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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781.

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geregnet, es wird regnen! -- Wer einen
Garten anlegt, muß für Schatten sorgen.
Wagen gewinnt, wagen verliert. Wenn ich
gehe, komm ich weiter. Solcher Augen-
scheinlichkeiten drengten sich in schwerer
Menge zum Vorschein, wer kann aber daran
Theil nehmen? Wer über Einfälle der nem-
lichen Art lachen? Ists Wunder, daß sich
unsre Redner geflissentlich bemühen, den ge-
meinsten Hut nach der Mode zu stutzen! So
waßerklar waren auch die Hochzeit-Tischre-
den, und das Gedicht, welches Minens ge-
wesener Informator zusammengewürfelt hat-
te. Das Gedicht lief allen an Waßerklarheit
den Rang ab. Ein Reim nahm die Erklä-
rung des andern über sich -- Wie Herr
und Knecht war einer gegen den andern --

Ein alter Edelmann unterschied sich
durch den Brauch, nach Noten zu gähnen,
und hielt dabey ordentlich Melodie. Anfäng-
lich fiel uns diese Musikneigung auf; indes-
sen nahm Herr v. W -- in eigener Person
seine Vertheidigung über, und Herrman, der
nur auf dies Commando gewartet hatte, be-
hauptete, daß das Gähnen die Erfindung der
Cadanzen wäre, die doch heut zu Tage so
treflich beklatscht würden. Man bewunderte

sogar
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geregnet, es wird regnen! — Wer einen
Garten anlegt, muß fuͤr Schatten ſorgen.
Wagen gewinnt, wagen verliert. Wenn ich
gehe, komm ich weiter. Solcher Augen-
ſcheinlichkeiten drengten ſich in ſchwerer
Menge zum Vorſchein, wer kann aber daran
Theil nehmen? Wer uͤber Einfaͤlle der nem-
lichen Art lachen? Iſts Wunder, daß ſich
unſre Redner gefliſſentlich bemuͤhen, den ge-
meinſten Hut nach der Mode zu ſtutzen! So
waßerklar waren auch die Hochzeit-Tiſchre-
den, und das Gedicht, welches Minens ge-
weſener Informator zuſammengewuͤrfelt hat-
te. Das Gedicht lief allen an Waßerklarheit
den Rang ab. Ein Reim nahm die Erklaͤ-
rung des andern uͤber ſich — Wie Herr
und Knecht war einer gegen den andern —

Ein alter Edelmann unterſchied ſich
durch den Brauch, nach Noten zu gaͤhnen,
und hielt dabey ordentlich Melodie. Anfaͤng-
lich fiel uns dieſe Muſikneigung auf; indeſ-
ſen nahm Herr v. W — in eigener Perſon
ſeine Vertheidigung uͤber, und Herrman, der
nur auf dies Commando gewartet hatte, be-
hauptete, daß das Gaͤhnen die Erfindung der
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[535/0545] geregnet, es wird regnen! — Wer einen Garten anlegt, muß fuͤr Schatten ſorgen. Wagen gewinnt, wagen verliert. Wenn ich gehe, komm ich weiter. Solcher Augen- ſcheinlichkeiten drengten ſich in ſchwerer Menge zum Vorſchein, wer kann aber daran Theil nehmen? Wer uͤber Einfaͤlle der nem- lichen Art lachen? Iſts Wunder, daß ſich unſre Redner gefliſſentlich bemuͤhen, den ge- meinſten Hut nach der Mode zu ſtutzen! So waßerklar waren auch die Hochzeit-Tiſchre- den, und das Gedicht, welches Minens ge- weſener Informator zuſammengewuͤrfelt hat- te. Das Gedicht lief allen an Waßerklarheit den Rang ab. Ein Reim nahm die Erklaͤ- rung des andern uͤber ſich — Wie Herr und Knecht war einer gegen den andern — Ein alter Edelmann unterſchied ſich durch den Brauch, nach Noten zu gaͤhnen, und hielt dabey ordentlich Melodie. Anfaͤng- lich fiel uns dieſe Muſikneigung auf; indeſ- ſen nahm Herr v. W — in eigener Perſon ſeine Vertheidigung uͤber, und Herrman, der nur auf dies Commando gewartet hatte, be- hauptete, daß das Gaͤhnen die Erfindung der Cadanzen waͤre, die doch heut zu Tage ſo treflich beklatſcht wuͤrden. Man bewunderte ſogar L l 4

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 535. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/545>, abgerufen am 22.05.2024.