres
Gluͤck wird immer in einem Zuſammenhange von maͤßigen Geſchaͤften, Begierden
und Erholungen beſtehen; in geringern, aber nicht ſo theuer erkauften Vortheilen;
in keinen rauſchenden, aber in ſtillen und oͤfter genoſſenen Freuden. Ueberdieß wird
die Mannichfaltigkeit und das Maaß, wovon ich rede, die wohlgeordnete Eigenliebe
beguͤnſtigen, und denen, welche man genießen laͤßt, weit mehr ſchmeicheln, als Ge-
genſtaͤnde, die Erſtannen erregen und oft beleidigen. Ihr muͤſſet nicht die Verwun-
derung, die von der Pracht erzeuget wird, in euren Gaͤſten hervorzubringen ſuchen.
Wenn ihr Vortheile, die mittlern Gluͤcksumſtaͤnden angemeſſen ſind, ihnen dar-
bietet, und mit ihnen theilet; ſo werden die meiſten ſie deſto freyer genießen, je we-
niger ſie dieſelben zu groß fuͤr ihre Wuͤnſche finden; und ihr werdet nicht, wie dieje-
nigen, die mit uͤbel verſtandenem Ueberfluſſe prahlen, Gefahr laufen, Neid zu
erwecken.

Aber indem ich mich von dem Orte entferne, wo ich die Seidenwuͤrmer und
ihre Arbeiten geſehen habe, die zur Hervorbringung der kuͤnſtlichen Werke, in wel-
chem Verſtand und Fleiß ſich vereiniget, angewendet werden, vernehme ich das Ge-
ſchrey verſchiedener Thiere, und ich richte meinen Gang nach dem Hofe, wo das
Federvieh aufbehalten wird.

Wozu wuͤrden auch hier reiche Auszierungen und uͤberfluͤſſige Kunſtwerke nuͤ-
tzen? Abſicht zieht natuͤrlicher Weiſe die Aufmerkſamkeit an ſich, und bringt un-
fehlbar Theilnehmung hervor. Die Parkets ſind geraͤumig und ſo wohl eingerichtet,
daß ich die Gefangenen, die darinnen eingeſchloſſen ſind, nicht beklage. Die ſelte-
nern Arten ſind abgeſondert, um die Geſchlechter zu erhalten. Schatten in der Zeit
der Hitze; Behaͤltniſſe, die gegen ſtrenge Witterung ſchuͤtzen; Sand, Miſt, Waſ-
ſer; alles, was mich von der Gluͤckſeligkeit dieſer nutzbaren Geſchoͤpfe uͤberzeugt,
gewaͤhret mir ein groͤßeres Vergnuͤgen, als kuͤnſtlich gearbeitetes und vergoldetes
Gitterwerk, als marmorne Waſſerbecken, die bey der geringſten Hitze austrecknen,
und, ohne einen wahren Nutzen zu verſchaffen, Beweiſe einer zur Unzeit verſchwen-
deten Pracht abgeben.

Nicht
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0148" n="140"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Achter Ab&#x017F;chnitt. Gartenma&#x0364;ßige Ver&#x017F;cho&#x0364;nerung</hi></fw><lb/>
&#x017F;ie Beziehung hat, be&#x017F;timmt. Alle die&#x017F;e Einrichtungen &#x017F;ollen nicht von der Gro&#x0364;ße<lb/>
&#x017F;eyn, daß eine jede der&#x017F;elben die ganze Sorgfalt des Eigenthu&#x0364;mers allein erforderte.<lb/>
Das Verlangen, Reichthu&#x0364;mer zu erwerben, erhei&#x017F;chet freylich weitla&#x0364;uftige Einrich-<lb/>
tungen; alsdann werden große Bemu&#x0364;hungen durch einen großen Gewinn belohnt,<lb/>
oder auch durch manchen empfindlichen Verlu&#x017F;t vereitelt. Es giebt ein Maaß, das<lb/>
mit der Befriedigung des Men&#x017F;chen in be&#x017F;&#x017F;erm Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e &#x017F;teht. Sein wahres<lb/>
Glu&#x0364;ck wird immer in einem Zu&#x017F;ammenhange von ma&#x0364;ßigen Ge&#x017F;cha&#x0364;ften, Begierden<lb/>
und Erholungen be&#x017F;tehen; in geringern, aber nicht &#x017F;o theuer erkauften Vortheilen;<lb/>
in keinen rau&#x017F;chenden, aber in &#x017F;tillen und o&#x0364;fter geno&#x017F;&#x017F;enen Freuden. Ueberdieß wird<lb/>
die Mannichfaltigkeit und das Maaß, wovon ich rede, die wohlgeordnete Eigenliebe<lb/>
begu&#x0364;n&#x017F;tigen, und denen, welche man genießen la&#x0364;ßt, weit mehr &#x017F;chmeicheln, als Ge-<lb/>
gen&#x017F;ta&#x0364;nde, die Er&#x017F;tannen erregen und oft beleidigen. Ihr mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;et nicht die Verwun-<lb/>
derung, die von der Pracht erzeuget wird, in euren Ga&#x0364;&#x017F;ten hervorzubringen &#x017F;uchen.<lb/>
Wenn ihr Vortheile, die mittlern Glu&#x0364;cksum&#x017F;ta&#x0364;nden angeme&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ind, ihnen dar-<lb/>
bietet, und mit ihnen theilet; &#x017F;o werden die mei&#x017F;ten &#x017F;ie de&#x017F;to freyer genießen, je we-<lb/>
niger &#x017F;ie die&#x017F;elben zu groß fu&#x0364;r ihre Wu&#x0364;n&#x017F;che finden; und ihr werdet nicht, wie dieje-<lb/>
nigen, die mit u&#x0364;bel ver&#x017F;tandenem Ueberflu&#x017F;&#x017F;e prahlen, Gefahr laufen, Neid zu<lb/>
erwecken.</p><lb/>
              <p>Aber indem ich mich von dem Orte entferne, wo ich die Seidenwu&#x0364;rmer und<lb/>
ihre Arbeiten ge&#x017F;ehen habe, die zur Hervorbringung der ku&#x0364;n&#x017F;tlichen Werke, in wel-<lb/>
chem Ver&#x017F;tand und Fleiß &#x017F;ich vereiniget, angewendet werden, vernehme ich das Ge-<lb/>
&#x017F;chrey ver&#x017F;chiedener Thiere, und ich richte meinen Gang nach dem Hofe, wo das<lb/>
Federvieh aufbehalten wird.</p><lb/>
              <p>Wozu wu&#x0364;rden auch hier reiche Auszierungen und u&#x0364;berflu&#x0364;&#x017F;&#x017F;ige Kun&#x017F;twerke nu&#x0364;-<lb/>
tzen? Ab&#x017F;icht zieht natu&#x0364;rlicher Wei&#x017F;e die Aufmerk&#x017F;amkeit an &#x017F;ich, und bringt un-<lb/>
fehlbar Theilnehmung hervor. Die Parkets &#x017F;ind gera&#x0364;umig und &#x017F;o wohl eingerichtet,<lb/>
daß ich die Gefangenen, die darinnen einge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ind, nicht beklage. Die &#x017F;elte-<lb/>
nern Arten &#x017F;ind abge&#x017F;ondert, um die Ge&#x017F;chlechter zu erhalten. Schatten in der Zeit<lb/>
der Hitze; Beha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e, die gegen &#x017F;trenge Witterung &#x017F;chu&#x0364;tzen; Sand, Mi&#x017F;t, Wa&#x017F;-<lb/>
&#x017F;er; alles, was mich von der Glu&#x0364;ck&#x017F;eligkeit die&#x017F;er nutzbaren Ge&#x017F;cho&#x0364;pfe u&#x0364;berzeugt,<lb/>
gewa&#x0364;hret mir ein gro&#x0364;ßeres Vergnu&#x0364;gen, als ku&#x0364;n&#x017F;tlich gearbeitetes und vergoldetes<lb/>
Gitterwerk, als marmorne Wa&#x017F;&#x017F;erbecken, die bey der gering&#x017F;ten Hitze austrecknen,<lb/>
und, ohne einen wahren Nutzen zu ver&#x017F;chaffen, Bewei&#x017F;e einer zur Unzeit ver&#x017F;chwen-<lb/>
deten Pracht abgeben.</p><lb/>
              <fw place="bottom" type="catch">Nicht</fw><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[140/0148] Achter Abſchnitt. Gartenmaͤßige Verſchoͤnerung ſie Beziehung hat, beſtimmt. Alle dieſe Einrichtungen ſollen nicht von der Groͤße ſeyn, daß eine jede derſelben die ganze Sorgfalt des Eigenthuͤmers allein erforderte. Das Verlangen, Reichthuͤmer zu erwerben, erheiſchet freylich weitlaͤuftige Einrich- tungen; alsdann werden große Bemuͤhungen durch einen großen Gewinn belohnt, oder auch durch manchen empfindlichen Verluſt vereitelt. Es giebt ein Maaß, das mit der Befriedigung des Menſchen in beſſerm Verhaͤltniſſe ſteht. Sein wahres Gluͤck wird immer in einem Zuſammenhange von maͤßigen Geſchaͤften, Begierden und Erholungen beſtehen; in geringern, aber nicht ſo theuer erkauften Vortheilen; in keinen rauſchenden, aber in ſtillen und oͤfter genoſſenen Freuden. Ueberdieß wird die Mannichfaltigkeit und das Maaß, wovon ich rede, die wohlgeordnete Eigenliebe beguͤnſtigen, und denen, welche man genießen laͤßt, weit mehr ſchmeicheln, als Ge- genſtaͤnde, die Erſtannen erregen und oft beleidigen. Ihr muͤſſet nicht die Verwun- derung, die von der Pracht erzeuget wird, in euren Gaͤſten hervorzubringen ſuchen. Wenn ihr Vortheile, die mittlern Gluͤcksumſtaͤnden angemeſſen ſind, ihnen dar- bietet, und mit ihnen theilet; ſo werden die meiſten ſie deſto freyer genießen, je we- niger ſie dieſelben zu groß fuͤr ihre Wuͤnſche finden; und ihr werdet nicht, wie dieje- nigen, die mit uͤbel verſtandenem Ueberfluſſe prahlen, Gefahr laufen, Neid zu erwecken. Aber indem ich mich von dem Orte entferne, wo ich die Seidenwuͤrmer und ihre Arbeiten geſehen habe, die zur Hervorbringung der kuͤnſtlichen Werke, in wel- chem Verſtand und Fleiß ſich vereiniget, angewendet werden, vernehme ich das Ge- ſchrey verſchiedener Thiere, und ich richte meinen Gang nach dem Hofe, wo das Federvieh aufbehalten wird. Wozu wuͤrden auch hier reiche Auszierungen und uͤberfluͤſſige Kunſtwerke nuͤ- tzen? Abſicht zieht natuͤrlicher Weiſe die Aufmerkſamkeit an ſich, und bringt un- fehlbar Theilnehmung hervor. Die Parkets ſind geraͤumig und ſo wohl eingerichtet, daß ich die Gefangenen, die darinnen eingeſchloſſen ſind, nicht beklage. Die ſelte- nern Arten ſind abgeſondert, um die Geſchlechter zu erhalten. Schatten in der Zeit der Hitze; Behaͤltniſſe, die gegen ſtrenge Witterung ſchuͤtzen; Sand, Miſt, Waſ- ſer; alles, was mich von der Gluͤckſeligkeit dieſer nutzbaren Geſchoͤpfe uͤberzeugt, gewaͤhret mir ein groͤßeres Vergnuͤgen, als kuͤnſtlich gearbeitetes und vergoldetes Gitterwerk, als marmorne Waſſerbecken, die bey der geringſten Hitze austrecknen, und, ohne einen wahren Nutzen zu verſchaffen, Beweiſe einer zur Unzeit verſchwen- deten Pracht abgeben. Nicht

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst5_1785
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst5_1785/148
Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst5_1785/148>, abgerufen am 28.04.2024.