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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785.

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einzelner Theile eines Landsitzes.

Jetzt, da ich bis an den Fuß des Hügels gekommen bin, werde ich die Ge-
bäude des Meyerhofs gewahr, und die Sorgfalt, davon ich überall Spuren entde-
cke, nimmt mich immer mehr ein. Die äußern Mauern sind mit einer Aufmerk-
samkeit, die mich vergnüget, aufgeführt und unterhalten; die Steine sind mit Zie-
geln vermischt. Diese Verschiedenheit hat Gelegenheit gegeben, eine Art von
Grundmauer zu bilden, und oben einen Kranz anzusetzen. Hierdurch hat man dem
ganzen Baue der Mauer eine Zierde zu geben gewußt, ohne sich von dem Charakter
zu entfernen, der ihr zukömmt. Von dem Haupteingange sind, ohne viele Sym-
metrie, aber in der Figur eines halben Zirkels, große Bäume gesetzt, die einen
Schatten um sich her verbreiten, den die Arbeiter und andere, die auf den Meyer-
hof kommen, oft nöthig haben. Einige Ruhebänke sind für sie angebracht; und im
Schatten fließt ein Springwasser, das von dem Hügel herabgeleitet worden, in ein
steinernes Becken, dessen Gestalt und Verhältnisse bey aller ihrer ländlichen Kunstlo-
sigkeit gefallen. Wer in Italien gereiset ist, miskennt den Reiz nicht, welcher oft
den gemeinsten Gegenständen durch die Einfalt der Massen, und durch die glückliche
Beziehung der Haupttheile auf einander, mitgetheilet wird.

Nicht weit vom Springwasser ist eine bequeme Tränke für die nutzbaren Thiere,
wenn sie bey ihrer Zurückkunft von der Weide, oder von der Arbeit, ihren Durst zu
löschen und sich zu erfrischen nöthig haben.

Nun kommen wir in den Hof, der mit allen erforderlichen Gebäuden einge-
fasset ist. Die verschiedenen Bestimmungen derselben sind über ihren Eingängen an-
gezeigt, so daß ich, mit Hülfe einiger Blicke, mich als einen Bewohner dieses
Aufenthalts betrachten kann, dessen vornehmste Wesen ich auf einmal kennen lerne.

Ordnung und Reinlichkeit herrschen hier, aber ohne einige Bestrebung, die
misfällt, oder beleidigt, wenn sie gezwungen oder übertrieben ist. Hier darf die
Sorgfalt, die man für das Angenehme trägt, dem Nutzbaren nicht nachtheilig seyn.
Es darf kein Gedanke darauf gerichtet werden, die Einkünfte einer Einrichtung, die
sich als vortheilhaft ankündigt, ganz auf das, was nur zur Ausschmückung dient,
zu verwenden; aber man muß auch die Nachläßigkeit und die Unreinlichkeit vermei-
den, die schädlicher sind, als eine zu weit getriebene Sorgfalt, und unangenehme
Ideen von Verlassung und Geiz erwecken.

Verschiedene Ausgänge, die ich im Hofe erblicke, beschäftigen meine Neu-
gier. Hier sind besondere Höfe für die Ackerpferde, für andere dienstbare Thiere,
und für die Aufbewahrung ökonomischer Geräthschaften bestimmt.

Mitten
V Band. S
einzelner Theile eines Landſitzes.

Jetzt, da ich bis an den Fuß des Huͤgels gekommen bin, werde ich die Ge-
baͤude des Meyerhofs gewahr, und die Sorgfalt, davon ich uͤberall Spuren entde-
cke, nimmt mich immer mehr ein. Die aͤußern Mauern ſind mit einer Aufmerk-
ſamkeit, die mich vergnuͤget, aufgefuͤhrt und unterhalten; die Steine ſind mit Zie-
geln vermiſcht. Dieſe Verſchiedenheit hat Gelegenheit gegeben, eine Art von
Grundmauer zu bilden, und oben einen Kranz anzuſetzen. Hierdurch hat man dem
ganzen Baue der Mauer eine Zierde zu geben gewußt, ohne ſich von dem Charakter
zu entfernen, der ihr zukoͤmmt. Von dem Haupteingange ſind, ohne viele Sym-
metrie, aber in der Figur eines halben Zirkels, große Baͤume geſetzt, die einen
Schatten um ſich her verbreiten, den die Arbeiter und andere, die auf den Meyer-
hof kommen, oft noͤthig haben. Einige Ruhebaͤnke ſind fuͤr ſie angebracht; und im
Schatten fließt ein Springwaſſer, das von dem Huͤgel herabgeleitet worden, in ein
ſteinernes Becken, deſſen Geſtalt und Verhaͤltniſſe bey aller ihrer laͤndlichen Kunſtlo-
ſigkeit gefallen. Wer in Italien gereiſet iſt, miskennt den Reiz nicht, welcher oft
den gemeinſten Gegenſtaͤnden durch die Einfalt der Maſſen, und durch die gluͤckliche
Beziehung der Haupttheile auf einander, mitgetheilet wird.

Nicht weit vom Springwaſſer iſt eine bequeme Traͤnke fuͤr die nutzbaren Thiere,
wenn ſie bey ihrer Zuruͤckkunft von der Weide, oder von der Arbeit, ihren Durſt zu
loͤſchen und ſich zu erfriſchen noͤthig haben.

Nun kommen wir in den Hof, der mit allen erforderlichen Gebaͤuden einge-
faſſet iſt. Die verſchiedenen Beſtimmungen derſelben ſind uͤber ihren Eingaͤngen an-
gezeigt, ſo daß ich, mit Huͤlfe einiger Blicke, mich als einen Bewohner dieſes
Aufenthalts betrachten kann, deſſen vornehmſte Weſen ich auf einmal kennen lerne.

Ordnung und Reinlichkeit herrſchen hier, aber ohne einige Beſtrebung, die
misfaͤllt, oder beleidigt, wenn ſie gezwungen oder uͤbertrieben iſt. Hier darf die
Sorgfalt, die man fuͤr das Angenehme traͤgt, dem Nutzbaren nicht nachtheilig ſeyn.
Es darf kein Gedanke darauf gerichtet werden, die Einkuͤnfte einer Einrichtung, die
ſich als vortheilhaft ankuͤndigt, ganz auf das, was nur zur Ausſchmuͤckung dient,
zu verwenden; aber man muß auch die Nachlaͤßigkeit und die Unreinlichkeit vermei-
den, die ſchaͤdlicher ſind, als eine zu weit getriebene Sorgfalt, und unangenehme
Ideen von Verlaſſung und Geiz erwecken.

Verſchiedene Ausgaͤnge, die ich im Hofe erblicke, beſchaͤftigen meine Neu-
gier. Hier ſind beſondere Hoͤfe fuͤr die Ackerpferde, fuͤr andere dienſtbare Thiere,
und fuͤr die Aufbewahrung oͤkonomiſcher Geraͤthſchaften beſtimmt.

Mitten
V Band. S
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[137/0145] einzelner Theile eines Landſitzes. Jetzt, da ich bis an den Fuß des Huͤgels gekommen bin, werde ich die Ge- baͤude des Meyerhofs gewahr, und die Sorgfalt, davon ich uͤberall Spuren entde- cke, nimmt mich immer mehr ein. Die aͤußern Mauern ſind mit einer Aufmerk- ſamkeit, die mich vergnuͤget, aufgefuͤhrt und unterhalten; die Steine ſind mit Zie- geln vermiſcht. Dieſe Verſchiedenheit hat Gelegenheit gegeben, eine Art von Grundmauer zu bilden, und oben einen Kranz anzuſetzen. Hierdurch hat man dem ganzen Baue der Mauer eine Zierde zu geben gewußt, ohne ſich von dem Charakter zu entfernen, der ihr zukoͤmmt. Von dem Haupteingange ſind, ohne viele Sym- metrie, aber in der Figur eines halben Zirkels, große Baͤume geſetzt, die einen Schatten um ſich her verbreiten, den die Arbeiter und andere, die auf den Meyer- hof kommen, oft noͤthig haben. Einige Ruhebaͤnke ſind fuͤr ſie angebracht; und im Schatten fließt ein Springwaſſer, das von dem Huͤgel herabgeleitet worden, in ein ſteinernes Becken, deſſen Geſtalt und Verhaͤltniſſe bey aller ihrer laͤndlichen Kunſtlo- ſigkeit gefallen. Wer in Italien gereiſet iſt, miskennt den Reiz nicht, welcher oft den gemeinſten Gegenſtaͤnden durch die Einfalt der Maſſen, und durch die gluͤckliche Beziehung der Haupttheile auf einander, mitgetheilet wird. Nicht weit vom Springwaſſer iſt eine bequeme Traͤnke fuͤr die nutzbaren Thiere, wenn ſie bey ihrer Zuruͤckkunft von der Weide, oder von der Arbeit, ihren Durſt zu loͤſchen und ſich zu erfriſchen noͤthig haben. Nun kommen wir in den Hof, der mit allen erforderlichen Gebaͤuden einge- faſſet iſt. Die verſchiedenen Beſtimmungen derſelben ſind uͤber ihren Eingaͤngen an- gezeigt, ſo daß ich, mit Huͤlfe einiger Blicke, mich als einen Bewohner dieſes Aufenthalts betrachten kann, deſſen vornehmſte Weſen ich auf einmal kennen lerne. Ordnung und Reinlichkeit herrſchen hier, aber ohne einige Beſtrebung, die misfaͤllt, oder beleidigt, wenn ſie gezwungen oder uͤbertrieben iſt. Hier darf die Sorgfalt, die man fuͤr das Angenehme traͤgt, dem Nutzbaren nicht nachtheilig ſeyn. Es darf kein Gedanke darauf gerichtet werden, die Einkuͤnfte einer Einrichtung, die ſich als vortheilhaft ankuͤndigt, ganz auf das, was nur zur Ausſchmuͤckung dient, zu verwenden; aber man muß auch die Nachlaͤßigkeit und die Unreinlichkeit vermei- den, die ſchaͤdlicher ſind, als eine zu weit getriebene Sorgfalt, und unangenehme Ideen von Verlaſſung und Geiz erwecken. Verſchiedene Ausgaͤnge, die ich im Hofe erblicke, beſchaͤftigen meine Neu- gier. Hier ſind beſondere Hoͤfe fuͤr die Ackerpferde, fuͤr andere dienſtbare Thiere, und fuͤr die Aufbewahrung oͤkonomiſcher Geraͤthſchaften beſtimmt. Mitten V Band. S

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst5_1785/145>, abgerufen am 28.04.2024.