oder macht es die Seltenheit, dass die Män- ner, weil sie zu wenig in die Heiligthümer der Natur kommen, nicht recht wissen, wie sie mit ihr daran sind? -- ich weiss es nicht. Wer kann indess unter den Männern, er sei Dichter oder Mahler, im Wonnegefühl der Natur, in der Fülle ihres Genusses, darstellen, was er empfindet? -- wer erliegt nicht unter der Gewalt alles Erhabenen und Schönen, das ihm zuströmt und ihn entweder in einen Schlummer einwiegt, oder ihn so angreift, dass er den zu grossen Eindruck nicht um- fassen und entwickeln kann. Der Schlummer ist ein Beweis der Schwäche; und auch aus zu grosser Spannung wird man ohnmächtig. Diese Lagen (sowohl die Schlummer- als die Spannungslage) darzustellen, ist Manchem un- ter den Männern so vortreflich geglückt, dass, da alle geneigte Leser sich getroffen fanden, diese Darstellungen als Meisterstücke bewun- dert wurden. Man erstaunte, dass die Kraft der Kunst in dieser Schwachheit so mächtig war! Hat sich das Feuer des Eindrucks ge- legt, ist man aus einem entzückenden Schlaf
oder macht es die Seltenheit, daſs die Män- ner, weil sie zu wenig in die Heiligthümer der Natur kommen, nicht recht wissen, wie sie mit ihr daran sind? — ich weiſs es nicht. Wer kann indeſs unter den Männern, er sei Dichter oder Mahler, im Wonnegefühl der Natur, in der Fülle ihres Genusses, darstellen, was er empfindet? — wer erliegt nicht unter der Gewalt alles Erhabenen und Schönen, das ihm zuströmt und ihn entweder in einen Schlummer einwiegt, oder ihn so angreift, daſs er den zu groſsen Eindruck nicht um- fassen und entwickeln kann. Der Schlummer ist ein Beweis der Schwäche; und auch aus zu groſser Spannung wird man ohnmächtig. Diese Lagen (sowohl die Schlummer- als die Spannungslage) darzustellen, ist Manchem un- ter den Männern so vortreflich geglückt, daſs, da alle geneigte Leser sich getroffen fanden, diese Darstellungen als Meisterstücke bewun- dert wurden. Man erstaunte, daſs die Kraft der Kunst in dieser Schwachheit so mächtig war! Hat sich das Feuer des Eindrucks ge- legt, ist man aus einem entzückenden Schlaf
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oder macht es die Seltenheit, daſs die Män-
ner, weil sie zu wenig in die Heiligthümer
der Natur kommen, nicht recht wissen, wie
sie mit ihr daran sind? — ich weiſs es nicht.
Wer kann indeſs unter den Männern, er sei
Dichter oder Mahler, im Wonnegefühl der
Natur, in der Fülle ihres Genusses, darstellen,
was er empfindet? — wer erliegt nicht unter
der Gewalt alles Erhabenen und Schönen, das
ihm zuströmt und ihn entweder in einen
Schlummer einwiegt, oder ihn so angreift,
daſs er den zu groſsen Eindruck nicht um-
fassen und entwickeln kann. Der Schlummer
ist ein Beweis der Schwäche; und auch aus
zu groſser Spannung wird man ohnmächtig.
Diese Lagen (sowohl die Schlummer- als die
Spannungslage) darzustellen, ist Manchem un-
ter den Männern so vortreflich geglückt, daſs,
da alle geneigte Leser sich getroffen fanden,
diese Darstellungen als Meisterstücke bewun-
dert wurden. Man erstaunte, daſs die Kraft
der Kunst in dieser Schwachheit so mächtig
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Hippel, Theodor Gottlieb von: Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber. Berlin, 1792, S. 266. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_weiber_1792/274>, abgerufen am 24.11.2024.
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