und die Wagschale wo möglich in der Hand eines höheren Wesens -- welche wird fallen? welche steigen? Doch warum höheren We- sens? So tief fielen die Menschen noch nicht, um nicht Ehre zu erweisen, wem Ehre ge- bührt -- Wozu eine vollständige Nomenkla- tur von berühmten Weibern, von solchen die das Schicksal zu Kronen berief, und die sie mit Würde trugen? -- Es sei genug, eine Margaretha von Dänemark, eine Christina von Schweden, eine Sophia Charlotta von Preussen zu nennen; und von denen, die, wenn sie Männer gewesen wären, diesem Ge- schlecht Ehre gemacht hätten -- verdienen nicht eine Cornelia, die edle Mutter der Gracchen, eine Arria nnd die durch so viele Gerüchte gegangene Johanna von Arc unsere Bewunderung? Nach diesen Beispielen wird man mir ohne Zweifel den Beweis erlassen, dass es den weiblichen Seelen nicht an grossen Anlagen fehle. -- Herbst und Winter rauben selbst den Steineichen ihre Blätter; allein die Wurzeln bleiben. Warum jene Anlagen nicht zur Regel werden, sondern Ausnahmen sind?
und die Wagschale wo möglich in der Hand eines höheren Wesens — welche wird fallen? welche steigen? Doch warum höheren We- sens? So tief fielen die Menschen noch nicht, um nicht Ehre zu erweisen, wem Ehre ge- bührt — Wozu eine vollständige Nomenkla- tur von berühmten Weibern, von solchen die das Schicksal zu Kronen berief, und die sie mit Würde trugen? — Es sei genug, eine Margaretha von Dänemark, eine Christina von Schweden, eine Sophia Charlotta von Preuſsen zu nennen; und von denen, die, wenn sie Männer gewesen wären, diesem Ge- schlecht Ehre gemacht hätten — verdienen nicht eine Cornelia, die edle Mutter der Gracchen, eine Arria nnd die durch so viele Gerüchte gegangene Johanna von Arc unsere Bewunderung? Nach diesen Beispielen wird man mir ohne Zweifel den Beweis erlassen, daſs es den weiblichen Seelen nicht an groſsen Anlagen fehle. — Herbst und Winter rauben selbst den Steineichen ihre Blätter; allein die Wurzeln bleiben. Warum jene Anlagen nicht zur Regel werden, sondern Ausnahmen sind?
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und die Wagschale wo möglich in der Hand
eines höheren Wesens — welche wird fallen?
welche steigen? Doch warum höheren We-
sens? So tief fielen die Menschen noch nicht,
um nicht Ehre zu erweisen, wem Ehre ge-
bührt — Wozu eine vollständige Nomenkla-
tur von berühmten Weibern, von solchen die
das Schicksal zu Kronen berief, und die sie
mit Würde trugen? — Es sei genug, eine
Margaretha von Dänemark, eine Christina
von Schweden, eine Sophia Charlotta von
Preuſsen zu nennen; und von denen, die,
wenn sie Männer gewesen wären, diesem Ge-
schlecht Ehre gemacht hätten — verdienen
nicht eine Cornelia, die edle Mutter der
Gracchen, eine Arria nnd die durch so viele
Gerüchte gegangene Johanna von Arc unsere
Bewunderung? Nach diesen Beispielen wird
man mir ohne Zweifel den Beweis erlassen,
daſs es den weiblichen Seelen nicht an groſsen
Anlagen fehle. — Herbst und Winter rauben
selbst den Steineichen ihre Blätter; allein die
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Hippel, Theodor Gottlieb von: Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber. Berlin, 1792, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_weiber_1792/71>, abgerufen am 24.11.2024.
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