Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 4. Leipzig, 1782.nach dem Unterschied der Jahreszeiten. von wunderbaren Verwandlungen und Zufälligkeiten, die nicht unterlassen zu ergötzen.Welches Wunder ist nicht die Schöpfung des Eises! Wo die tiefe Fluth wallete, da spielt jetzt unbesorgt die Jugend des Dorfs, und das Roß stampft trotzig auf der ge- zähmten Welle. Der Wasserfall strebt vergebens zu rauschen, und Tropfen starren an Tropfen, indem sie fortfließen wollen. Die von der Felsenwand sich herabgießenden Waldströme versteinern sich in lange weiße Säulen, die kein Sturm bewegt. Die Fenster unsrer Häuser sind vom nächtlichen Frost mit Blumen und kleinen Landschaf- ten bemalt, durch welche lieblich die reine Morgenröthe spielt. Und welches Gefühl von Gesundheit, von Stärke und Lebhaftigkeit erfrischt die ganze Natur des Menschen! Welche muntre Gesellschaften von Eisläufern und Schlittenfahrenden beleben die ge- frornen Seen und Flüsse, und bilden Winterscenen, die der Maler oft seiner Nach- bildung nicht unwerth finden konnte! Aber welche prächtige über alle Nachbildung der Kunst erhabene Schauspiele stellt in den Winterabenden unsrer Gegenden noch das Nordlicht dar!*) 3. So leicht bey dem Anblick der mancherley Nadelhölzer der Gedanke, einen andern *) [Spaltenumbruch]
Diese und andre Winterscenen schil- derte ich einst unter Betrachtungen, die sie veranlassen, in einer kleinen Schrift: Der Winter, eine moralische [Spaltenumbruch] Betrachtung. Neue Auflage. 8. Leipzig 1775. **) Sermones fideles, ethici, politici. ***) Im 477sten St. des Zuschauers.
nach dem Unterſchied der Jahreszeiten. von wunderbaren Verwandlungen und Zufaͤlligkeiten, die nicht unterlaſſen zu ergoͤtzen.Welches Wunder iſt nicht die Schoͤpfung des Eiſes! Wo die tiefe Fluth wallete, da ſpielt jetzt unbeſorgt die Jugend des Dorfs, und das Roß ſtampft trotzig auf der ge- zaͤhmten Welle. Der Waſſerfall ſtrebt vergebens zu rauſchen, und Tropfen ſtarren an Tropfen, indem ſie fortfließen wollen. Die von der Felſenwand ſich herabgießenden Waldſtroͤme verſteinern ſich in lange weiße Saͤulen, die kein Sturm bewegt. Die Fenſter unſrer Haͤuſer ſind vom naͤchtlichen Froſt mit Blumen und kleinen Landſchaf- ten bemalt, durch welche lieblich die reine Morgenroͤthe ſpielt. Und welches Gefuͤhl von Geſundheit, von Staͤrke und Lebhaftigkeit erfriſcht die ganze Natur des Menſchen! Welche muntre Geſellſchaften von Eislaͤufern und Schlittenfahrenden beleben die ge- frornen Seen und Fluͤſſe, und bilden Winterſcenen, die der Maler oft ſeiner Nach- bildung nicht unwerth finden konnte! Aber welche praͤchtige uͤber alle Nachbildung der Kunſt erhabene Schauſpiele ſtellt in den Winterabenden unſrer Gegenden noch das Nordlicht dar!*) 3. So leicht bey dem Anblick der mancherley Nadelhoͤlzer der Gedanke, einen andern *) [Spaltenumbruch]
Dieſe und andre Winterſcenen ſchil- derte ich einſt unter Betrachtungen, die ſie veranlaſſen, in einer kleinen Schrift: Der Winter, eine moraliſche [Spaltenumbruch] Betrachtung. Neue Auflage. 8. Leipzig 1775. **) Sermones fideles, ethici, politici. ***) Im 477ſten St. des Zuſchauers.
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nach dem Unterſchied der Jahreszeiten.
von wunderbaren Verwandlungen und Zufaͤlligkeiten, die nicht unterlaſſen zu ergoͤtzen.
Welches Wunder iſt nicht die Schoͤpfung des Eiſes! Wo die tiefe Fluth wallete, da
ſpielt jetzt unbeſorgt die Jugend des Dorfs, und das Roß ſtampft trotzig auf der ge-
zaͤhmten Welle. Der Waſſerfall ſtrebt vergebens zu rauſchen, und Tropfen ſtarren
an Tropfen, indem ſie fortfließen wollen. Die von der Felſenwand ſich herabgießenden
Waldſtroͤme verſteinern ſich in lange weiße Saͤulen, die kein Sturm bewegt. Die
Fenſter unſrer Haͤuſer ſind vom naͤchtlichen Froſt mit Blumen und kleinen Landſchaf-
ten bemalt, durch welche lieblich die reine Morgenroͤthe ſpielt. Und welches Gefuͤhl
von Geſundheit, von Staͤrke und Lebhaftigkeit erfriſcht die ganze Natur des Menſchen!
Welche muntre Geſellſchaften von Eislaͤufern und Schlittenfahrenden beleben die ge-
frornen Seen und Fluͤſſe, und bilden Winterſcenen, die der Maler oft ſeiner Nach-
bildung nicht unwerth finden konnte! Aber welche praͤchtige uͤber alle Nachbildung der
Kunſt erhabene Schauſpiele ſtellt in den Winterabenden unſrer Gegenden noch das
Nordlicht dar! *)
3.
So leicht bey dem Anblick der mancherley Nadelhoͤlzer der Gedanke, einen
Wintergarten zu pflanzen, entſpringen muß; ſo wenig ſcheint man doch noch auf die
Ausfuͤhrung bedacht geweſen zu ſeyn. Einige brittiſche Schriftſteller haben dieſen
Gedanken, der ſich von ſelbſt ſo natuͤrlich erhebt, durch eine naͤhere Anleitung zu un-
ter ſtuͤtzen angefangen. Baco **) ſcheint der erſte zu ſeyn, der einen beſondern fuͤr
die Wintermonate beſtimmten Garten angegeben. Fuͤr den Ausgang des Novem-
bers, ſagt er, fuͤr den December und den Januar muß man die Gewaͤchſe waͤhlen,
die den ganzen Winter hindurch gruͤn ſind. Dergleichen ſind die Stechpalme, der
Epheu, der Lorbeerbaum, der Wacholderbaum, die Cypreſſe, der Eibenbaum, der
Buxbaum, die Fichte, die Tanne, Rosmarin, Lavendel, Sinngruͤn; Pomeranzen-
Limonien- und Myrtenbaͤume, wenn ſie in den Gewaͤchshaͤuſern aufbewahrt werden;
und Majoran, der an der Mauer und der Sonne entgegen ſtehen muß, u. ſ. w.
Man ſieht, daß dieſer Vorſchlag freylich noch wenig beſtimmt war. Addiſon ***)
bildete die Idee etwas weiter aus. „Die Waͤnde,“ ſagt er, „ſind mit Epheu an-
ſtatt der Weinreben bedeckt. Der Lorbeerbaum und die Stechpalme, nebſt vielen
andern
*)
Dieſe und andre Winterſcenen ſchil-
derte ich einſt unter Betrachtungen,
die ſie veranlaſſen, in einer kleinen
Schrift: Der Winter, eine moraliſche
Betrachtung. Neue Auflage. 8. Leipzig
1775.
**) Sermones fideles, ethici, politici.
***) Im 477ſten St. des Zuſchauers.
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