Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 3. Leipzig, 1780.Einsiedeleyen, Capellen und Ruinen. Felsen, in Wildnissen einheimisch. Allein die Grotte kann zuweilen eine sehr natür-liche Lage am Wasser haben; die Einsiedeley scheint mehr für Waldung und öde Wild- niß in Bergen zu gehören. Die Grotte ist eine Nachahmung der Höhlen, wie sie die Natur bildet; die Einsiedeley ist eine Hütte, ein einfältiges Haus, von der Hand des Menschen gebauet, oder wenn sie zuweilen in Felsen liegt, so ist dieser doch zu einem sich der Regelmäßigkeit nähernden Zimmer bearbeitet, welches die Grotte nicht seyn kann, ohne in das Unnatürliche überzugehen. Ein Werk, von Holz erbauet und mit Schiefer gedeckt, würde eine sehr unnatürliche Erscheinung für eine Grotte seyn, aber nicht für die Einsiedeley. Beyde trennen sich in Absicht auf die Bauart und die Ma- terialien; aber sie kommen beyde in der Einfalt wieder zusammen. Die Grotte läßt in der Vorstellung den Aufenthalt mehrerer Bewohner zu; die Einsiedeley ist auf einen Einzelnen eingeschränkt, indem mit zwo Personen schon die Geselligkeit anfängt. Aus diesem Grunde können mehrere Grotten dicht neben einander liegen, ohne unnatürlich oder unschicklich zu werden; eine Vereinigung mehrerer Einsiedeleyen aber, die sich an einander drängten, würde ihren Eindruck durch die Vorstellung der Geselligkeit schwächen. Endlich ist die Grotte, wie schon bemerkt ist, ein Eigenthum des Ro- mantischen; die Einsiedeley gehört für die einsame und sanft melancholische Gegend, der sie ungemein angemessen ist. [Abbildung]
2. Eine III Band. N
Einſiedeleyen, Capellen und Ruinen. Felſen, in Wildniſſen einheimiſch. Allein die Grotte kann zuweilen eine ſehr natuͤr-liche Lage am Waſſer haben; die Einſiedeley ſcheint mehr fuͤr Waldung und oͤde Wild- niß in Bergen zu gehoͤren. Die Grotte iſt eine Nachahmung der Hoͤhlen, wie ſie die Natur bildet; die Einſiedeley iſt eine Huͤtte, ein einfaͤltiges Haus, von der Hand des Menſchen gebauet, oder wenn ſie zuweilen in Felſen liegt, ſo iſt dieſer doch zu einem ſich der Regelmaͤßigkeit naͤhernden Zimmer bearbeitet, welches die Grotte nicht ſeyn kann, ohne in das Unnatuͤrliche uͤberzugehen. Ein Werk, von Holz erbauet und mit Schiefer gedeckt, wuͤrde eine ſehr unnatuͤrliche Erſcheinung fuͤr eine Grotte ſeyn, aber nicht fuͤr die Einſiedeley. Beyde trennen ſich in Abſicht auf die Bauart und die Ma- terialien; aber ſie kommen beyde in der Einfalt wieder zuſammen. Die Grotte laͤßt in der Vorſtellung den Aufenthalt mehrerer Bewohner zu; die Einſiedeley iſt auf einen Einzelnen eingeſchraͤnkt, indem mit zwo Perſonen ſchon die Geſelligkeit anfaͤngt. Aus dieſem Grunde koͤnnen mehrere Grotten dicht neben einander liegen, ohne unnatuͤrlich oder unſchicklich zu werden; eine Vereinigung mehrerer Einſiedeleyen aber, die ſich an einander draͤngten, wuͤrde ihren Eindruck durch die Vorſtellung der Geſelligkeit ſchwaͤchen. Endlich iſt die Grotte, wie ſchon bemerkt iſt, ein Eigenthum des Ro- mantiſchen; die Einſiedeley gehoͤrt fuͤr die einſame und ſanft melancholiſche Gegend, der ſie ungemein angemeſſen iſt. [Abbildung]
2. Eine III Band. N
<TEI> <text> <body> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0101" n="97"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Einſiedeleyen, Capellen und Ruinen.</hi></fw><lb/> Felſen, in Wildniſſen einheimiſch. Allein die Grotte kann zuweilen eine ſehr natuͤr-<lb/> liche Lage am Waſſer haben; die Einſiedeley ſcheint mehr fuͤr Waldung und oͤde Wild-<lb/> niß in Bergen zu gehoͤren. Die Grotte iſt eine Nachahmung der Hoͤhlen, wie ſie die<lb/> Natur bildet; die Einſiedeley iſt eine Huͤtte, ein einfaͤltiges Haus, von der Hand des<lb/> Menſchen gebauet, oder wenn ſie zuweilen in Felſen liegt, ſo iſt dieſer doch zu einem<lb/> ſich der Regelmaͤßigkeit naͤhernden Zimmer bearbeitet, welches die Grotte nicht ſeyn<lb/> kann, ohne in das Unnatuͤrliche uͤberzugehen. Ein Werk, von Holz erbauet und mit<lb/> Schiefer gedeckt, wuͤrde eine ſehr unnatuͤrliche Erſcheinung fuͤr eine Grotte ſeyn, aber<lb/> nicht fuͤr die Einſiedeley. Beyde trennen ſich in Abſicht auf die Bauart und die Ma-<lb/> terialien; aber ſie kommen beyde in der Einfalt wieder zuſammen. Die Grotte laͤßt<lb/> in der Vorſtellung den Aufenthalt mehrerer Bewohner zu; die Einſiedeley iſt auf einen<lb/> Einzelnen eingeſchraͤnkt, indem mit zwo Perſonen ſchon die Geſelligkeit anfaͤngt. Aus<lb/> dieſem Grunde koͤnnen mehrere Grotten dicht neben einander liegen, ohne unnatuͤrlich<lb/> oder unſchicklich zu werden; eine Vereinigung mehrerer Einſiedeleyen aber, die ſich<lb/> an einander draͤngten, wuͤrde ihren Eindruck durch die Vorſtellung der Geſelligkeit<lb/> ſchwaͤchen. Endlich iſt die Grotte, wie ſchon bemerkt iſt, ein Eigenthum des Ro-<lb/> mantiſchen; die Einſiedeley gehoͤrt fuͤr die einſame und ſanft melancholiſche Gegend,<lb/> der ſie ungemein angemeſſen iſt.</p><lb/> <figure/><lb/> </div> <fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#aq">III</hi><hi rendition="#fr">Band.</hi> N</fw> <fw place="bottom" type="catch">2. Eine</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [97/0101]
Einſiedeleyen, Capellen und Ruinen.
Felſen, in Wildniſſen einheimiſch. Allein die Grotte kann zuweilen eine ſehr natuͤr-
liche Lage am Waſſer haben; die Einſiedeley ſcheint mehr fuͤr Waldung und oͤde Wild-
niß in Bergen zu gehoͤren. Die Grotte iſt eine Nachahmung der Hoͤhlen, wie ſie die
Natur bildet; die Einſiedeley iſt eine Huͤtte, ein einfaͤltiges Haus, von der Hand des
Menſchen gebauet, oder wenn ſie zuweilen in Felſen liegt, ſo iſt dieſer doch zu einem
ſich der Regelmaͤßigkeit naͤhernden Zimmer bearbeitet, welches die Grotte nicht ſeyn
kann, ohne in das Unnatuͤrliche uͤberzugehen. Ein Werk, von Holz erbauet und mit
Schiefer gedeckt, wuͤrde eine ſehr unnatuͤrliche Erſcheinung fuͤr eine Grotte ſeyn, aber
nicht fuͤr die Einſiedeley. Beyde trennen ſich in Abſicht auf die Bauart und die Ma-
terialien; aber ſie kommen beyde in der Einfalt wieder zuſammen. Die Grotte laͤßt
in der Vorſtellung den Aufenthalt mehrerer Bewohner zu; die Einſiedeley iſt auf einen
Einzelnen eingeſchraͤnkt, indem mit zwo Perſonen ſchon die Geſelligkeit anfaͤngt. Aus
dieſem Grunde koͤnnen mehrere Grotten dicht neben einander liegen, ohne unnatuͤrlich
oder unſchicklich zu werden; eine Vereinigung mehrerer Einſiedeleyen aber, die ſich
an einander draͤngten, wuͤrde ihren Eindruck durch die Vorſtellung der Geſelligkeit
ſchwaͤchen. Endlich iſt die Grotte, wie ſchon bemerkt iſt, ein Eigenthum des Ro-
mantiſchen; die Einſiedeley gehoͤrt fuͤr die einſame und ſanft melancholiſche Gegend,
der ſie ungemein angemeſſen iſt.
[Abbildung]
2. Eine
III Band. N
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |