Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hippel, Theodor Gottlieb von: Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber. Berlin, 1792.

Bild:
<< vorherige Seite

stattlichen Arguments in ihren Händen glaub-
ten -- Das weibliche Geschlecht äussert nicht
jene hervorragenden Geistesfähigkeiten, heisst
bei weitem nicht: die Natur hat ihm die
Anlagen dazu versagt, und also -- o der un-
bärtigen Schlussfolge! -- steht es eine Stufe
niedriger auf der Jakobsleiter der Schöpfung.
Sind wir etwa Gott ähnlich, und hat das an-
dere Geschlecht bloss die Ehre uns von Got-
tes Gnaden ähnlich zu seyn? Warum nicht
gar --! Nicht durch Körper, durch Sinne,
durch Einbildungskraft nähern wir uns dem
Urgeiste, sondern durch den Geist; und wie?
fehlt es den Weibern an Verstand und Wil-
len? an der Fülle des Geistes? Überlegen
wir nicht oft durch sie? Würzen sie nicht
in unzähligen Fällen mehr mit dem Salze der
Erden, ohne das nichts schmackhaft ist, mit
Vernunft? und ihre Tugend -- ist sie nicht
vielfältig reiner, als die werthe unsrige? Über-
steigt unsere Eitelkeit die weibliche nicht an
allen Enden und Orten? War jener Pharisäer
und sein ganzer Jesuiterorden nicht aus unserm
Geschlechte? Kann ein braves Weib (und

D 5

stattlichen Arguments in ihren Händen glaub-
ten — Das weibliche Geschlecht äuſsert nicht
jene hervorragenden Geistesfähigkeiten, heiſst
bei weitem nicht: die Natur hat ihm die
Anlagen dazu versagt, und also — o der un-
bärtigen Schluſsfolge! — steht es eine Stufe
niedriger auf der Jakobsleiter der Schöpfung.
Sind wir etwa Gott ähnlich, und hat das an-
dere Geschlecht bloſs die Ehre uns von Got-
tes Gnaden ähnlich zu seyn? Warum nicht
gar —! Nicht durch Körper, durch Sinne,
durch Einbildungskraft nähern wir uns dem
Urgeiste, sondern durch den Geist; und wie?
fehlt es den Weibern an Verstand und Wil-
len? an der Fülle des Geistes? Überlegen
wir nicht oft durch sie? Würzen sie nicht
in unzähligen Fällen mehr mit dem Salze der
Erden, ohne das nichts schmackhaft ist, mit
Vernunft? und ihre Tugend — ist sie nicht
vielfältig reiner, als die werthe unsrige? Über-
steigt unsere Eitelkeit die weibliche nicht an
allen Enden und Orten? War jener Pharisäer
und sein ganzer Jesuiterorden nicht aus unserm
Geschlechte? Kann ein braves Weib (und

D 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0065" n="57"/>
stattlichen Arguments in ihren Händen glaub-<lb/>
ten &#x2014; Das weibliche Geschlecht äu&#x017F;sert nicht<lb/>
jene hervorragenden Geistesfähigkeiten, hei&#x017F;st<lb/>
bei weitem nicht: die Natur hat ihm die<lb/>
Anlagen dazu versagt, und also &#x2014; o der un-<lb/>
bärtigen Schlu&#x017F;sfolge! &#x2014; steht es eine Stufe<lb/>
niedriger auf der Jakobsleiter der Schöpfung.<lb/>
Sind <hi rendition="#i">wir</hi> etwa Gott ähnlich, und hat das an-<lb/>
dere Geschlecht blo&#x017F;s die Ehre <hi rendition="#i">uns</hi> von Got-<lb/>
tes Gnaden ähnlich zu seyn? Warum nicht<lb/>
gar &#x2014;! Nicht durch Körper, durch Sinne,<lb/>
durch Einbildungskraft nähern wir uns dem<lb/>
Urgeiste, sondern durch den Geist; und wie?<lb/>
fehlt es den Weibern an Verstand und Wil-<lb/>
len? an der Fülle des Geistes? Überlegen<lb/>
wir nicht oft durch sie? Würzen sie nicht<lb/>
in unzähligen Fällen mehr mit dem Salze der<lb/>
Erden, ohne das nichts schmackhaft ist, mit<lb/>
Vernunft? und ihre Tugend &#x2014; ist sie nicht<lb/>
vielfältig reiner, als die werthe unsrige? Über-<lb/>
steigt unsere Eitelkeit die weibliche nicht an<lb/>
allen Enden und Orten? War jener Pharisäer<lb/>
und sein ganzer Jesuiterorden nicht aus unserm<lb/>
Geschlechte? Kann ein braves Weib (und<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">D 5</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[57/0065] stattlichen Arguments in ihren Händen glaub- ten — Das weibliche Geschlecht äuſsert nicht jene hervorragenden Geistesfähigkeiten, heiſst bei weitem nicht: die Natur hat ihm die Anlagen dazu versagt, und also — o der un- bärtigen Schluſsfolge! — steht es eine Stufe niedriger auf der Jakobsleiter der Schöpfung. Sind wir etwa Gott ähnlich, und hat das an- dere Geschlecht bloſs die Ehre uns von Got- tes Gnaden ähnlich zu seyn? Warum nicht gar —! Nicht durch Körper, durch Sinne, durch Einbildungskraft nähern wir uns dem Urgeiste, sondern durch den Geist; und wie? fehlt es den Weibern an Verstand und Wil- len? an der Fülle des Geistes? Überlegen wir nicht oft durch sie? Würzen sie nicht in unzähligen Fällen mehr mit dem Salze der Erden, ohne das nichts schmackhaft ist, mit Vernunft? und ihre Tugend — ist sie nicht vielfältig reiner, als die werthe unsrige? Über- steigt unsere Eitelkeit die weibliche nicht an allen Enden und Orten? War jener Pharisäer und sein ganzer Jesuiterorden nicht aus unserm Geschlechte? Kann ein braves Weib (und D 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_weiber_1792
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_weiber_1792/65
Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber. Berlin, 1792, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_weiber_1792/65>, abgerufen am 27.11.2024.