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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 2. Leipzig, 1780.

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Beschreibungen von Gärten.
nämlich der Dorothea Grey, zwölf arme Mädchen erzogen und unterhalten wer-
den. Sie hat dies Haus nicht nur erbauet, sondern auch ein hinlängliches Capi-
tal dazu vermacht. Ein edler Beweis ihres würdigen und gutthätigen Charakters,
wodurch sie sich bey der späten Nachwelt im Andenken erhalten wird.

Der Grund, welcher am Fuße der Rotunde anfängt, hat etwas Romanti-
sches. Eine große Wildbahn sinkt auf einmal in ein tiefes enges Thal hinab, und
ist mit Waldung eingefaßt, die auf den verschiedenen Abhängen steht. Dies macht
eine sehr sanfte Scene, worauf das Auge ausruhen kann. Sie werden bedau-
ren, daß der gegenüberliegende hohe Wald, um einer Durchsicht willen, nach der
Kirche zu Kinfare durchgehauen ist. So groß dieser Prospect an andern Orten
scheinen möchte, so ist er doch hier gleichgültig. Man hat, meiner Einsicht nach,
eine große Schönheit verloren, um eine weit geringere zu erhalten.

Man hat die Durchsicht zwar wieder zugepflanzt; aber ich fürchte, der Wald
wird seine ehemalige Gestalt nicht so bald wieder erreichen. Vermöge einer richtigen
Erfahrung gedeihen junge Bäume selten unter den alten. Geschähe es aber auch, so
bleibt doch der Uebelstand noch viele Jahre sichtbar. Zum Glücke ist die Durch-
sicht nur schmal; die jungen Bäume mögen also wachsen oder nicht, so werden doch
die Zweige der alten mit der Zeit zusammenwachsen, und die Oeffnung wird sich
verlieren.

Um die Rotunde waren die Haselsträuche und das Gebüsche nicht so sehr dick
als vorher, es bekam aber, bald nachdem ich sie verließ, die vorige Beschaffenheit
wieder, und der Gang war so dunkel und einsam, wie vorher; das angenehme
Singen der Vögel macht aber, daß man sich keine angenehmere Scene wünscht.

Ich gieng einen andern Hügel hinab, und gelangte, mitten im Schatten
und dem begleitenden Gesange der Vögel, zu der Halle. Dies Gebäude schickt
sich sehr wohl für seinen Platz: denn es steht am Rande eines Waldes, der sich
über die hinterwärts liegenden Hügel verbreitet, und indem er sich zu beyden Seiten
hinunter zieht, eine Wildbahn formirt, die auf eine lange Strecke von einem frey-
stehenden Hain eingeschlossen wird, über den man eine sehr angenehme Aussicht in
die Landschaft hat, und bey heiterm Himmel am Horizont den Thurm von Sedgley
und Lords Dudleys Sitz und Park sehen kann, welche viel zu einem angeneh-
men abwechselnden Prospect beytragen. Vorzüglich wird der Vorgrund Ihre Auf-
merksamkeit auf sich ziehen. Ich glaube nicht, daß Envil etwas schöneres auf-
weisen kann, und daß sich Holzung und Wildbahn glücklicher verbinden lassen, um
sich wechselsweise ein gefälliges Ansehen zu geben.

Von
Z 2

Beſchreibungen von Gaͤrten.
naͤmlich der Dorothea Grey, zwoͤlf arme Maͤdchen erzogen und unterhalten wer-
den. Sie hat dies Haus nicht nur erbauet, ſondern auch ein hinlaͤngliches Capi-
tal dazu vermacht. Ein edler Beweis ihres wuͤrdigen und gutthaͤtigen Charakters,
wodurch ſie ſich bey der ſpaͤten Nachwelt im Andenken erhalten wird.

Der Grund, welcher am Fuße der Rotunde anfaͤngt, hat etwas Romanti-
ſches. Eine große Wildbahn ſinkt auf einmal in ein tiefes enges Thal hinab, und
iſt mit Waldung eingefaßt, die auf den verſchiedenen Abhaͤngen ſteht. Dies macht
eine ſehr ſanfte Scene, worauf das Auge ausruhen kann. Sie werden bedau-
ren, daß der gegenuͤberliegende hohe Wald, um einer Durchſicht willen, nach der
Kirche zu Kinfare durchgehauen iſt. So groß dieſer Proſpect an andern Orten
ſcheinen moͤchte, ſo iſt er doch hier gleichguͤltig. Man hat, meiner Einſicht nach,
eine große Schoͤnheit verloren, um eine weit geringere zu erhalten.

Man hat die Durchſicht zwar wieder zugepflanzt; aber ich fuͤrchte, der Wald
wird ſeine ehemalige Geſtalt nicht ſo bald wieder erreichen. Vermoͤge einer richtigen
Erfahrung gedeihen junge Baͤume ſelten unter den alten. Geſchaͤhe es aber auch, ſo
bleibt doch der Uebelſtand noch viele Jahre ſichtbar. Zum Gluͤcke iſt die Durch-
ſicht nur ſchmal; die jungen Baͤume moͤgen alſo wachſen oder nicht, ſo werden doch
die Zweige der alten mit der Zeit zuſammenwachſen, und die Oeffnung wird ſich
verlieren.

Um die Rotunde waren die Haſelſtraͤuche und das Gebuͤſche nicht ſo ſehr dick
als vorher, es bekam aber, bald nachdem ich ſie verließ, die vorige Beſchaffenheit
wieder, und der Gang war ſo dunkel und einſam, wie vorher; das angenehme
Singen der Voͤgel macht aber, daß man ſich keine angenehmere Scene wuͤnſcht.

Ich gieng einen andern Huͤgel hinab, und gelangte, mitten im Schatten
und dem begleitenden Geſange der Voͤgel, zu der Halle. Dies Gebaͤude ſchickt
ſich ſehr wohl fuͤr ſeinen Platz: denn es ſteht am Rande eines Waldes, der ſich
uͤber die hinterwaͤrts liegenden Huͤgel verbreitet, und indem er ſich zu beyden Seiten
hinunter zieht, eine Wildbahn formirt, die auf eine lange Strecke von einem frey-
ſtehenden Hain eingeſchloſſen wird, uͤber den man eine ſehr angenehme Ausſicht in
die Landſchaft hat, und bey heiterm Himmel am Horizont den Thurm von Sedgley
und Lords Dudleys Sitz und Park ſehen kann, welche viel zu einem angeneh-
men abwechſelnden Proſpect beytragen. Vorzuͤglich wird der Vorgrund Ihre Auf-
merkſamkeit auf ſich ziehen. Ich glaube nicht, daß Envil etwas ſchoͤneres auf-
weiſen kann, und daß ſich Holzung und Wildbahn gluͤcklicher verbinden laſſen, um
ſich wechſelsweiſe ein gefaͤlliges Anſehen zu geben.

Von
Z 2
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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 2. Leipzig, 1780, S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst2_1780/173>, abgerufen am 24.11.2024.