Gewohnheit über den, Kyrie eleyson! auszu- rufen, der nicht griechisch verstand, warum lieber Vater? Er gab, so klein ich war, alle Tage ein griechisch Wort zur Parole aus.
Warum lieber Vater? Wenn Plato nichts anders als griechisch weiß, kann mein Polt kein Wort mit ihm wechseln! Gewiß wird er nicht beym Griechischen ge- blieben seyn! -- Mein Vater sagte, die he- bräische Sprache sey die metaphysische, die deutsche die philosophische im allgemeinen Sinn. Die französische die witzige, die englische die dichterische! Die englische die Genie- die französische die Geschmacks- Sprache! --
Ich überlies Polten wo ich nur wußt' und konnte der Natur und entfernte ihn so wenig von den Kindern gemeiner Leute, daß ich ihn vielmehr in ihre Art kleidete. Sein Anzug war nur durch innern Werth, auf den kein Kind sieht, unterschieden -- Warum wie ein Holländer, wie ein Engländer, wenn man in Liefland wohnt?
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Gewohnheit uͤber den, Kyrie eleyſon! auszu- rufen, der nicht griechiſch verſtand, warum lieber Vater? Er gab, ſo klein ich war, alle Tage ein griechiſch Wort zur Parole aus.
Warum lieber Vater? Wenn Plato nichts anders als griechiſch weiß, kann mein Polt kein Wort mit ihm wechſeln! Gewiß wird er nicht beym Griechiſchen ge- blieben ſeyn! — Mein Vater ſagte, die he- braͤiſche Sprache ſey die metaphyſiſche, die deutſche die philoſophiſche im allgemeinen Sinn. Die franzoͤſiſche die witzige, die engliſche die dichteriſche! Die engliſche die Genie- die franzoͤſiſche die Geſchmacks- Sprache! —
Ich uͤberlies Polten wo ich nur wußt’ und konnte der Natur und entfernte ihn ſo wenig von den Kindern gemeiner Leute, daß ich ihn vielmehr in ihre Art kleidete. Sein Anzug war nur durch innern Werth, auf den kein Kind ſieht, unterſchieden — Warum wie ein Hollaͤnder, wie ein Englaͤnder, wenn man in Liefland wohnt?
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Gewohnheit uͤber den, Kyrie eleyſon! auszu-
rufen, der nicht griechiſch verſtand, warum
lieber Vater? Er gab, ſo klein ich war, alle
Tage ein griechiſch Wort zur Parole aus.
Warum lieber Vater? Wenn Plato
nichts anders als griechiſch weiß, kann
mein Polt kein Wort mit ihm wechſeln!
Gewiß wird er nicht beym Griechiſchen ge-
blieben ſeyn! — Mein Vater ſagte, die he-
braͤiſche Sprache ſey die metaphyſiſche, die
deutſche die philoſophiſche im allgemeinen
Sinn. Die franzoͤſiſche die witzige, die
engliſche die dichteriſche! Die engliſche die
Genie- die franzoͤſiſche die Geſchmacks-
Sprache! —
Ich uͤberlies Polten wo ich nur wußt’
und konnte der Natur und entfernte ihn ſo
wenig von den Kindern gemeiner Leute, daß
ich ihn vielmehr in ihre Art kleidete. Sein
Anzug war nur durch innern Werth, auf den
kein Kind ſieht, unterſchieden — Warum
wie ein Hollaͤnder, wie ein Englaͤnder, wenn
man in Liefland wohnt?
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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 609. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/617>, abgerufen am 25.11.2024.
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