eine exemplarische Bescheidenheit noch 'mehr gewinnt? -- Angelika Kaufmann, die Schöp- ferin schöner Formen, und mehr ihres Glei- chen waren und sind Mahlerinnen. Der Vor- wurf, den man der Angelika macht, dass sie männliche Gesichter zu weibisch mahle, ist nicht ohne Grund; vielleicht nimmt sie hier- durch an unserm Geschlecht eine heimliche Rache. Man sagt: Weiber würden nie Mei- sterinnen im Portraitiren. -- Dass ich nicht wüsste; * ra * * trifft zum Sprechen -- zum Hören --. Wär' es in der Regel der Fall, so würd' ich es mir aus dem Umstande erklären, dass sie immer Züge ans ihrer trefflichen Seele hineinzeichnen, so wie Mahler der Ve- nus Züge von ihren Weibern und Töchtern verehren. -- Mahlerinnen würden in dem Grade die Seelen der Männer in ihren Por- traiten verschönern oder verklären, wie Mah- ler die Gesichter des andern Geschlechtes schminken -- Ist es, weil die Männer von der Natur entfremdeter sind, als die Weiber; oder hat die Natur wirklich zu dem andern Geschlechte mehr Vorliebe und Zutrauen;
R 5
eine exemplarische Bescheidenheit noch ’mehr gewinnt? — Angelika Kaufmann, die Schöp- ferin schöner Formen, und mehr ihres Glei- chen waren und sind Mahlerinnen. Der Vor- wurf, den man der Angelika macht, daſs sie männliche Gesichter zu weibisch mahle, ist nicht ohne Grund; vielleicht nimmt sie hier- durch an unserm Geschlecht eine heimliche Rache. Man sagt: Weiber würden nie Mei- sterinnen im Portraitiren. — Daſs ich nicht wüſste; * ra * * trifft zum Sprechen — zum Hören —. Wär’ es in der Regel der Fall, so würd’ ich es mir aus dem Umstande erklären, daſs sie immer Züge ans ihrer trefflichen Seele hineinzeichnen, so wie Mahler der Ve- nus Züge von ihren Weibern und Töchtern verehren. — Mahlerinnen würden in dem Grade die Seelen der Männer in ihren Por- traiten verschönern oder verklären, wie Mah- ler die Gesichter des andern Geschlechtes schminken — Ist es, weil die Männer von der Natur entfremdeter sind, als die Weiber; oder hat die Natur wirklich zu dem andern Geschlechte mehr Vorliebe und Zutrauen;
R 5
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0273"n="265"/>
eine exemplarische Bescheidenheit noch ’mehr<lb/>
gewinnt? —<hirendition="#i">Angelika Kaufmann</hi>, die Schöp-<lb/>
ferin schöner Formen, und mehr ihres Glei-<lb/>
chen waren und sind Mahlerinnen. Der Vor-<lb/>
wurf, den man der <hirendition="#i">Angelika</hi> macht, daſs sie<lb/>
männliche Gesichter zu weibisch mahle, ist<lb/>
nicht ohne Grund; vielleicht nimmt sie hier-<lb/>
durch an unserm Geschlecht eine heimliche<lb/>
Rache. Man sagt: Weiber würden nie Mei-<lb/>
sterinnen im Portraitiren. — Daſs ich nicht<lb/>
wüſste; * <hirendition="#i">ra</hi> * * trifft zum Sprechen — zum<lb/>
Hören —. Wär’ es in der Regel der Fall, so<lb/>
würd’ ich es mir aus dem Umstande erklären,<lb/>
daſs sie immer Züge ans ihrer trefflichen<lb/>
Seele hineinzeichnen, so wie Mahler der <hirendition="#i">Ve-<lb/>
nus</hi> Züge von ihren Weibern und Töchtern<lb/>
verehren. — Mahlerinnen würden in dem<lb/>
Grade die Seelen der Männer in ihren Por-<lb/>
traiten verschönern oder verklären, wie Mah-<lb/>
ler die Gesichter des andern Geschlechtes<lb/>
schminken — Ist es, weil die Männer von<lb/>
der Natur entfremdeter sind, als die Weiber;<lb/>
oder hat die Natur wirklich zu dem andern<lb/>
Geschlechte mehr Vorliebe und Zutrauen;<lb/><fwplace="bottom"type="sig">R 5</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[265/0273]
eine exemplarische Bescheidenheit noch ’mehr
gewinnt? — Angelika Kaufmann, die Schöp-
ferin schöner Formen, und mehr ihres Glei-
chen waren und sind Mahlerinnen. Der Vor-
wurf, den man der Angelika macht, daſs sie
männliche Gesichter zu weibisch mahle, ist
nicht ohne Grund; vielleicht nimmt sie hier-
durch an unserm Geschlecht eine heimliche
Rache. Man sagt: Weiber würden nie Mei-
sterinnen im Portraitiren. — Daſs ich nicht
wüſste; * ra * * trifft zum Sprechen — zum
Hören —. Wär’ es in der Regel der Fall, so
würd’ ich es mir aus dem Umstande erklären,
daſs sie immer Züge ans ihrer trefflichen
Seele hineinzeichnen, so wie Mahler der Ve-
nus Züge von ihren Weibern und Töchtern
verehren. — Mahlerinnen würden in dem
Grade die Seelen der Männer in ihren Por-
traiten verschönern oder verklären, wie Mah-
ler die Gesichter des andern Geschlechtes
schminken — Ist es, weil die Männer von
der Natur entfremdeter sind, als die Weiber;
oder hat die Natur wirklich zu dem andern
Geschlechte mehr Vorliebe und Zutrauen;
R 5
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Hippel, Theodor Gottlieb von: Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber. Berlin, 1792, S. 265. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_weiber_1792/273>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.