Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hippel, Theodor Gottlieb von: Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber. Berlin, 1792.

Bild:
<< vorherige Seite

gross, wie sie ist -- und Voltaire? klein,
so klein, wie er war, so bald die Wahrheit
ihm ihren magischen Spiegel vorhielt. Sein
theures Selbst ist immer die erste Person; die
grosse Frau muss sich mit der zweiten begnü-
gen. Sie soll -- man denke! -- Constantinopel
erobern, oder wenigstens zu Taganrok ihre
Residenz aufschlagen, damit er kommen und
ihr die Füsse küssen könne, weil es in Pe-
tersburg
für den alten Eremiten von Ferney
zu kalt sei. Noch nicht befriedigt, dass die
Kaiserin
seinen Uhrmachern für 8000 Rubel
Uhren abnimmt, soll sie sogar, um seine Fa-
brikanten in Nahrung zu setzen, einen Uhren-
handel mit China in Gang bringen. Ihr wei-
ses Stillschweigen versteht er entweder wirk-
lich nicht, oder -- was glaublicher ist -- er
will es nicht verstehen, bis sie ihm denn end-
lich mit seinen, einer Kaiserin und eines
poetischen Philosophen so unwerthen Mer-
cantilgeschäften an ein costiges Handlungs-
haus assignirt
. Die prosaischste Leiden-
schaft unter allen, der leidige Geitz, brach-
te Voltaire'n vom Parnass auf eine Bör-

groſs, wie sie ist — und Voltaire? klein,
so klein, wie er war, so bald die Wahrheit
ihm ihren magischen Spiegel vorhielt. Sein
theures Selbst ist immer die erste Person; die
groſse Frau muſs sich mit der zweiten begnü-
gen. Sie soll — man denke! — Constantinopel
erobern, oder wenigstens zu Taganrok ihre
Residenz aufschlagen, damit er kommen und
ihr die Füſse küssen könne, weil es in Pe-
tersburg
für den alten Eremiten von Ferney
zu kalt sei. Noch nicht befriedigt, daſs die
Kaiserin
seinen Uhrmachern für 8000 Rubel
Uhren abnimmt, soll sie sogar, um seine Fa-
brikanten in Nahrung zu setzen, einen Uhren-
handel mit China in Gang bringen. Ihr wei-
ses Stillschweigen versteht er entweder wirk-
lich nicht, oder — was glaublicher ist — er
will es nicht verstehen, bis sie ihm denn end-
lich mit seinen, einer Kaiserin und eines
poëtischen Philosophen so unwerthen Mer-
cantilgeschäften an ein costiges Handlungs-
haus assignirt
. Die prosaischste Leiden-
schaft unter allen, der leidige Geitz, brach-
te Voltaire’n vom Parnaſs auf eine Bör-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0068" n="60"/>
gro&#x017F;s, wie <hi rendition="#g"><hi rendition="#k">sie</hi></hi> ist &#x2014; und <hi rendition="#i">Voltaire?</hi> klein,<lb/>
so klein, wie er war, so bald die Wahrheit<lb/>
ihm ihren magischen Spiegel vorhielt. Sein<lb/>
theures Selbst ist immer die erste Person; die<lb/>
gro&#x017F;se Frau mu&#x017F;s sich mit der zweiten begnü-<lb/>
gen. <hi rendition="#g"><hi rendition="#k">Sie</hi></hi> soll &#x2014; man denke! &#x2014; <hi rendition="#i">Constantinopel</hi><lb/>
erobern, oder wenigstens zu <hi rendition="#i">Taganrok</hi> <hi rendition="#g"><hi rendition="#k">ihre</hi></hi><lb/>
Residenz aufschlagen, damit er kommen und<lb/><hi rendition="#g"><hi rendition="#k">ihr</hi></hi> die Fü&#x017F;se küssen könne, weil es in <hi rendition="#i">Pe-<lb/>
tersburg</hi> für den <hi rendition="#i">alten Eremiten von Ferney</hi><lb/>
zu kalt sei. Noch nicht befriedigt, da&#x017F;s <hi rendition="#g"><hi rendition="#k">die<lb/>
Kaiserin</hi></hi> seinen Uhrmachern für 8000 Rubel<lb/>
Uhren abnimmt, soll <hi rendition="#g"><hi rendition="#k">sie</hi></hi> sogar, um seine Fa-<lb/>
brikanten in Nahrung zu setzen, einen Uhren-<lb/>
handel mit <hi rendition="#i">China</hi> in Gang bringen. <hi rendition="#g"><hi rendition="#k">Ihr</hi></hi> wei-<lb/>
ses Stillschweigen versteht er entweder wirk-<lb/>
lich nicht, oder &#x2014; was glaublicher ist &#x2014; er<lb/>
will es nicht verstehen, bis <hi rendition="#g"><hi rendition="#k">sie</hi></hi> ihm denn end-<lb/>
lich mit seinen, einer Kaiserin und eines<lb/>
poëtischen Philosophen so unwerthen Mer-<lb/>
cantilgeschäften an ein <hi rendition="#i">costiges Handlungs-<lb/>
haus assignirt</hi>. Die prosaischste Leiden-<lb/>
schaft unter allen, der leidige Geitz, brach-<lb/>
te <hi rendition="#i">Voltaire&#x2019;n</hi> vom Parna&#x017F;s auf eine Bör-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[60/0068] groſs, wie sie ist — und Voltaire? klein, so klein, wie er war, so bald die Wahrheit ihm ihren magischen Spiegel vorhielt. Sein theures Selbst ist immer die erste Person; die groſse Frau muſs sich mit der zweiten begnü- gen. Sie soll — man denke! — Constantinopel erobern, oder wenigstens zu Taganrok ihre Residenz aufschlagen, damit er kommen und ihr die Füſse küssen könne, weil es in Pe- tersburg für den alten Eremiten von Ferney zu kalt sei. Noch nicht befriedigt, daſs die Kaiserin seinen Uhrmachern für 8000 Rubel Uhren abnimmt, soll sie sogar, um seine Fa- brikanten in Nahrung zu setzen, einen Uhren- handel mit China in Gang bringen. Ihr wei- ses Stillschweigen versteht er entweder wirk- lich nicht, oder — was glaublicher ist — er will es nicht verstehen, bis sie ihm denn end- lich mit seinen, einer Kaiserin und eines poëtischen Philosophen so unwerthen Mer- cantilgeschäften an ein costiges Handlungs- haus assignirt. Die prosaischste Leiden- schaft unter allen, der leidige Geitz, brach- te Voltaire’n vom Parnaſs auf eine Bör-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_weiber_1792
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_weiber_1792/68
Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber. Berlin, 1792, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_weiber_1792/68>, abgerufen am 28.04.2024.