Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781.

Bild:
<< vorherige Seite

zu verbeissen geben; allein der Läufer ver-
bats: gib es, wenn du, ohne selbst zu bet-
teln, es missen kannst, in deinem eigenen Na-
men. Ich will nicht prahlen! -- Das Ge-
wissen eines Sterbenden ist so leicht nicht be-
friedigt -- sagt' er nach einiger Zeit. Der
arme Camerad gab es, und hatte acht gan-
zer Tage, Buß- und Bettage, das heißt: er
konnte in acht Tagen keinen Tropfen Bier
trinken. Es war von seinem Solde. Der
Prediger hatte kein Geld bey sich. Der Stabs-
officier hatte Familie, und die Subalternen
waren noch Billardparthien schuldig. --

Das Gebet des Bußfertigen war kurz!
herzbrechend! Er hatte ein Weib und zwey
Kinder in den Staaten eines andern Herrn,
und hatte im besoffnen, oder welches gleich
viel ist, im zu guten Muth, Handgeld genom-
men. Seine Capitulationsjahre waren ab-
gelaufen. Weib und Kind wollten seine
Schwiegereltern nicht ziehen lassen, und also
-- Solch einen Schuß, der diesem Armen das
Herz bohrte! Gott laß ihn mich nie mehr hö-
ren! -- Seinem Weibe ließ er noch durch seinen
Freund, der ihm den Becher kalten Wassers
auf dem Richtplatz reichte, zur Pflicht ma-
chen, allen alten Bettlern, die so aussähen,

wie

zu verbeiſſen geben; allein der Laͤufer ver-
bats: gib es, wenn du, ohne ſelbſt zu bet-
teln, es miſſen kannſt, in deinem eigenen Na-
men. Ich will nicht prahlen! — Das Ge-
wiſſen eines Sterbenden iſt ſo leicht nicht be-
friedigt — ſagt’ er nach einiger Zeit. Der
arme Camerad gab es, und hatte acht gan-
zer Tage, Buß- und Bettage, das heißt: er
konnte in acht Tagen keinen Tropfen Bier
trinken. Es war von ſeinem Solde. Der
Prediger hatte kein Geld bey ſich. Der Stabs-
officier hatte Familie, und die Subalternen
waren noch Billardparthien ſchuldig. —

Das Gebet des Bußfertigen war kurz!
herzbrechend! Er hatte ein Weib und zwey
Kinder in den Staaten eines andern Herrn,
und hatte im beſoffnen, oder welches gleich
viel iſt, im zu guten Muth, Handgeld genom-
men. Seine Capitulationsjahre waren ab-
gelaufen. Weib und Kind wollten ſeine
Schwiegereltern nicht ziehen laſſen, und alſo
— Solch einen Schuß, der dieſem Armen das
Herz bohrte! Gott laß ihn mich nie mehr hoͤ-
ren! — Seinem Weibe ließ er noch durch ſeinen
Freund, der ihm den Becher kalten Waſſers
auf dem Richtplatz reichte, zur Pflicht ma-
chen, allen alten Bettlern, die ſo ausſaͤhen,

wie
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0058" n="52"/><hi rendition="#fr">zu verbei&#x017F;&#x017F;en</hi> geben; allein der La&#x0364;ufer ver-<lb/>
bats: gib es, wenn du, ohne &#x017F;elb&#x017F;t zu bet-<lb/>
teln, es mi&#x017F;&#x017F;en kann&#x017F;t, in deinem eigenen Na-<lb/>
men. Ich will nicht prahlen! &#x2014; Das Ge-<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;en eines Sterbenden i&#x017F;t &#x017F;o leicht nicht be-<lb/>
friedigt &#x2014; &#x017F;agt&#x2019; er nach einiger Zeit. Der<lb/>
arme Camerad gab es, und hatte acht gan-<lb/>
zer Tage, Buß- und Bettage, das heißt: er<lb/>
konnte in acht Tagen keinen Tropfen Bier<lb/>
trinken. Es war von &#x017F;einem Solde. Der<lb/>
Prediger hatte kein Geld bey &#x017F;ich. Der Stabs-<lb/>
officier hatte Familie, und die Subalternen<lb/>
waren noch Billardparthien &#x017F;chuldig. &#x2014;</p><lb/>
        <p>Das Gebet des Bußfertigen war kurz!<lb/>
herzbrechend! Er hatte ein Weib und zwey<lb/>
Kinder in den Staaten eines andern Herrn,<lb/>
und hatte im be&#x017F;offnen, oder welches gleich<lb/>
viel i&#x017F;t, im zu guten Muth, Handgeld genom-<lb/>
men. Seine Capitulationsjahre waren ab-<lb/>
gelaufen. Weib und Kind wollten &#x017F;eine<lb/>
Schwiegereltern nicht ziehen la&#x017F;&#x017F;en, und al&#x017F;o<lb/>
&#x2014; Solch einen Schuß, der die&#x017F;em Armen das<lb/>
Herz bohrte! Gott laß ihn mich nie mehr ho&#x0364;-<lb/>
ren! &#x2014; Seinem Weibe ließ er noch durch &#x017F;einen<lb/>
Freund, der ihm den Becher kalten Wa&#x017F;&#x017F;ers<lb/>
auf dem Richtplatz reichte, zur Pflicht ma-<lb/>
chen, allen alten Bettlern, die &#x017F;o aus&#x017F;a&#x0364;hen,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">wie</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[52/0058] zu verbeiſſen geben; allein der Laͤufer ver- bats: gib es, wenn du, ohne ſelbſt zu bet- teln, es miſſen kannſt, in deinem eigenen Na- men. Ich will nicht prahlen! — Das Ge- wiſſen eines Sterbenden iſt ſo leicht nicht be- friedigt — ſagt’ er nach einiger Zeit. Der arme Camerad gab es, und hatte acht gan- zer Tage, Buß- und Bettage, das heißt: er konnte in acht Tagen keinen Tropfen Bier trinken. Es war von ſeinem Solde. Der Prediger hatte kein Geld bey ſich. Der Stabs- officier hatte Familie, und die Subalternen waren noch Billardparthien ſchuldig. — Das Gebet des Bußfertigen war kurz! herzbrechend! Er hatte ein Weib und zwey Kinder in den Staaten eines andern Herrn, und hatte im beſoffnen, oder welches gleich viel iſt, im zu guten Muth, Handgeld genom- men. Seine Capitulationsjahre waren ab- gelaufen. Weib und Kind wollten ſeine Schwiegereltern nicht ziehen laſſen, und alſo — Solch einen Schuß, der dieſem Armen das Herz bohrte! Gott laß ihn mich nie mehr hoͤ- ren! — Seinem Weibe ließ er noch durch ſeinen Freund, der ihm den Becher kalten Waſſers auf dem Richtplatz reichte, zur Pflicht ma- chen, allen alten Bettlern, die ſo ausſaͤhen, wie

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/58
Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/58>, abgerufen am 08.05.2024.