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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781.

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Ich weiß, sagte Herr v. G --, da kam er
einst mit dem Euthydemus vom Fechtboden,
die Frau Professorin, anstatt den Tisch zu de-
cken, kehrt' ihn um und um. Euthydemus,
ungewohnt gegen Weiber seine Stärke zu zei-
gen, wünschte vor Tisch eine gesegnete Mahl-
zeit. Nicht also, sagte der Herr Professor.
That denn nicht jüngst eine Henne das nehm-
liche, da ich das Vergnügen hatte bey Ihnen
zu essen? Mein Vater lies den Herrn v.
G --, dem er ein für allemal nicht gestattete,
sich des Sokrates anzunehmen, obgleich we-
der die Henne, noch der um und um gewor-
fene Tisch der christlichen Religion Schaden
oder Leides thun konnte, so unangehalten
nicht mit dieser Geschichte. Er zeigte sehr ge-
lehrt, wie zwar Ornis eine Henne bedeute;
allein im gegenwärtigen Verstande schwerlich,
und heißt denn anastrephein trapezan um und
um kehren? Hier würde es um so weniger
passen, da ich noch nie gesehen, daß eine Hen-
ne den Tisch umgekehrt. Die Geschichte,
fuhr mein Vater fort, ist aus dem Plutarch
-- allein der gute Herr v. G -- nahm ihn bey
der Hand, kehrte den Tisch nicht um und um,
sondern wußte meinen Vater so vortreflich
einzulenken, daß er fortfuhr, und die Wahr-

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R 5

Ich weiß, ſagte Herr v. G —, da kam er
einſt mit dem Euthydemus vom Fechtboden,
die Frau Profeſſorin, anſtatt den Tiſch zu de-
cken, kehrt’ ihn um und um. Euthydemus,
ungewohnt gegen Weiber ſeine Staͤrke zu zei-
gen, wuͤnſchte vor Tiſch eine geſegnete Mahl-
zeit. Nicht alſo, ſagte der Herr Profeſſor.
That denn nicht juͤngſt eine Henne das nehm-
liche, da ich das Vergnuͤgen hatte bey Ihnen
zu eſſen? Mein Vater lies den Herrn v.
G —, dem er ein fuͤr allemal nicht geſtattete,
ſich des Sokrates anzunehmen, obgleich we-
der die Henne, noch der um und um gewor-
fene Tiſch der chriſtlichen Religion Schaden
oder Leides thun konnte, ſo unangehalten
nicht mit dieſer Geſchichte. Er zeigte ſehr ge-
lehrt, wie zwar Ὄρνις eine Henne bedeute;
allein im gegenwaͤrtigen Verſtande ſchwerlich,
und heißt denn αναϛρέφειν τράπεζαν um und
um kehren? Hier wuͤrde es um ſo weniger
paſſen, da ich noch nie geſehen, daß eine Hen-
ne den Tiſch umgekehrt. Die Geſchichte,
fuhr mein Vater fort, iſt aus dem Plutarch
— allein der gute Herr v. G — nahm ihn bey
der Hand, kehrte den Tiſch nicht um und um,
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einzulenken, daß er fortfuhr, und die Wahr-

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[265/0271] Ich weiß, ſagte Herr v. G —, da kam er einſt mit dem Euthydemus vom Fechtboden, die Frau Profeſſorin, anſtatt den Tiſch zu de- cken, kehrt’ ihn um und um. Euthydemus, ungewohnt gegen Weiber ſeine Staͤrke zu zei- gen, wuͤnſchte vor Tiſch eine geſegnete Mahl- zeit. Nicht alſo, ſagte der Herr Profeſſor. That denn nicht juͤngſt eine Henne das nehm- liche, da ich das Vergnuͤgen hatte bey Ihnen zu eſſen? Mein Vater lies den Herrn v. G —, dem er ein fuͤr allemal nicht geſtattete, ſich des Sokrates anzunehmen, obgleich we- der die Henne, noch der um und um gewor- fene Tiſch der chriſtlichen Religion Schaden oder Leides thun konnte, ſo unangehalten nicht mit dieſer Geſchichte. Er zeigte ſehr ge- lehrt, wie zwar Ὄρνις eine Henne bedeute; allein im gegenwaͤrtigen Verſtande ſchwerlich, und heißt denn αναϛρέφειν τράπεζαν um und um kehren? Hier wuͤrde es um ſo weniger paſſen, da ich noch nie geſehen, daß eine Hen- ne den Tiſch umgekehrt. Die Geſchichte, fuhr mein Vater fort, iſt aus dem Plutarch — allein der gute Herr v. G — nahm ihn bey der Hand, kehrte den Tiſch nicht um und um, ſondern wußte meinen Vater ſo vortreflich einzulenken, daß er fortfuhr, und die Wahr- heit R 5

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 265. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/271>, abgerufen am 27.11.2024.