Minen; allein ich widerlegte mich selbst. Wohlgehen steht vor lang Leben im vierten Gebot, und krank seyn ist nicht leben, nicht sterben. Fast ists ein Mittelding, bey dem jedem einfallen muß: o daß du kalt, oder warm wärest! Es gab eine Zeit, wo ich den Tod schlechthin aufsuchte, und siehe da, ich hatte weder ihn funden, noch das Leben behalten --
Ich erhielt meinen Abschied nicht, sondern einen Auftrag zu einer wichtigen Reise. Ich weiß keinem dies Geschäfte zu übertra- gen, der es so, wie ihr, betreiben könn- te, schrieb die Kayserin, und ihr Wunsch, daß die Veränderung der Luft meine Gesundheit wieder herstellen möchte, war mir das, was jeder Rausch ist. Ich fühlte keinen Schmerz und reisete nach Petersburg, und sodann --
Wie bald ich von meinem Jesuiterräuschen wieder nüchtern worden, darf ich nicht be- merken! --
Wer meinen Auftrag näher kennen lernen will, dem dient zur Antwort, daß er geheim war, wer wohin? frägt, kann gründlicher beschieden werden. Freund! da, wo man früher, als in Rußland, eine Pfeife im Grü- nen raucht, frühe Spargel ißt, und den Wein aus der ersten Hand hat. Wegen der Man-
schet-
Minen; allein ich widerlegte mich ſelbſt. Wohlgehen ſteht vor lang Leben im vierten Gebot, und krank ſeyn iſt nicht leben, nicht ſterben. Faſt iſts ein Mittelding, bey dem jedem einfallen muß: o daß du kalt, oder warm waͤreſt! Es gab eine Zeit, wo ich den Tod ſchlechthin aufſuchte, und ſiehe da, ich hatte weder ihn funden, noch das Leben behalten —
Ich erhielt meinen Abſchied nicht, ſondern einen Auftrag zu einer wichtigen Reiſe. Ich weiß keinem dies Geſchaͤfte zu uͤbertra- gen, der es ſo, wie ihr, betreiben koͤnn- te, ſchrieb die Kayſerin, und ihr Wunſch, daß die Veraͤnderung der Luft meine Geſundheit wieder herſtellen moͤchte, war mir das, was jeder Rauſch iſt. Ich fuͤhlte keinen Schmerz und reiſete nach Petersburg, und ſodann —
Wie bald ich von meinem Jeſuiterraͤuſchen wieder nuͤchtern worden, darf ich nicht be- merken! —
Wer meinen Auftrag naͤher kennen lernen will, dem dient zur Antwort, daß er geheim war, wer wohin? fraͤgt, kann gruͤndlicher beſchieden werden. Freund! da, wo man fruͤher, als in Rußland, eine Pfeife im Gruͤ- nen raucht, fruͤhe Spargel ißt, und den Wein aus der erſten Hand hat. Wegen der Man-
ſchet-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0374"n="366"/>
Minen; allein ich widerlegte mich ſelbſt.<lb/>
Wohlgehen ſteht vor lang Leben im vierten<lb/>
Gebot, und krank ſeyn iſt nicht leben, nicht<lb/>ſterben. Faſt iſts ein Mittelding, bey dem<lb/>
jedem einfallen muß: o daß du kalt, oder warm<lb/>
waͤreſt! Es gab eine Zeit, wo ich den Tod<lb/>ſchlechthin aufſuchte, und ſiehe da, ich hatte<lb/>
weder ihn funden, noch das Leben behalten —</p><lb/><p>Ich erhielt meinen Abſchied nicht, ſondern<lb/>
einen Auftrag zu einer wichtigen Reiſe. <hirendition="#fr">Ich<lb/>
weiß keinem dies Geſchaͤfte zu uͤbertra-<lb/>
gen, der es ſo, wie ihr, betreiben koͤnn-<lb/>
te,</hi>ſchrieb die Kayſerin, und ihr Wunſch, daß<lb/>
die Veraͤnderung der Luft meine Geſundheit<lb/>
wieder herſtellen moͤchte, war mir das, was<lb/>
jeder Rauſch iſt. Ich fuͤhlte keinen Schmerz<lb/>
und reiſete nach Petersburg, und ſodann —</p><lb/><p>Wie bald ich von meinem Jeſuiterraͤuſchen<lb/>
wieder nuͤchtern worden, darf ich nicht be-<lb/>
merken! —</p><lb/><p>Wer meinen Auftrag naͤher kennen lernen<lb/>
will, dem dient zur Antwort, daß er geheim<lb/>
war, wer <hirendition="#fr">wohin?</hi> fraͤgt, kann gruͤndlicher<lb/>
beſchieden werden. Freund! da, wo man<lb/>
fruͤher, als in Rußland, eine Pfeife im Gruͤ-<lb/>
nen raucht, fruͤhe Spargel ißt, und den Wein<lb/>
aus der erſten Hand hat. Wegen der Man-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">ſchet-</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[366/0374]
Minen; allein ich widerlegte mich ſelbſt.
Wohlgehen ſteht vor lang Leben im vierten
Gebot, und krank ſeyn iſt nicht leben, nicht
ſterben. Faſt iſts ein Mittelding, bey dem
jedem einfallen muß: o daß du kalt, oder warm
waͤreſt! Es gab eine Zeit, wo ich den Tod
ſchlechthin aufſuchte, und ſiehe da, ich hatte
weder ihn funden, noch das Leben behalten —
Ich erhielt meinen Abſchied nicht, ſondern
einen Auftrag zu einer wichtigen Reiſe. Ich
weiß keinem dies Geſchaͤfte zu uͤbertra-
gen, der es ſo, wie ihr, betreiben koͤnn-
te, ſchrieb die Kayſerin, und ihr Wunſch, daß
die Veraͤnderung der Luft meine Geſundheit
wieder herſtellen moͤchte, war mir das, was
jeder Rauſch iſt. Ich fuͤhlte keinen Schmerz
und reiſete nach Petersburg, und ſodann —
Wie bald ich von meinem Jeſuiterraͤuſchen
wieder nuͤchtern worden, darf ich nicht be-
merken! —
Wer meinen Auftrag naͤher kennen lernen
will, dem dient zur Antwort, daß er geheim
war, wer wohin? fraͤgt, kann gruͤndlicher
beſchieden werden. Freund! da, wo man
fruͤher, als in Rußland, eine Pfeife im Gruͤ-
nen raucht, fruͤhe Spargel ißt, und den Wein
aus der erſten Hand hat. Wegen der Man-
ſchet-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 366. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/374>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.