Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hippel, Theodor Gottlieb von: Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber. Berlin, 1792.

Bild:
<< vorherige Seite

würdig, auf; und noch schüttelt man den
Kopf, unentschlossen, ob dies ein Lob- und
Dankopfer, oder ein Vorwurf in Hinsicht sei-
ner goldenen Rechtszeit sei.

Bei diesen und andern Umständen hat man
nicht etwa bloss dem Geiste der Römischen
Gesetzgebung, sondern auch ihren Cruditäten
das Bürgerrecht verstattet, und zu ihrer Auf-
nahme die Thore weit und die Thüren hoch
gemacht; während die Franken, Sachsen und
andere Bewohner Deutschlands, nach ihrer
Weise und nach Deutscher Art und Kunst,
in der Cultur fortschritten. Die Handlungs-
weise und die Sitten erhielten zwar eine an-
dere, aber doch keine Römische Gestalt; viel-
mehr machte die Eigenheit des Volks-Cha-
rakters einen sehr wesentlichen Unterschied
bemerkbar: indess wurden Deutsche Handlun-
gen doch mit Römischen Schneiderscheeren
verschnitten -- Aus einem Paradiese und
kühnen Naturgarten wurde kleinliche Hollän-
dische Künstelei. -- Demosthenes hält es beina-
he für ein Gesetz des Schicksals, dass immer
die besten Menschen die ungezogensten Kin-

I 4

würdig, auf; und noch schüttelt man den
Kopf, unentschlossen, ob dies ein Lob- und
Dankopfer, oder ein Vorwurf in Hinsicht sei-
ner goldenen Rechtszeit sei.

Bei diesen und andern Umständen hat man
nicht etwa bloſs dem Geiste der Römischen
Gesetzgebung, sondern auch ihren Cruditäten
das Bürgerrecht verstattet, und zu ihrer Auf-
nahme die Thore weit und die Thüren hoch
gemacht; während die Franken, Sachsen und
andere Bewohner Deutschlands, nach ihrer
Weise und nach Deutscher Art und Kunst,
in der Cultur fortschritten. Die Handlungs-
weise und die Sitten erhielten zwar eine an-
dere, aber doch keine Römische Gestalt; viel-
mehr machte die Eigenheit des Volks-Cha-
rakters einen sehr wesentlichen Unterschied
bemerkbar: indeſs wurden Deutsche Handlun-
gen doch mit Römischen Schneiderscheeren
verschnitten — Aus einem Paradiese und
kühnen Naturgarten wurde kleinliche Hollän-
dische Künstelei. — Demosthenes hält es beina-
he für ein Gesetz des Schicksals, daſs immer
die besten Menschen die ungezogensten Kin-

I 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0143" n="135"/>
würdig, auf; und noch schüttelt man den<lb/>
Kopf, unentschlossen, ob dies ein Lob- und<lb/>
Dankopfer, oder ein Vorwurf in Hinsicht sei-<lb/>
ner goldenen Rechtszeit sei.</p><lb/>
          <p>Bei diesen und andern Umständen hat man<lb/>
nicht etwa blo&#x017F;s dem Geiste der Römischen<lb/>
Gesetzgebung, sondern auch ihren Cruditäten<lb/>
das Bürgerrecht verstattet, und zu ihrer Auf-<lb/>
nahme die Thore weit und die Thüren hoch<lb/>
gemacht; während die Franken, Sachsen und<lb/>
andere Bewohner Deutschlands, nach ihrer<lb/>
Weise und nach Deutscher Art und Kunst,<lb/>
in der Cultur fortschritten. Die Handlungs-<lb/>
weise und die Sitten erhielten zwar eine an-<lb/>
dere, aber doch keine Römische Gestalt; viel-<lb/>
mehr machte die Eigenheit des Volks-Cha-<lb/>
rakters einen sehr wesentlichen Unterschied<lb/>
bemerkbar: inde&#x017F;s wurden Deutsche Handlun-<lb/>
gen doch mit Römischen Schneiderscheeren<lb/>
verschnitten &#x2014; Aus einem Paradiese und<lb/>
kühnen Naturgarten wurde kleinliche Hollän-<lb/>
dische Künstelei. &#x2014; <hi rendition="#i">Demosthenes</hi> hält es beina-<lb/>
he für ein Gesetz des Schicksals, da&#x017F;s immer<lb/>
die besten Menschen die ungezogensten Kin-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">I 4</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[135/0143] würdig, auf; und noch schüttelt man den Kopf, unentschlossen, ob dies ein Lob- und Dankopfer, oder ein Vorwurf in Hinsicht sei- ner goldenen Rechtszeit sei. Bei diesen und andern Umständen hat man nicht etwa bloſs dem Geiste der Römischen Gesetzgebung, sondern auch ihren Cruditäten das Bürgerrecht verstattet, und zu ihrer Auf- nahme die Thore weit und die Thüren hoch gemacht; während die Franken, Sachsen und andere Bewohner Deutschlands, nach ihrer Weise und nach Deutscher Art und Kunst, in der Cultur fortschritten. Die Handlungs- weise und die Sitten erhielten zwar eine an- dere, aber doch keine Römische Gestalt; viel- mehr machte die Eigenheit des Volks-Cha- rakters einen sehr wesentlichen Unterschied bemerkbar: indeſs wurden Deutsche Handlun- gen doch mit Römischen Schneiderscheeren verschnitten — Aus einem Paradiese und kühnen Naturgarten wurde kleinliche Hollän- dische Künstelei. — Demosthenes hält es beina- he für ein Gesetz des Schicksals, daſs immer die besten Menschen die ungezogensten Kin- I 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_weiber_1792
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_weiber_1792/143
Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber. Berlin, 1792, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_weiber_1792/143>, abgerufen am 12.10.2024.