mit vieler Gewissheit stellen -- Der Tod ist ihr Jupiter der Befreier -- Sie schaffen sich eine andere Welt, wo Gerechtigkeit wohnt -- wo sie auf Rosen unter einem heiteren Him- mel wandeln -- ein elisisches Idyllenleben --! Sanfte rührende Schwermuth und leise Schwär- merei helfen ihnen die Welt und sich über- winden -- und des Lebens und des Todes Bitterkeit verschmelzen -- Seht Weiber ster- ben! wie ruhig! sie sterben in der Regel alle philosophisch. Wenn dieser Fall sich bei unserm Geschlecht ereignet, welch ein Ge- schrei wird über diese Resignation erhoben! Der Natur, der die Weiber leben, sterben sie auch; sie scheint ihnen die Hand zu bie- ten, um ihnen überzuhelfen -- Die Weiber wollen nicht täglich sterben, sie wollen nicht Augenzeugen von den zu merklichen Verlusten seyn, die man, je länger man lebt, je mehr in Hinsicht des Lebens macht; haben sie ein hohes Alter erreicht, so kennen sie die Be- schwerden des Lebens noch genauer, und der Tod hat keine Gelegenheit, ihnen hart zu fallen, wenn er auch wollte. Sokrates erwie-
mit vieler Gewiſsheit stellen — Der Tod ist ihr Jupiter der Befreier — Sie schaffen sich eine andere Welt, wo Gerechtigkeit wohnt — wo sie auf Rosen unter einem heiteren Him- mel wandeln — ein elisisches Idyllenleben —! Sanfte rührende Schwermuth und leise Schwär- merei helfen ihnen die Welt und sich über- winden — und des Lebens und des Todes Bitterkeit verschmelzen — Seht Weiber ster- ben! wie ruhig! sie sterben in der Regel alle philosophisch. Wenn dieser Fall sich bei unserm Geschlecht ereignet, welch ein Ge- schrei wird über diese Resignation erhoben! Der Natur, der die Weiber leben, sterben sie auch; sie scheint ihnen die Hand zu bie- ten, um ihnen überzuhelfen — Die Weiber wollen nicht täglich sterben, sie wollen nicht Augenzeugen von den zu merklichen Verlusten seyn, die man, je länger man lebt, je mehr in Hinsicht des Lebens macht; haben sie ein hohes Alter erreicht, so kennen sie die Be- schwerden des Lebens noch genauer, und der Tod hat keine Gelegenheit, ihnen hart zu fallen, wenn er auch wollte. Sokrates erwie-
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mit vieler Gewiſsheit stellen — Der Tod ist
ihr Jupiter der Befreier — Sie schaffen sich
eine andere Welt, wo Gerechtigkeit wohnt —
wo sie auf Rosen unter einem heiteren Him-
mel wandeln — ein elisisches Idyllenleben —!
Sanfte rührende Schwermuth und leise Schwär-
merei helfen ihnen die Welt und sich über-
winden — und des Lebens und des Todes
Bitterkeit verschmelzen — Seht Weiber ster-
ben! wie ruhig! sie sterben in der Regel alle
philosophisch. Wenn dieser Fall sich bei
unserm Geschlecht ereignet, welch ein Ge-
schrei wird über diese Resignation erhoben!
Der Natur, der die Weiber leben, sterben
sie auch; sie scheint ihnen die Hand zu bie-
ten, um ihnen überzuhelfen — Die Weiber
wollen nicht täglich sterben, sie wollen nicht
Augenzeugen von den zu merklichen Verlusten
seyn, die man, je länger man lebt, je mehr
in Hinsicht des Lebens macht; haben sie ein
hohes Alter erreicht, so kennen sie die Be-
schwerden des Lebens noch genauer, und der
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Hippel, Theodor Gottlieb von: Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber. Berlin, 1792, S. 292. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_weiber_1792/300>, abgerufen am 22.11.2024.
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