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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785.

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Achter Abschnitt. Gärtenmäßige Verschönerung

Mitten durch diese Höfe erblicke ich außerhalb Fußsteige. Ich sehe Gras,
Gebüsche, Blumen. Dieß reizt mich auf verschiedenen Wegen fortzugehen, die
ich mit Rasen und Bäumen eingefasset finde. Diese Wege leiten mich zu Triften,
die mit Vieh bedeckt sind; sie führen zu Gebäuden, die, wie von ungefähr in das
Gebüsch gestellt, meine Neugier reizen, und sich um den Vortheil, meine Wahl
zu bestimmen, zu streiten scheinen.

Bäche, die die Triften befruchten, durchkreuzen die Wege, die sich mir dar-
stellen, und kleine kunstlose Brücken, deren jede immer eine andere Gestalt hat, ver-
schaffen mir den Uebergang. Bald gehe ich an einer Hecke von blühenden Sträu-
chen hinunter, die ich an einem so ländlichen Orte zu finden nicht vermuthete. Bald
sehe ich mich in einem schattigten Gange von Weiden und Pappeln, die durch die
Verschiedenheit ihrer Gestalten dem Auge die malerische Mannichfaltigkeit darstellen,
die man niemals vernachlässigen soll. Bald finde ich an dem Wege, den ich gehe,
von einander abstehende Bäume, welche Weinstöcken zur Unterstützung dienen.
Die Reben, welche sich durch Hülfe der Zweige, um die sie sich schlingen, ausbrei-
ten, vereinigen und kräuseln sich, um dem Auge zu schmeicheln, und das Verlan-
gen zu beleben, indem sie die Reichthümer, womit sie beladen sind, unter einer ge-
fälligen Gestalt erscheinen lassen.

So komme ich bis zu dem Orte, der für das Milchwerk bestimmet ist. Das
Wasser fließet in die Melkerey, die so angebracht ist, daß große Hitze nicht in sie
eindringen, und daß dagegen frische gesunde Luft in sie eingelassen werden kann.
Die Ställe sind mit keiner ihrer eigentlichen Bestimmung nicht gemäßen Kostbarkeit
aufgeführet; weder in ihrer äußerlichen Geftalt, noch in der Wahl der Materialien,
ist etwas Gesuchtes. Ein jeder Begriff von Eitelkeit schwächt den Begriff vom
Schäferleben, der hier der herrschende feyn muß. In Reinlichkeit und Ordnung
bestehet der eigentliche Luxus, der bey diesem Theile der Länderey Statt findet. Die
allein stehenden Scheuern sind nicht zu entfernt von den Ställen, und für Feuers-
brünste gesichert. Die Triften sind nahe, und liegen an den Ufern des kleinen
Baches, der sich durch sie schlängelt, und Fruchtbarkeit über das ganze Thal ver-
breitet.

Ein Behältniß für die Milch ist nicht weit davon. Von dichten Bäumen be-
schattet, durch einen nahen kühlen Fluß erfrischt, bietet dasselbe alles dar, was ir-
gend eine ländliche Einrichtung angenehmes hat, und läßt ein wenig mehr Verzierung
zu. Die Reinlichkeit ist daselbst zu unvermeidlich, als daß man es nicht entschuldigen

könnte,
Achter Abſchnitt. Gaͤrtenmaͤßige Verſchoͤnerung

Mitten durch dieſe Hoͤfe erblicke ich außerhalb Fußſteige. Ich ſehe Gras,
Gebuͤſche, Blumen. Dieß reizt mich auf verſchiedenen Wegen fortzugehen, die
ich mit Raſen und Baͤumen eingefaſſet finde. Dieſe Wege leiten mich zu Triften,
die mit Vieh bedeckt ſind; ſie fuͤhren zu Gebaͤuden, die, wie von ungefaͤhr in das
Gebuͤſch geſtellt, meine Neugier reizen, und ſich um den Vortheil, meine Wahl
zu beſtimmen, zu ſtreiten ſcheinen.

Baͤche, die die Triften befruchten, durchkreuzen die Wege, die ſich mir dar-
ſtellen, und kleine kunſtloſe Bruͤcken, deren jede immer eine andere Geſtalt hat, ver-
ſchaffen mir den Uebergang. Bald gehe ich an einer Hecke von bluͤhenden Straͤu-
chen hinunter, die ich an einem ſo laͤndlichen Orte zu finden nicht vermuthete. Bald
ſehe ich mich in einem ſchattigten Gange von Weiden und Pappeln, die durch die
Verſchiedenheit ihrer Geſtalten dem Auge die maleriſche Mannichfaltigkeit darſtellen,
die man niemals vernachlaͤſſigen ſoll. Bald finde ich an dem Wege, den ich gehe,
von einander abſtehende Baͤume, welche Weinſtoͤcken zur Unterſtuͤtzung dienen.
Die Reben, welche ſich durch Huͤlfe der Zweige, um die ſie ſich ſchlingen, ausbrei-
ten, vereinigen und kraͤuſeln ſich, um dem Auge zu ſchmeicheln, und das Verlan-
gen zu beleben, indem ſie die Reichthuͤmer, womit ſie beladen ſind, unter einer ge-
faͤlligen Geſtalt erſcheinen laſſen.

So komme ich bis zu dem Orte, der fuͤr das Milchwerk beſtimmet iſt. Das
Waſſer fließet in die Melkerey, die ſo angebracht iſt, daß große Hitze nicht in ſie
eindringen, und daß dagegen friſche geſunde Luft in ſie eingelaſſen werden kann.
Die Staͤlle ſind mit keiner ihrer eigentlichen Beſtimmung nicht gemaͤßen Koſtbarkeit
aufgefuͤhret; weder in ihrer aͤußerlichen Geftalt, noch in der Wahl der Materialien,
iſt etwas Geſuchtes. Ein jeder Begriff von Eitelkeit ſchwaͤcht den Begriff vom
Schaͤferleben, der hier der herrſchende feyn muß. In Reinlichkeit und Ordnung
beſtehet der eigentliche Luxus, der bey dieſem Theile der Laͤnderey Statt findet. Die
allein ſtehenden Scheuern ſind nicht zu entfernt von den Staͤllen, und fuͤr Feuers-
bruͤnſte geſichert. Die Triften ſind nahe, und liegen an den Ufern des kleinen
Baches, der ſich durch ſie ſchlaͤngelt, und Fruchtbarkeit uͤber das ganze Thal ver-
breitet.

Ein Behaͤltniß fuͤr die Milch iſt nicht weit davon. Von dichten Baͤumen be-
ſchattet, durch einen nahen kuͤhlen Fluß erfriſcht, bietet daſſelbe alles dar, was ir-
gend eine laͤndliche Einrichtung angenehmes hat, und laͤßt ein wenig mehr Verzierung
zu. Die Reinlichkeit iſt daſelbſt zu unvermeidlich, als daß man es nicht entſchuldigen

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[138/0146] Achter Abſchnitt. Gaͤrtenmaͤßige Verſchoͤnerung Mitten durch dieſe Hoͤfe erblicke ich außerhalb Fußſteige. Ich ſehe Gras, Gebuͤſche, Blumen. Dieß reizt mich auf verſchiedenen Wegen fortzugehen, die ich mit Raſen und Baͤumen eingefaſſet finde. Dieſe Wege leiten mich zu Triften, die mit Vieh bedeckt ſind; ſie fuͤhren zu Gebaͤuden, die, wie von ungefaͤhr in das Gebuͤſch geſtellt, meine Neugier reizen, und ſich um den Vortheil, meine Wahl zu beſtimmen, zu ſtreiten ſcheinen. Baͤche, die die Triften befruchten, durchkreuzen die Wege, die ſich mir dar- ſtellen, und kleine kunſtloſe Bruͤcken, deren jede immer eine andere Geſtalt hat, ver- ſchaffen mir den Uebergang. Bald gehe ich an einer Hecke von bluͤhenden Straͤu- chen hinunter, die ich an einem ſo laͤndlichen Orte zu finden nicht vermuthete. Bald ſehe ich mich in einem ſchattigten Gange von Weiden und Pappeln, die durch die Verſchiedenheit ihrer Geſtalten dem Auge die maleriſche Mannichfaltigkeit darſtellen, die man niemals vernachlaͤſſigen ſoll. Bald finde ich an dem Wege, den ich gehe, von einander abſtehende Baͤume, welche Weinſtoͤcken zur Unterſtuͤtzung dienen. Die Reben, welche ſich durch Huͤlfe der Zweige, um die ſie ſich ſchlingen, ausbrei- ten, vereinigen und kraͤuſeln ſich, um dem Auge zu ſchmeicheln, und das Verlan- gen zu beleben, indem ſie die Reichthuͤmer, womit ſie beladen ſind, unter einer ge- faͤlligen Geſtalt erſcheinen laſſen. So komme ich bis zu dem Orte, der fuͤr das Milchwerk beſtimmet iſt. Das Waſſer fließet in die Melkerey, die ſo angebracht iſt, daß große Hitze nicht in ſie eindringen, und daß dagegen friſche geſunde Luft in ſie eingelaſſen werden kann. Die Staͤlle ſind mit keiner ihrer eigentlichen Beſtimmung nicht gemaͤßen Koſtbarkeit aufgefuͤhret; weder in ihrer aͤußerlichen Geftalt, noch in der Wahl der Materialien, iſt etwas Geſuchtes. Ein jeder Begriff von Eitelkeit ſchwaͤcht den Begriff vom Schaͤferleben, der hier der herrſchende feyn muß. In Reinlichkeit und Ordnung beſtehet der eigentliche Luxus, der bey dieſem Theile der Laͤnderey Statt findet. Die allein ſtehenden Scheuern ſind nicht zu entfernt von den Staͤllen, und fuͤr Feuers- bruͤnſte geſichert. Die Triften ſind nahe, und liegen an den Ufern des kleinen Baches, der ſich durch ſie ſchlaͤngelt, und Fruchtbarkeit uͤber das ganze Thal ver- breitet. Ein Behaͤltniß fuͤr die Milch iſt nicht weit davon. Von dichten Baͤumen be- ſchattet, durch einen nahen kuͤhlen Fluß erfriſcht, bietet daſſelbe alles dar, was ir- gend eine laͤndliche Einrichtung angenehmes hat, und laͤßt ein wenig mehr Verzierung zu. Die Reinlichkeit iſt daſelbſt zu unvermeidlich, als daß man es nicht entſchuldigen koͤnnte,

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst5_1785/146>, abgerufen am 28.04.2024.