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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 2. Leipzig, 1780.

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Anhang.

Von dieser Hirtenscene führte man mich auf einem mit vielen Krümmungen
versehenen Wege wieder mitten in den Wald, wo ich an einem finstern einsamen
Platze eine Urne ganz allein auf einem weichen Rasen stehen sah. Ich betrach-
tete sie mit vielem Vergnügen. Eine wohlangebrachte Urne ist ein Gegenstand,
der dem Auge sehr gefällt; an einem unschicklichen Orte ist es aber auch etwas sehr
Unangenehmes.

Bey der Fortsetzung des Weges stutzte ich, daß solcher auf einmal anfieng
ein Rasenweg zu werden, anstatt daß er bisher von Kies gemacht war. Dies
läßt sich auf keinerley Weise rechtfertigen. Hätte der Kies bey einem Gebäude
aufgehört, so wäre es doch noch einigermaßen schicklich gewesen. Aber auf diese
Weise mit einmal abzubrechen, ohne daß man einsieht, warum, das ist ein son-
derbarer Einfall des Gartenkünstlers, wovon ich bisher noch nichts gewußt habe.

Indem ich auf diesem Rasenwege fortgieng, kam ich auf einmal an einen
außerordentlichen steilen Abhang, weswegen der Weg abwärts zur Vermeidung
der Gefahr hin und her geführt war. Nachdem ich eine Zeit lang auf den schat-
tigen Krümmungen gegangen, und mich nach Abwechselung gesehnt hatte, stieß
ich unvermuthet auf die Hütte. Man mag auf das Wort selbst, oder auf die
Simplicität, die gemeiniglich bey den Wohnungen der Dürftigkeit herrscht, oder
auf die Beschreibungen der Dichter sehen, vermöge deren die wahre Glückselig-
keit blos in einem einsamen Landleben zu finden ist, das thut hier nichts zur
Sache; genug eine Hütte ist in einer weitgausgedehnten Gegend, wie diese, al-
lemal ein Gegenstand, der Vergnügen und angenehme Begriffe in der Seele erregt,
und man wird, so viel ich urtheilen kann, nicht leicht eine finden, die in Anse-
hung ihrer Lage mehr Beyfall verdient. Sie ist mit den schönsten waldigten
Hügeln und Thälern umgeben; sie liegt ganz einsam, und doch äußerst ange-
nehm. Glauben Sie mir, dies stroherne Häuschen, die vor ihm liegende kleine
abhängige Wildbahn, die hohen Bäume, womit der Platz vor demselben umge-
ben ist, und die ein vollkommnes Dach über dasselbe formiren, reizen das Auge
eines Mannes von Geschmack mehr, als der prächtigste Tempel, daran alle Kunst
verschwendet ist.

Was halten Sie aber von der hier befindlichen Menagerie ausländischer
Vögel? Es ist zwar wahr, daß man das bunte Gefieder und die verschie-
denen Arten von Geschöpfen, die aus fernen Ländern hieher gebracht sind, mit
Vergnügen ansieht; allein es bleibt doch allemal sonderbar, und scheint noch sehr
ungewiß, ob es schicklich sey, daß in einer Hütte eine so kostbare Sache, als
eine Menagerie, angelegt worden. Sie werden es vielleicht dadurch entschuldi-

gen,
Anhang.

Von dieſer Hirtenſcene fuͤhrte man mich auf einem mit vielen Kruͤmmungen
verſehenen Wege wieder mitten in den Wald, wo ich an einem finſtern einſamen
Platze eine Urne ganz allein auf einem weichen Raſen ſtehen ſah. Ich betrach-
tete ſie mit vielem Vergnuͤgen. Eine wohlangebrachte Urne iſt ein Gegenſtand,
der dem Auge ſehr gefaͤllt; an einem unſchicklichen Orte iſt es aber auch etwas ſehr
Unangenehmes.

Bey der Fortſetzung des Weges ſtutzte ich, daß ſolcher auf einmal anfieng
ein Raſenweg zu werden, anſtatt daß er bisher von Kies gemacht war. Dies
laͤßt ſich auf keinerley Weiſe rechtfertigen. Haͤtte der Kies bey einem Gebaͤude
aufgehoͤrt, ſo waͤre es doch noch einigermaßen ſchicklich geweſen. Aber auf dieſe
Weiſe mit einmal abzubrechen, ohne daß man einſieht, warum, das iſt ein ſon-
derbarer Einfall des Gartenkuͤnſtlers, wovon ich bisher noch nichts gewußt habe.

Indem ich auf dieſem Raſenwege fortgieng, kam ich auf einmal an einen
außerordentlichen ſteilen Abhang, weswegen der Weg abwaͤrts zur Vermeidung
der Gefahr hin und her gefuͤhrt war. Nachdem ich eine Zeit lang auf den ſchat-
tigen Kruͤmmungen gegangen, und mich nach Abwechſelung geſehnt hatte, ſtieß
ich unvermuthet auf die Huͤtte. Man mag auf das Wort ſelbſt, oder auf die
Simplicitaͤt, die gemeiniglich bey den Wohnungen der Duͤrftigkeit herrſcht, oder
auf die Beſchreibungen der Dichter ſehen, vermoͤge deren die wahre Gluͤckſelig-
keit blos in einem einſamen Landleben zu finden iſt, das thut hier nichts zur
Sache; genug eine Huͤtte iſt in einer weitgausgedehnten Gegend, wie dieſe, al-
lemal ein Gegenſtand, der Vergnuͤgen und angenehme Begriffe in der Seele erregt,
und man wird, ſo viel ich urtheilen kann, nicht leicht eine finden, die in Anſe-
hung ihrer Lage mehr Beyfall verdient. Sie iſt mit den ſchoͤnſten waldigten
Huͤgeln und Thaͤlern umgeben; ſie liegt ganz einſam, und doch aͤußerſt ange-
nehm. Glauben Sie mir, dies ſtroherne Haͤuschen, die vor ihm liegende kleine
abhaͤngige Wildbahn, die hohen Baͤume, womit der Platz vor demſelben umge-
ben iſt, und die ein vollkommnes Dach uͤber daſſelbe formiren, reizen das Auge
eines Mannes von Geſchmack mehr, als der praͤchtigſte Tempel, daran alle Kunſt
verſchwendet iſt.

Was halten Sie aber von der hier befindlichen Menagerie auslaͤndiſcher
Voͤgel? Es iſt zwar wahr, daß man das bunte Gefieder und die verſchie-
denen Arten von Geſchoͤpfen, die aus fernen Laͤndern hieher gebracht ſind, mit
Vergnuͤgen anſieht; allein es bleibt doch allemal ſonderbar, und ſcheint noch ſehr
ungewiß, ob es ſchicklich ſey, daß in einer Huͤtte eine ſo koſtbare Sache, als
eine Menagerie, angelegt worden. Sie werden es vielleicht dadurch entſchuldi-

gen,
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[170/0174] Anhang. Von dieſer Hirtenſcene fuͤhrte man mich auf einem mit vielen Kruͤmmungen verſehenen Wege wieder mitten in den Wald, wo ich an einem finſtern einſamen Platze eine Urne ganz allein auf einem weichen Raſen ſtehen ſah. Ich betrach- tete ſie mit vielem Vergnuͤgen. Eine wohlangebrachte Urne iſt ein Gegenſtand, der dem Auge ſehr gefaͤllt; an einem unſchicklichen Orte iſt es aber auch etwas ſehr Unangenehmes. Bey der Fortſetzung des Weges ſtutzte ich, daß ſolcher auf einmal anfieng ein Raſenweg zu werden, anſtatt daß er bisher von Kies gemacht war. Dies laͤßt ſich auf keinerley Weiſe rechtfertigen. Haͤtte der Kies bey einem Gebaͤude aufgehoͤrt, ſo waͤre es doch noch einigermaßen ſchicklich geweſen. Aber auf dieſe Weiſe mit einmal abzubrechen, ohne daß man einſieht, warum, das iſt ein ſon- derbarer Einfall des Gartenkuͤnſtlers, wovon ich bisher noch nichts gewußt habe. Indem ich auf dieſem Raſenwege fortgieng, kam ich auf einmal an einen außerordentlichen ſteilen Abhang, weswegen der Weg abwaͤrts zur Vermeidung der Gefahr hin und her gefuͤhrt war. Nachdem ich eine Zeit lang auf den ſchat- tigen Kruͤmmungen gegangen, und mich nach Abwechſelung geſehnt hatte, ſtieß ich unvermuthet auf die Huͤtte. Man mag auf das Wort ſelbſt, oder auf die Simplicitaͤt, die gemeiniglich bey den Wohnungen der Duͤrftigkeit herrſcht, oder auf die Beſchreibungen der Dichter ſehen, vermoͤge deren die wahre Gluͤckſelig- keit blos in einem einſamen Landleben zu finden iſt, das thut hier nichts zur Sache; genug eine Huͤtte iſt in einer weitgausgedehnten Gegend, wie dieſe, al- lemal ein Gegenſtand, der Vergnuͤgen und angenehme Begriffe in der Seele erregt, und man wird, ſo viel ich urtheilen kann, nicht leicht eine finden, die in Anſe- hung ihrer Lage mehr Beyfall verdient. Sie iſt mit den ſchoͤnſten waldigten Huͤgeln und Thaͤlern umgeben; ſie liegt ganz einſam, und doch aͤußerſt ange- nehm. Glauben Sie mir, dies ſtroherne Haͤuschen, die vor ihm liegende kleine abhaͤngige Wildbahn, die hohen Baͤume, womit der Platz vor demſelben umge- ben iſt, und die ein vollkommnes Dach uͤber daſſelbe formiren, reizen das Auge eines Mannes von Geſchmack mehr, als der praͤchtigſte Tempel, daran alle Kunſt verſchwendet iſt. Was halten Sie aber von der hier befindlichen Menagerie auslaͤndiſcher Voͤgel? Es iſt zwar wahr, daß man das bunte Gefieder und die verſchie- denen Arten von Geſchoͤpfen, die aus fernen Laͤndern hieher gebracht ſind, mit Vergnuͤgen anſieht; allein es bleibt doch allemal ſonderbar, und ſcheint noch ſehr ungewiß, ob es ſchicklich ſey, daß in einer Huͤtte eine ſo koſtbare Sache, als eine Menagerie, angelegt worden. Sie werden es vielleicht dadurch entſchuldi- gen,

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 2. Leipzig, 1780, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst2_1780/174>, abgerufen am 24.11.2024.