schen. O, der überfeinen Besorgniss! Ist das Reich Gottes nicht in uns? Tugenden, die nie das Glück gehabt haben, in Versu- chung zu kommen, sind, wie die Scheide- münze, von sehr verdächtigem Schrot und Korn, ob sie gleich gemeiniglich den Vorzug haben in Cours zu bleiben. -- Jenes Recht der Gegenwehr, kraft dessen wir allem wider- stehen, was uns zu nahe zu treten versuchen will -- wenn es nie in Anwendung gebracht wird, setzt es nicht die Menschen über kurz oder lang aus aller Disciplin, so dass sie zu letzt von ihren eigenen Schatten in die Flucht geschlagen werden? Sind die schrecklichsten Schandthaten in der grossen Welt oder in der Einsamkeit empfangen und geboren? oder will man dem schönen Geschlechte die Fähigkeit und das moralische Vermögen etwas zu thun oder zu lassen, zu Deutsch das Recht genannt, in bester Form Rechtens aberkennen? Haben wir nicht bedacht, dass Recht aus der leiden- den Verbindlichkeit entsteht, und dass kein Recht seyn würde, wenn keine Verbindlich- keit wäre? dass, wenn die Natur zu einem
schen. O, der überfeinen Besorgniſs! Ist das Reich Gottes nicht in uns? Tugenden, die nie das Glück gehabt haben, in Versu- chung zu kommen, sind, wie die Scheide- münze, von sehr verdächtigem Schrot und Korn, ob sie gleich gemeiniglich den Vorzug haben in Cours zu bleiben. — Jenes Recht der Gegenwehr, kraft dessen wir allem wider- stehen, was uns zu nahe zu treten versuchen will — wenn es nie in Anwendung gebracht wird, setzt es nicht die Menschen über kurz oder lang aus aller Disciplin, so daſs sie zu letzt von ihren eigenen Schatten in die Flucht geschlagen werden? Sind die schrecklichsten Schandthaten in der groſsen Welt oder in der Einsamkeit empfangen und geboren? oder will man dem schönen Geschlechte die Fähigkeit und das moralische Vermögen etwas zu thun oder zu lassen, zu Deutsch das Recht genannt, in bester Form Rechtens aberkennen? Haben wir nicht bedacht, daſs Recht aus der leiden- den Verbindlichkeit entsteht, und daſs kein Recht seyn würde, wenn keine Verbindlich- keit wäre? daſs, wenn die Natur zu einem
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schen. O, der überfeinen Besorgniſs! Ist
das Reich Gottes nicht in uns? Tugenden,
die nie das Glück gehabt haben, in Versu-
chung zu kommen, sind, wie die Scheide-
münze, von sehr verdächtigem Schrot und
Korn, ob sie gleich gemeiniglich den Vorzug
haben in Cours zu bleiben. — Jenes Recht
der Gegenwehr, kraft dessen wir allem wider-
stehen, was uns zu nahe zu treten versuchen
will — wenn es nie in Anwendung gebracht
wird, setzt es nicht die Menschen über kurz
oder lang aus aller Disciplin, so daſs sie zu
letzt von ihren eigenen Schatten in die Flucht
geschlagen werden? Sind die schrecklichsten
Schandthaten in der groſsen Welt oder in der
Einsamkeit empfangen und geboren? oder will
man dem schönen Geschlechte die Fähigkeit
und das moralische Vermögen etwas zu thun
oder zu lassen, zu Deutsch das Recht genannt,
in bester Form Rechtens aberkennen? Haben
wir nicht bedacht, daſs Recht aus der leiden-
den Verbindlichkeit entsteht, und daſs kein
Recht seyn würde, wenn keine Verbindlich-
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Hippel, Theodor Gottlieb von: Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber. Berlin, 1792, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_weiber_1792/165>, abgerufen am 24.11.2024.
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