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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 4. Leipzig, 1782.

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Vierter Abschnitt. Gärten
andern Bäumen und Pflanzen von der Art, wachsen so dicht in dem Wintergarten,
daß man sich keinen lebhaftern Schauplatz einbilden kann. Die glühende Röthe der
Beeren, womit sie zu dieser Zeit behangen sind, scheint mit dem Grün ihres Laubes
einen Wettstreit anzustellen. Mancherley Vögel flüchten in diesen kleinen grünen
Fleck, und vergnügen sich unter den Zweigen, wenn der übrige Garten nichts mehr
zu ihrem Schirm hat." Home*) und Chambers**) äußerten ebenfalls die Idee
von einem Wintergarten; und Whately***) setzte einige Regeln der Anlage hinzu.
So weit haben diese Schriftsteller hier zuerst die Bahn gezeigt.

Ein Ort, wo eine Familie das ganze Jahr hindurch wohnt, ist sehr mangel-
haft, wenn nicht ein Theil des Gartens oder der Gegend so eingerichtet ist, daß man
da auch im Winter frische Luft schöpfen, einen schönen Tag frey genießen, und sich
durch einen Spatziergang Bewegung und Ergötzung verschaffen kann. Die Be-
schaffenheit des Klima macht ein solches Bedürfniß noch eindringender. In Frank-
reich
und noch mehr in Italien hat, wie bekannt ist, der Winter lange nicht die Rau-
higkeit, wie in England, Deutschland und den noch mehr nördlichen Ländern.
In den Monaten, die nicht zu der angenehmen Jahrszeit gehören, will man doch
auch nicht immer eingeschlossen seyn, sondern sich eine für die Gesundheit so unent-
behrliche Bewegung im Freyen machen, wenn man nur Bedeckung vor der Witte-
rung hat.

Im Frühling und Sommer blühet die Natur überall. Der Genuß ihrer Rei-
zungen ist so anziehend, daß wir einen Theil davon gern auch in die Monate ausdeh-
nen, die gewöhnlich davon entblößt sind, oder ganz entgegengesetzte Scenen darstellen.
In einem bequemen Wintergarten läßt sich in gelinden und hellen Tagen, die in die
rauhern Monate oft einfallen, ein Theil von den Annehmlichkeiten des Sommers wie-
der genießen. Das Grün hat alsdann einen neuen Reiz für das Auge. Die hei-
tern und warmen Stunden, die uns die Sonne schenkt, sind desto erfreulicher, je flüch-
tiger sie sind. Und eine kleine Gesellschaft von Vögeln, die in den immer grünen
Bäumen umherflattern, oder sich auf den Zweigen in ein vertrauliches Geflüster ver-
einigen, giebt zwar kein vollkommenes Bild des Frühlings, mischt aber doch in den
Ernst der Jahreszeit eine gewisse Heiterkeit.

Die Bestimmung eines Wintergartens ist eingeschränkt. Schutz vor der Wit-
terung und Bequemlichkeit zum Genuß der frischen Luft und zum Spatziergang ist das
Vornehmste, was man hier zu verlangen berechtigt ist. Das Auge sucht zwar auch

Ergö-
*) [Spaltenumbruch] Grundsätze der Kritik.
**) Ueber die orientalische Gartenkunst.
***) [Spaltenumbruch] Betrachtungen über das heutige
Gartenwesen.

Vierter Abſchnitt. Gaͤrten
andern Baͤumen und Pflanzen von der Art, wachſen ſo dicht in dem Wintergarten,
daß man ſich keinen lebhaftern Schauplatz einbilden kann. Die gluͤhende Roͤthe der
Beeren, womit ſie zu dieſer Zeit behangen ſind, ſcheint mit dem Gruͤn ihres Laubes
einen Wettſtreit anzuſtellen. Mancherley Voͤgel fluͤchten in dieſen kleinen gruͤnen
Fleck, und vergnuͤgen ſich unter den Zweigen, wenn der uͤbrige Garten nichts mehr
zu ihrem Schirm hat.“ Home*) und Chambers**) aͤußerten ebenfalls die Idee
von einem Wintergarten; und Whately***) ſetzte einige Regeln der Anlage hinzu.
So weit haben dieſe Schriftſteller hier zuerſt die Bahn gezeigt.

Ein Ort, wo eine Familie das ganze Jahr hindurch wohnt, iſt ſehr mangel-
haft, wenn nicht ein Theil des Gartens oder der Gegend ſo eingerichtet iſt, daß man
da auch im Winter friſche Luft ſchoͤpfen, einen ſchoͤnen Tag frey genießen, und ſich
durch einen Spatziergang Bewegung und Ergoͤtzung verſchaffen kann. Die Be-
ſchaffenheit des Klima macht ein ſolches Beduͤrfniß noch eindringender. In Frank-
reich
und noch mehr in Italien hat, wie bekannt iſt, der Winter lange nicht die Rau-
higkeit, wie in England, Deutſchland und den noch mehr noͤrdlichen Laͤndern.
In den Monaten, die nicht zu der angenehmen Jahrszeit gehoͤren, will man doch
auch nicht immer eingeſchloſſen ſeyn, ſondern ſich eine fuͤr die Geſundheit ſo unent-
behrliche Bewegung im Freyen machen, wenn man nur Bedeckung vor der Witte-
rung hat.

Im Fruͤhling und Sommer bluͤhet die Natur uͤberall. Der Genuß ihrer Rei-
zungen iſt ſo anziehend, daß wir einen Theil davon gern auch in die Monate ausdeh-
nen, die gewoͤhnlich davon entbloͤßt ſind, oder ganz entgegengeſetzte Scenen darſtellen.
In einem bequemen Wintergarten laͤßt ſich in gelinden und hellen Tagen, die in die
rauhern Monate oft einfallen, ein Theil von den Annehmlichkeiten des Sommers wie-
der genießen. Das Gruͤn hat alsdann einen neuen Reiz fuͤr das Auge. Die hei-
tern und warmen Stunden, die uns die Sonne ſchenkt, ſind deſto erfreulicher, je fluͤch-
tiger ſie ſind. Und eine kleine Geſellſchaft von Voͤgeln, die in den immer gruͤnen
Baͤumen umherflattern, oder ſich auf den Zweigen in ein vertrauliches Gefluͤſter ver-
einigen, giebt zwar kein vollkommenes Bild des Fruͤhlings, miſcht aber doch in den
Ernſt der Jahreszeit eine gewiſſe Heiterkeit.

Die Beſtimmung eines Wintergartens iſt eingeſchraͤnkt. Schutz vor der Wit-
terung und Bequemlichkeit zum Genuß der friſchen Luft und zum Spatziergang iſt das
Vornehmſte, was man hier zu verlangen berechtigt iſt. Das Auge ſucht zwar auch

Ergoͤ-
*) [Spaltenumbruch] Grundſaͤtze der Kritik.
**) Ueber die orientaliſche Gartenkunſt.
***) [Spaltenumbruch] Betrachtungen uͤber das heutige
Gartenweſen.
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[168/0172] Vierter Abſchnitt. Gaͤrten andern Baͤumen und Pflanzen von der Art, wachſen ſo dicht in dem Wintergarten, daß man ſich keinen lebhaftern Schauplatz einbilden kann. Die gluͤhende Roͤthe der Beeren, womit ſie zu dieſer Zeit behangen ſind, ſcheint mit dem Gruͤn ihres Laubes einen Wettſtreit anzuſtellen. Mancherley Voͤgel fluͤchten in dieſen kleinen gruͤnen Fleck, und vergnuͤgen ſich unter den Zweigen, wenn der uͤbrige Garten nichts mehr zu ihrem Schirm hat.“ Home *) und Chambers **) aͤußerten ebenfalls die Idee von einem Wintergarten; und Whately ***) ſetzte einige Regeln der Anlage hinzu. So weit haben dieſe Schriftſteller hier zuerſt die Bahn gezeigt. Ein Ort, wo eine Familie das ganze Jahr hindurch wohnt, iſt ſehr mangel- haft, wenn nicht ein Theil des Gartens oder der Gegend ſo eingerichtet iſt, daß man da auch im Winter friſche Luft ſchoͤpfen, einen ſchoͤnen Tag frey genießen, und ſich durch einen Spatziergang Bewegung und Ergoͤtzung verſchaffen kann. Die Be- ſchaffenheit des Klima macht ein ſolches Beduͤrfniß noch eindringender. In Frank- reich und noch mehr in Italien hat, wie bekannt iſt, der Winter lange nicht die Rau- higkeit, wie in England, Deutſchland und den noch mehr noͤrdlichen Laͤndern. In den Monaten, die nicht zu der angenehmen Jahrszeit gehoͤren, will man doch auch nicht immer eingeſchloſſen ſeyn, ſondern ſich eine fuͤr die Geſundheit ſo unent- behrliche Bewegung im Freyen machen, wenn man nur Bedeckung vor der Witte- rung hat. Im Fruͤhling und Sommer bluͤhet die Natur uͤberall. Der Genuß ihrer Rei- zungen iſt ſo anziehend, daß wir einen Theil davon gern auch in die Monate ausdeh- nen, die gewoͤhnlich davon entbloͤßt ſind, oder ganz entgegengeſetzte Scenen darſtellen. In einem bequemen Wintergarten laͤßt ſich in gelinden und hellen Tagen, die in die rauhern Monate oft einfallen, ein Theil von den Annehmlichkeiten des Sommers wie- der genießen. Das Gruͤn hat alsdann einen neuen Reiz fuͤr das Auge. Die hei- tern und warmen Stunden, die uns die Sonne ſchenkt, ſind deſto erfreulicher, je fluͤch- tiger ſie ſind. Und eine kleine Geſellſchaft von Voͤgeln, die in den immer gruͤnen Baͤumen umherflattern, oder ſich auf den Zweigen in ein vertrauliches Gefluͤſter ver- einigen, giebt zwar kein vollkommenes Bild des Fruͤhlings, miſcht aber doch in den Ernſt der Jahreszeit eine gewiſſe Heiterkeit. Die Beſtimmung eines Wintergartens iſt eingeſchraͤnkt. Schutz vor der Wit- terung und Bequemlichkeit zum Genuß der friſchen Luft und zum Spatziergang iſt das Vornehmſte, was man hier zu verlangen berechtigt iſt. Das Auge ſucht zwar auch Ergoͤ- *) Grundſaͤtze der Kritik. **) Ueber die orientaliſche Gartenkunſt. ***) Betrachtungen uͤber das heutige Gartenweſen.

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 4. Leipzig, 1782, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst4_1782/172>, abgerufen am 21.11.2024.