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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781.

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stehen, daß sie mit ihrem Schutzgeiste bekannt
zu werden Gelegenheit gehabt. Sonst wüßt
ich auch nicht, wo sie alles her hätte von den
sieben fetten und sieben magern Kühen künf-
tiger Jahre? Ob Söhnchen oder Töchterchen?
und wer Pastor werden würde? --

Es war in der Gegend eine Frau v -- B --
von sehr bekannter Einsicht. Sie hatte nie
Kinder gehabt. Man sagt, viele Kinder
schwächen die Weiber an Leib und Seele, und
wenn man manche alte Jungfer darüber zu
Rathe zieht, sie sey Durchlauchten, Hochge-
bohrnen, Hochwohlgebohrnen, oder bürger-
lichen Standes, findet man zu dieser Anmer-
kung Bestätigung. -- Ihre Neider behaupte-
ten, sie wäre keine Frau, sondern ein Mann;
obgleich ihr verstorbener Gemahl nie darüber
Klage geführet. Diese Frau war eine Jün-
gerin vom seligen Herrn v. G --, ohne daß
er es dazu anlegte. Sie hatte wider manches
Scrupel, und trat dem Herrn v. G -- in al-
len seinen Meynungen bey, ohne zu beden-
ken, ob ihre Scrupel dadurch gehoben wären,
oder nicht? Nach der Zeit fieng sie selbst an,
aus Büchern zu schöpfen. Das sind nie Quel-
len für Weiber! Bey ihnen kommt aller Glau-
be durch die Predigt, und siehe da! Sie hatte

von

ſtehen, daß ſie mit ihrem Schutzgeiſte bekannt
zu werden Gelegenheit gehabt. Sonſt wuͤßt
ich auch nicht, wo ſie alles her haͤtte von den
ſieben fetten und ſieben magern Kuͤhen kuͤnf-
tiger Jahre? Ob Soͤhnchen oder Toͤchterchen?
und wer Paſtor werden wuͤrde? —

Es war in der Gegend eine Frau v — B —
von ſehr bekannter Einſicht. Sie hatte nie
Kinder gehabt. Man ſagt, viele Kinder
ſchwaͤchen die Weiber an Leib und Seele, und
wenn man manche alte Jungfer daruͤber zu
Rathe zieht, ſie ſey Durchlauchten, Hochge-
bohrnen, Hochwohlgebohrnen, oder buͤrger-
lichen Standes, findet man zu dieſer Anmer-
kung Beſtaͤtigung. — Ihre Neider behaupte-
ten, ſie waͤre keine Frau, ſondern ein Mann;
obgleich ihr verſtorbener Gemahl nie daruͤber
Klage gefuͤhret. Dieſe Frau war eine Juͤn-
gerin vom ſeligen Herrn v. G —, ohne daß
er es dazu anlegte. Sie hatte wider manches
Scrupel, und trat dem Herrn v. G — in al-
len ſeinen Meynungen bey, ohne zu beden-
ken, ob ihre Scrupel dadurch gehoben waͤren,
oder nicht? Nach der Zeit fieng ſie ſelbſt an,
aus Buͤchern zu ſchoͤpfen. Das ſind nie Quel-
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[76/0082] ſtehen, daß ſie mit ihrem Schutzgeiſte bekannt zu werden Gelegenheit gehabt. Sonſt wuͤßt ich auch nicht, wo ſie alles her haͤtte von den ſieben fetten und ſieben magern Kuͤhen kuͤnf- tiger Jahre? Ob Soͤhnchen oder Toͤchterchen? und wer Paſtor werden wuͤrde? — Es war in der Gegend eine Frau v — B — von ſehr bekannter Einſicht. Sie hatte nie Kinder gehabt. Man ſagt, viele Kinder ſchwaͤchen die Weiber an Leib und Seele, und wenn man manche alte Jungfer daruͤber zu Rathe zieht, ſie ſey Durchlauchten, Hochge- bohrnen, Hochwohlgebohrnen, oder buͤrger- lichen Standes, findet man zu dieſer Anmer- kung Beſtaͤtigung. — Ihre Neider behaupte- ten, ſie waͤre keine Frau, ſondern ein Mann; obgleich ihr verſtorbener Gemahl nie daruͤber Klage gefuͤhret. Dieſe Frau war eine Juͤn- gerin vom ſeligen Herrn v. G —, ohne daß er es dazu anlegte. Sie hatte wider manches Scrupel, und trat dem Herrn v. G — in al- len ſeinen Meynungen bey, ohne zu beden- ken, ob ihre Scrupel dadurch gehoben waͤren, oder nicht? Nach der Zeit fieng ſie ſelbſt an, aus Buͤchern zu ſchoͤpfen. Das ſind nie Quel- len fuͤr Weiber! Bey ihnen kommt aller Glau- be durch die Predigt, und ſiehe da! Sie hatte von

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/82>, abgerufen am 21.11.2024.