Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 3. Leipzig, 1780.Dritter Abschnitt. Von Tempeln, Grotten, 2. Eine Einsiedeley läßt uns nicht allein die Wirkungen des melancholischen Re- 3. Die *) S. 1sten B. S. 211-213.
Dritter Abſchnitt. Von Tempeln, Grotten, 2. Eine Einſiedeley laͤßt uns nicht allein die Wirkungen des melancholiſchen Re- 3. Die *) S. 1ſten B. S. 211-213.
<TEI> <text> <body> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0102" n="98"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Dritter Abſchnitt. Von Tempeln, Grotten,</hi> </fw><lb/> <div n="4"> <head>2.</head><lb/> <p>Eine Einſiedeley laͤßt uns nicht allein die Wirkungen des melancholiſchen Re-<lb/> viers, <note place="foot" n="*)">S. 1ſten B. S. 211-213.</note> worinn ſie liegt, beſſer empfinden, ſondern unterhaͤlt uns zugleich mit der<lb/> Erinnerung jener Zeiten, wo die fromme Einfalt die Welt verließ, um den Himmel<lb/> in der Wuͤſte zu finden. Es iſt wahr, dieſe Erinnerung wird durch die Vorſtellung<lb/> von Irrthum und Schwaͤrmerey getruͤbt; aber wo iſt das Zeitalter, das nicht irrte<lb/> oder ſchwaͤrmte? Unter allen Wendungen, die das Kloſterweſen genommen, iſt viel-<lb/> leicht keine, die ſo wenig ſchaͤdlicher Misbrauch war, als das Fliehen in einſame und<lb/> oͤde Gegenden. Hier ward das Leben der Moͤnche doch nuͤtzlich, indem ſie das Land<lb/> baueten, und ſo viele Einoͤden fruchtbar und geſund machten. Die Wuͤſte ertoͤnte<lb/> nicht blos von ihren Gebeten, ſondern auch von der Axt in ihren Haͤnden; der be-<lb/> nachbarte Landmann holte bey ihnen nicht blos einen Segen, ſondern auch Anweiſung<lb/> fuͤr ſeinen Beruf. Ein Leben, das ſich alle Freuden der Welt, alle Bequemlichkei-<lb/> ten der Geſellſchaft verſagte, das zwiſchen Arbeit, Bußuͤbungen und Betrachtungen<lb/> getheilt war, ſahe nur der Himmel, der es belohnen ſollte. In einer gluͤcklichen Ein-<lb/> foͤrmigkeit, ohne Beduͤrfniß und ohne Leidenſchaft, walleten die kurzen Tage der Pruͤ-<lb/> fung dahin; der Abend beleuchtete eben die ruhige Stirne des Einſiedlers, wie ſie die<lb/> Morgenroͤthe geweckt hatte: denn ſein Gott wohnte bey ihm in der Zelle. Er hatte<lb/> alle Anſpruͤche an dieſer Welt fuͤr die Hoffnungen in jener vertauſcht; ihm nur ſchweb-<lb/> te immer ſein Geiſt mit dem Frieden der Zuverſicht entgegen. Wenn ſein Abend<lb/> herandaͤmmerte, ſo horchte er voll ſtiller Erwartung auf die Stimmen der Engel, die<lb/> ihn zu ſich riefen; das Crucifix in der Hand, gieng er mit feyerlicher Heiterkeit von<lb/> hier, und hinterließ einem betenden Bruder ſeine Zelle und das Andenken ſeiner<lb/> Froͤmmigkeit. — Dieſe Erinnerung erwacht bey dem Anblick der Einſiedeleyen wie-<lb/> der; und ſie hat eine Kraft zu Ruͤhrungen, die ein Herz, das nicht allein fuͤr die<lb/> Welt empfindet, gerne bey ſich unterhaͤlt. Ich weiß nicht, warum wir nicht ſolche<lb/> Bilder wieder erneuern ſollen, die Veranlaſſung zu ſanften und der menſchlichen<lb/> Wuͤrde ſo angemeſſenen Empfindungen ſind. Es iſt ſchon eine Aeußerung von Tu-<lb/> gend, wenn uns die Denkmaͤler der Tugend erwaͤrmen; und man naͤhert ſich ſchon<lb/> um einige Schritte der Froͤmmigkeit, wenn man den Ort ehrwuͤrdig findet, wo ein<lb/> frommer Mann in der Anbetung liegt.</p><lb/> <fw place="bottom" type="catch">3. Die</fw><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [98/0102]
Dritter Abſchnitt. Von Tempeln, Grotten,
2.
Eine Einſiedeley laͤßt uns nicht allein die Wirkungen des melancholiſchen Re-
viers, *) worinn ſie liegt, beſſer empfinden, ſondern unterhaͤlt uns zugleich mit der
Erinnerung jener Zeiten, wo die fromme Einfalt die Welt verließ, um den Himmel
in der Wuͤſte zu finden. Es iſt wahr, dieſe Erinnerung wird durch die Vorſtellung
von Irrthum und Schwaͤrmerey getruͤbt; aber wo iſt das Zeitalter, das nicht irrte
oder ſchwaͤrmte? Unter allen Wendungen, die das Kloſterweſen genommen, iſt viel-
leicht keine, die ſo wenig ſchaͤdlicher Misbrauch war, als das Fliehen in einſame und
oͤde Gegenden. Hier ward das Leben der Moͤnche doch nuͤtzlich, indem ſie das Land
baueten, und ſo viele Einoͤden fruchtbar und geſund machten. Die Wuͤſte ertoͤnte
nicht blos von ihren Gebeten, ſondern auch von der Axt in ihren Haͤnden; der be-
nachbarte Landmann holte bey ihnen nicht blos einen Segen, ſondern auch Anweiſung
fuͤr ſeinen Beruf. Ein Leben, das ſich alle Freuden der Welt, alle Bequemlichkei-
ten der Geſellſchaft verſagte, das zwiſchen Arbeit, Bußuͤbungen und Betrachtungen
getheilt war, ſahe nur der Himmel, der es belohnen ſollte. In einer gluͤcklichen Ein-
foͤrmigkeit, ohne Beduͤrfniß und ohne Leidenſchaft, walleten die kurzen Tage der Pruͤ-
fung dahin; der Abend beleuchtete eben die ruhige Stirne des Einſiedlers, wie ſie die
Morgenroͤthe geweckt hatte: denn ſein Gott wohnte bey ihm in der Zelle. Er hatte
alle Anſpruͤche an dieſer Welt fuͤr die Hoffnungen in jener vertauſcht; ihm nur ſchweb-
te immer ſein Geiſt mit dem Frieden der Zuverſicht entgegen. Wenn ſein Abend
herandaͤmmerte, ſo horchte er voll ſtiller Erwartung auf die Stimmen der Engel, die
ihn zu ſich riefen; das Crucifix in der Hand, gieng er mit feyerlicher Heiterkeit von
hier, und hinterließ einem betenden Bruder ſeine Zelle und das Andenken ſeiner
Froͤmmigkeit. — Dieſe Erinnerung erwacht bey dem Anblick der Einſiedeleyen wie-
der; und ſie hat eine Kraft zu Ruͤhrungen, die ein Herz, das nicht allein fuͤr die
Welt empfindet, gerne bey ſich unterhaͤlt. Ich weiß nicht, warum wir nicht ſolche
Bilder wieder erneuern ſollen, die Veranlaſſung zu ſanften und der menſchlichen
Wuͤrde ſo angemeſſenen Empfindungen ſind. Es iſt ſchon eine Aeußerung von Tu-
gend, wenn uns die Denkmaͤler der Tugend erwaͤrmen; und man naͤhert ſich ſchon
um einige Schritte der Froͤmmigkeit, wenn man den Ort ehrwuͤrdig findet, wo ein
frommer Mann in der Anbetung liegt.
3. Die
*) S. 1ſten B. S. 211-213.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |