Vermögen beschränken, weil sie dieselben für schwach und unvermögend, ihr eigenes Beste wahrzunehmen, erklären; so verpflich- tet sie sich halten, das ganze Geschlecht zu einer immerwährenden Vormundschaft zu ver- stossen: so schnell hört doch diese Schwäche auf Schwäche zu seyn, so bald von Verbre- chen und Strafen die Rede ist; beide Ge- schlechter werden mit einem und demselben Masse gemessen -- und in der Kirche, in den Gerichtshöfen, (hoffentlich auch im Him- mel) ist kein Ansehen der Person zwischen Mann und Weib: sie sind einerlei Leib und einerlei Seele. Ehre dem Divus Justinianus, der, mit mehr Zusammenhang als unsere Ge- setzgeber, wegen der gröbsten Vergehungen dem schönen Geschlechte keine Zurechnung zumuthete, und es über alle Strafen wegsetz- te! -- Nach seiner Meinung war ein Weib so gut, dass es zu nichts taugte, wogegen es bei uns doch wenigstens einer Bestrafung -- welch ein Vorzug! -- würdig geachtet wird. Bei uns steht es unter dem Gesetze; bei ihm stand es nur unter der Gnade. -- Wahrlich!
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Vermögen beschränken, weil sie dieselben für schwach und unvermögend, ihr eigenes Beste wahrzunehmen, erklären; so verpflich- tet sie sich halten, das ganze Geschlecht zu einer immerwährenden Vormundschaft zu ver- stoſsen: so schnell hört doch diese Schwäche auf Schwäche zu seyn, so bald von Verbre- chen und Strafen die Rede ist; beide Ge- schlechter werden mit einem und demselben Maſse gemessen — und in der Kirche, in den Gerichtshöfen, (hoffentlich auch im Him- mel) ist kein Ansehen der Person zwischen Mann und Weib: sie sind einerlei Leib und einerlei Seele. Ehre dem Divus Justinianus, der, mit mehr Zusammenhang als unsere Ge- setzgeber, wegen der gröbsten Vergehungen dem schönen Geschlechte keine Zurechnung zumuthete, und es über alle Strafen wegsetz- te! — Nach seiner Meinung war ein Weib so gut, daſs es zu nichts taugte, wogegen es bei uns doch wenigstens einer Bestrafung — welch ein Vorzug! — würdig geachtet wird. Bei uns steht es unter dem Gesetze; bei ihm stand es nur unter der Gnade. — Wahrlich!
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Vermögen beschränken, weil sie dieselben
für schwach und unvermögend, ihr eigenes
Beste wahrzunehmen, erklären; so verpflich-
tet sie sich halten, das ganze Geschlecht zu
einer immerwährenden Vormundschaft zu ver-
stoſsen: so schnell hört doch diese Schwäche
auf Schwäche zu seyn, so bald von Verbre-
chen und Strafen die Rede ist; beide Ge-
schlechter werden mit einem und demselben
Maſse gemessen — und in der Kirche, in
den Gerichtshöfen, (hoffentlich auch im Him-
mel) ist kein Ansehen der Person zwischen
Mann und Weib: sie sind einerlei Leib und
einerlei Seele. Ehre dem Divus Justinianus,
der, mit mehr Zusammenhang als unsere Ge-
setzgeber, wegen der gröbsten Vergehungen
dem schönen Geschlechte keine Zurechnung
zumuthete, und es über alle Strafen wegsetz-
te! — Nach seiner Meinung war ein Weib
so gut, daſs es zu nichts taugte, wogegen es
bei uns doch wenigstens einer Bestrafung —
welch ein Vorzug! — würdig geachtet wird.
Bei uns steht es unter dem Gesetze; bei ihm
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Hippel, Theodor Gottlieb von: Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber. Berlin, 1792, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_weiber_1792/77>, abgerufen am 25.11.2024.
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