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Hippel, Theodor Gottlieb von: Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber. Berlin, 1792.

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deren giebt es viele) ohne Schrecken und Ent-
setzen an den Pharisäer neuerer Zeit den-
ken, der mit seinen Bekenntnissen vor Gottes
Thron treten, dem Weltgerichte entgegen ge-
hen und sagen will: Wer besser ist, werfe
den ersten Stein? Würde nicht selbst Therese
mehr als Einen Stein haben heben können,
wenn sie nicht durch diesen Gerechten wäre
verdorben worden? Können die Anlagen sich
entwickeln und Keime treiben, wenn keine
wohlthätige Hand sie pflegt? wenn alles so
gar sich vereinigt, sie zu unterdrücken und,
wo möglich, auszurotten? Sind nicht von
Zeit zu Zeit aus dem andern Geschlechte grosse
Seelen aufgestanden, die alle jene ihnen ab-
erkannten Geisteseigenschaften in einem sehr
vorzüglichen Grade besassen? Woher diese
eben nicht so seltenen Erscheinungen, wenn
es nicht Anlagen dazu in den Weiberseelen
gäbe, und es nur eines Zusammentreffens gün-
stigerer Umstände bedürfte? einer pflegenden
Hand, um diese zu entwickeln und ihren
Kräften jenen Schwung beizulegen, ohne wel-
chen sie nie ihre eingeengte Bahn verlassen

deren giebt es viele) ohne Schrecken und Ent-
setzen an den Pharisäer neuerer Zeit den-
ken, der mit seinen Bekenntnissen vor Gottes
Thron treten, dem Weltgerichte entgegen ge-
hen und sagen will: Wer besser ist, werfe
den ersten Stein? Würde nicht selbst Therese
mehr als Einen Stein haben heben können,
wenn sie nicht durch diesen Gerechten wäre
verdorben worden? Können die Anlagen sich
entwickeln und Keime treiben, wenn keine
wohlthätige Hand sie pflegt? wenn alles so
gar sich vereinigt, sie zu unterdrücken und,
wo möglich, auszurotten? Sind nicht von
Zeit zu Zeit aus dem andern Geschlechte groſse
Seelen aufgestanden, die alle jene ihnen ab-
erkannten Geisteseigenschaften in einem sehr
vorzüglichen Grade besaſsen? Woher diese
eben nicht so seltenen Erscheinungen, wenn
es nicht Anlagen dazu in den Weiberseelen
gäbe, und es nur eines Zusammentreffens gün-
stigerer Umstände bedürfte? einer pflegenden
Hand, um diese zu entwickeln und ihren
Kräften jenen Schwung beizulegen, ohne wel-
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[58/0066] deren giebt es viele) ohne Schrecken und Ent- setzen an den Pharisäer neuerer Zeit den- ken, der mit seinen Bekenntnissen vor Gottes Thron treten, dem Weltgerichte entgegen ge- hen und sagen will: Wer besser ist, werfe den ersten Stein? Würde nicht selbst Therese mehr als Einen Stein haben heben können, wenn sie nicht durch diesen Gerechten wäre verdorben worden? Können die Anlagen sich entwickeln und Keime treiben, wenn keine wohlthätige Hand sie pflegt? wenn alles so gar sich vereinigt, sie zu unterdrücken und, wo möglich, auszurotten? Sind nicht von Zeit zu Zeit aus dem andern Geschlechte groſse Seelen aufgestanden, die alle jene ihnen ab- erkannten Geisteseigenschaften in einem sehr vorzüglichen Grade besaſsen? Woher diese eben nicht so seltenen Erscheinungen, wenn es nicht Anlagen dazu in den Weiberseelen gäbe, und es nur eines Zusammentreffens gün- stigerer Umstände bedürfte? einer pflegenden Hand, um diese zu entwickeln und ihren Kräften jenen Schwung beizulegen, ohne wel- chen sie nie ihre eingeengte Bahn verlassen

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber. Berlin, 1792, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_weiber_1792/66>, abgerufen am 27.04.2024.