den. Sie hat recht, daß man eben sowohl zu viel essen, als zu viel schlafen kann!
Einen Tag kam ich vom Felde und Polt hatte das Bild der seligen Mine mit den er- sten Blumen so bekränzet, wie eine Braut, sagte der Kleine, und sprang herum! --
Die Geselligkeit ist nicht die Folge einer aufgeklärten Vernunft. Je klüger der Mensch, je weniger theilnehmend, je weniger gesellig ist er! Je mehr Cultur, je kleiner der Wir- kungskreis! Es scheint, ein vernünftiger Mensch bilde sich ein, er sey so stark an Lei- beskräften, als an Verstandsvermögen, und brauche keiner Gesellen!
Das schwerste ist, den Kindern einen Ein- druck von Gott machen, ohne ihnen Gott zeigen zu können. Mit Gott in Gemeinschaft treten, ohne ihn zu sehen, ist schwer, und doch stehen wir uns selbst im Licht, wenn wir ge- wisse Begriffe nicht in der Jugend gründen, und allmählig einen Damm von dieser zur künftigen Welt schütten, die unsichtbar ist, wie Gott der Herr! --
Meine selige Mutter hielt viel auf eine Lade. Jedes im Hause hatte seine Lade. Ich auch die meinige. Mein Vater lachte drü- her. Sie hatte dabey die Bundeslade in Ge-
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den. Sie hat recht, daß man eben ſowohl zu viel eſſen, als zu viel ſchlafen kann!
Einen Tag kam ich vom Felde und Polt hatte das Bild der ſeligen Mine mit den er- ſten Blumen ſo bekraͤnzet, wie eine Braut, ſagte der Kleine, und ſprang herum! —
Die Geſelligkeit iſt nicht die Folge einer aufgeklaͤrten Vernunft. Je kluͤger der Menſch, je weniger theilnehmend, je weniger geſellig iſt er! Je mehr Cultur, je kleiner der Wir- kungskreis! Es ſcheint, ein vernuͤnftiger Menſch bilde ſich ein, er ſey ſo ſtark an Lei- beskraͤften, als an Verſtandsvermoͤgen, und brauche keiner Geſellen!
Das ſchwerſte iſt, den Kindern einen Ein- druck von Gott machen, ohne ihnen Gott zeigen zu koͤnnen. Mit Gott in Gemeinſchaft treten, ohne ihn zu ſehen, iſt ſchwer, und doch ſtehen wir uns ſelbſt im Licht, wenn wir ge- wiſſe Begriffe nicht in der Jugend gruͤnden, und allmaͤhlig einen Damm von dieſer zur kuͤnftigen Welt ſchuͤtten, die unſichtbar iſt, wie Gott der Herr! —
Meine ſelige Mutter hielt viel auf eine Lade. Jedes im Hauſe hatte ſeine Lade. Ich auch die meinige. Mein Vater lachte druͤ- her. Sie hatte dabey die Bundeslade in Ge-
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den. Sie hat recht, daß man eben ſowohl
zu viel eſſen, als zu viel ſchlafen kann!
Einen Tag kam ich vom Felde und Polt
hatte das Bild der ſeligen Mine mit den er-
ſten Blumen ſo bekraͤnzet, wie eine Braut,
ſagte der Kleine, und ſprang herum! —
Die Geſelligkeit iſt nicht die Folge einer
aufgeklaͤrten Vernunft. Je kluͤger der Menſch,
je weniger theilnehmend, je weniger geſellig
iſt er! Je mehr Cultur, je kleiner der Wir-
kungskreis! Es ſcheint, ein vernuͤnftiger
Menſch bilde ſich ein, er ſey ſo ſtark an Lei-
beskraͤften, als an Verſtandsvermoͤgen, und
brauche keiner Geſellen!
Das ſchwerſte iſt, den Kindern einen Ein-
druck von Gott machen, ohne ihnen Gott
zeigen zu koͤnnen. Mit Gott in Gemeinſchaft
treten, ohne ihn zu ſehen, iſt ſchwer, und doch
ſtehen wir uns ſelbſt im Licht, wenn wir ge-
wiſſe Begriffe nicht in der Jugend gruͤnden,
und allmaͤhlig einen Damm von dieſer zur
kuͤnftigen Welt ſchuͤtten, die unſichtbar iſt,
wie Gott der Herr! —
Meine ſelige Mutter hielt viel auf eine
Lade. Jedes im Hauſe hatte ſeine Lade. Ich
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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 613. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/621>, abgerufen am 25.11.2024.
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