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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781.

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Er glaubte der Frucht dadurch ein Andenken
zu stiften, und ihr eine Art von Erkenntlich-
keit zu beweisen. Mein Vater dachte in Ab-
sicht der Pomeranzen und Citronenkörner an-
ders. Davor war er ein Kernmann; Herr
v. W -- aber ein Blättermann --

Bey Tafel war Herr v. W -- der gefäl-
ligste Wirth, den man sich nur denken
kann.

Er fieng eine Unterredung an, oder brach
sie schnell ab, je nachdem es Zeit und Gele-
genheit wolten.

Den guten Pastor, der heute alles wohl-
gemacht hatte, brachte er in die Enge, indem
Herr v. W -- den undeutschen Anfang des
Vater unsers auf die Rechnung der Höflich-
keit schrieb. Das Substantivum solte über-
haupt vor dem Adjunctivo zu stehen kom-
men --

Eine Unterredung fiel mir sehr auf, die
Herr v. W -- so recht aus dem Innersten
seines Herzens geschöpft zu haben anschien.
Grobe Leute, sagt' er, sind glücklicher, als
die Höflichen. Für Grobe fürchtet fich Je-
dermann. Man freuet sich, wenn sie ein Lä-
cheln wo leuchten laßen. -- Ich habe Leute
gekannt, die sich durch Grobheit als Ge-

lehrte,

Er glaubte der Frucht dadurch ein Andenken
zu ſtiften, und ihr eine Art von Erkenntlich-
keit zu beweiſen. Mein Vater dachte in Ab-
ſicht der Pomeranzen und Citronenkoͤrner an-
ders. Davor war er ein Kernmann; Herr
v. W — aber ein Blaͤttermann —

Bey Tafel war Herr v. W — der gefaͤl-
ligſte Wirth, den man ſich nur denken
kann.

Er fieng eine Unterredung an, oder brach
ſie ſchnell ab, je nachdem es Zeit und Gele-
genheit wolten.

Den guten Paſtor, der heute alles wohl-
gemacht hatte, brachte er in die Enge, indem
Herr v. W — den undeutſchen Anfang des
Vater unſers auf die Rechnung der Hoͤflich-
keit ſchrieb. Das Subſtantivum ſolte uͤber-
haupt vor dem Adjunctivo zu ſtehen kom-
men —

Eine Unterredung fiel mir ſehr auf, die
Herr v. W — ſo recht aus dem Innerſten
ſeines Herzens geſchoͤpft zu haben anſchien.
Grobe Leute, ſagt’ er, ſind gluͤcklicher, als
die Hoͤflichen. Fuͤr Grobe fuͤrchtet fich Je-
dermann. Man freuet ſich, wenn ſie ein Laͤ-
cheln wo leuchten laßen. — Ich habe Leute
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[530/0540] Er glaubte der Frucht dadurch ein Andenken zu ſtiften, und ihr eine Art von Erkenntlich- keit zu beweiſen. Mein Vater dachte in Ab- ſicht der Pomeranzen und Citronenkoͤrner an- ders. Davor war er ein Kernmann; Herr v. W — aber ein Blaͤttermann — Bey Tafel war Herr v. W — der gefaͤl- ligſte Wirth, den man ſich nur denken kann. Er fieng eine Unterredung an, oder brach ſie ſchnell ab, je nachdem es Zeit und Gele- genheit wolten. Den guten Paſtor, der heute alles wohl- gemacht hatte, brachte er in die Enge, indem Herr v. W — den undeutſchen Anfang des Vater unſers auf die Rechnung der Hoͤflich- keit ſchrieb. Das Subſtantivum ſolte uͤber- haupt vor dem Adjunctivo zu ſtehen kom- men — Eine Unterredung fiel mir ſehr auf, die Herr v. W — ſo recht aus dem Innerſten ſeines Herzens geſchoͤpft zu haben anſchien. Grobe Leute, ſagt’ er, ſind gluͤcklicher, als die Hoͤflichen. Fuͤr Grobe fuͤrchtet fich Je- dermann. Man freuet ſich, wenn ſie ein Laͤ- cheln wo leuchten laßen. — Ich habe Leute gekannt, die ſich durch Grobheit als Ge- lehrte,

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 530. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/540>, abgerufen am 22.11.2024.