Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781.

Bild:
<< vorherige Seite

wie der, der ihm begegnet, und dem der Cam-
rad seinen Sold, sein täglich Brod gebrochen,
ein ganzes Brod zu geben, auch wollte er,
daß seine Kinder und Kindeskinder es thäten,
immerdar. -- -- Das ist mein letzter Wille,
sagte er, und hiemit gab er seinem Camera-
den die Hand! der den Bettler, der Wittwe
zur Regel, abzeichnete und ihn traf. -- Leb
wohl! Du warst ein ehrlicher Junge, und so
stirbst du auch. -- Der Camerad durfte des
grausamen Herrn Fähnrichs wegen nicht wei-
nen, desto mehr hielt er aus. Es war auch
ein Ausländer! --
Die Nutzanwendung.

Mine war das alles meiner Mutter, was
der Bettler dem Läufer. Sie war älter, als
der Läufer. Es fiel ihr also so manches ge-
nommene Brod ein! -- Der Hauptdiebstal
war Mine. Noth hin, Noth her. -- Das
Sterbensgewissen ist nicht so leicht zu befrie-
digen. Bis auf die Curländerin lag alles
schwer auf ihr. Eine verstimmte Pfeife,
schreibt sie, verdirbt die ganze Orgel. Bey
mir ist mehr, als eine, in Unordnung. Was
bey manchem Rath ist, ist bey mir Unrath.

Meine Mutter gieng in Gedanken in ein
Cartheuserkloster, und sah' es ein, daß der

Mensch
D 3

wie der, der ihm begegnet, und dem der Cam-
rad ſeinen Sold, ſein taͤglich Brod gebrochen,
ein ganzes Brod zu geben, auch wollte er,
daß ſeine Kinder und Kindeskinder es thaͤten,
immerdar. — — Das iſt mein letzter Wille,
ſagte er, und hiemit gab er ſeinem Camera-
den die Hand! der den Bettler, der Wittwe
zur Regel, abzeichnete und ihn traf. — Leb
wohl! Du warſt ein ehrlicher Junge, und ſo
ſtirbſt du auch. — Der Camerad durfte des
grauſamen Herrn Faͤhnrichs wegen nicht wei-
nen, deſto mehr hielt er aus. Es war auch
ein Auslaͤnder! —
Die Nutzanwendung.

Mine war das alles meiner Mutter, was
der Bettler dem Laͤufer. Sie war aͤlter, als
der Laͤufer. Es fiel ihr alſo ſo manches ge-
nommene Brod ein! — Der Hauptdiebſtal
war Mine. Noth hin, Noth her. — Das
Sterbensgewiſſen iſt nicht ſo leicht zu befrie-
digen. Bis auf die Curlaͤnderin lag alles
ſchwer auf ihr. Eine verſtimmte Pfeife,
ſchreibt ſie, verdirbt die ganze Orgel. Bey
mir iſt mehr, als eine, in Unordnung. Was
bey manchem Rath iſt, iſt bey mir Unrath.

Meine Mutter gieng in Gedanken in ein
Cartheuſerkloſter, und ſah’ es ein, daß der

Menſch
D 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0059" n="53"/>
wie der, der ihm begegnet, und dem der Cam-<lb/>
rad &#x017F;einen Sold, &#x017F;ein ta&#x0364;glich Brod gebrochen,<lb/>
ein ganzes Brod zu geben, auch wollte er,<lb/>
daß &#x017F;eine Kinder und Kindeskinder es tha&#x0364;ten,<lb/>
immerdar. &#x2014; &#x2014; Das i&#x017F;t mein letzter Wille,<lb/>
&#x017F;agte er, und hiemit gab er &#x017F;einem Camera-<lb/>
den die Hand! der den Bettler, der Wittwe<lb/>
zur Regel, abzeichnete und ihn traf. &#x2014; Leb<lb/>
wohl! Du war&#x017F;t ein ehrlicher Junge, und &#x017F;o<lb/>
&#x017F;tirb&#x017F;t du auch. &#x2014; Der Camerad durfte des<lb/>
grau&#x017F;amen Herrn Fa&#x0364;hnrichs wegen nicht wei-<lb/>
nen, de&#x017F;to mehr hielt er aus. Es war auch<lb/>
ein Ausla&#x0364;nder! &#x2014;<lb/><hi rendition="#c"><hi rendition="#fr">Die Nutzanwendung.</hi></hi></p><lb/>
        <p>Mine war das alles meiner Mutter, was<lb/>
der Bettler dem La&#x0364;ufer. Sie war a&#x0364;lter, als<lb/>
der La&#x0364;ufer. Es fiel ihr al&#x017F;o &#x017F;o manches ge-<lb/>
nommene Brod ein! &#x2014; Der Hauptdieb&#x017F;tal<lb/>
war Mine. Noth hin, Noth her. &#x2014; Das<lb/>
Sterbensgewi&#x017F;&#x017F;en i&#x017F;t nicht &#x017F;o leicht zu befrie-<lb/>
digen. Bis auf die Curla&#x0364;nderin lag alles<lb/>
&#x017F;chwer auf ihr. Eine ver&#x017F;timmte Pfeife,<lb/>
&#x017F;chreibt &#x017F;ie, verdirbt die ganze Orgel. Bey<lb/>
mir i&#x017F;t mehr, als eine, in Unordnung. Was<lb/>
bey manchem Rath i&#x017F;t, i&#x017F;t bey mir Unrath.</p><lb/>
        <p>Meine Mutter gieng in Gedanken in ein<lb/>
Cartheu&#x017F;erklo&#x017F;ter, und &#x017F;ah&#x2019; es ein, daß der<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">D 3</fw><fw place="bottom" type="catch">Men&#x017F;ch</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[53/0059] wie der, der ihm begegnet, und dem der Cam- rad ſeinen Sold, ſein taͤglich Brod gebrochen, ein ganzes Brod zu geben, auch wollte er, daß ſeine Kinder und Kindeskinder es thaͤten, immerdar. — — Das iſt mein letzter Wille, ſagte er, und hiemit gab er ſeinem Camera- den die Hand! der den Bettler, der Wittwe zur Regel, abzeichnete und ihn traf. — Leb wohl! Du warſt ein ehrlicher Junge, und ſo ſtirbſt du auch. — Der Camerad durfte des grauſamen Herrn Faͤhnrichs wegen nicht wei- nen, deſto mehr hielt er aus. Es war auch ein Auslaͤnder! — Die Nutzanwendung. Mine war das alles meiner Mutter, was der Bettler dem Laͤufer. Sie war aͤlter, als der Laͤufer. Es fiel ihr alſo ſo manches ge- nommene Brod ein! — Der Hauptdiebſtal war Mine. Noth hin, Noth her. — Das Sterbensgewiſſen iſt nicht ſo leicht zu befrie- digen. Bis auf die Curlaͤnderin lag alles ſchwer auf ihr. Eine verſtimmte Pfeife, ſchreibt ſie, verdirbt die ganze Orgel. Bey mir iſt mehr, als eine, in Unordnung. Was bey manchem Rath iſt, iſt bey mir Unrath. Meine Mutter gieng in Gedanken in ein Cartheuſerkloſter, und ſah’ es ein, daß der Menſch D 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/59
Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/59>, abgerufen am 08.05.2024.