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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781.

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solche Ehefehler begehen! Wer hieß ihn denn
hier Unterricht nehmen? Kein Weiser muß
von einem Weibe lernen. Wer eine Mamsell
gehabt, behält etwas mamsellähnliches, wenn
gleich er Feldmarschall wird. Das ganze
schöne Geschlecht lehren, das kann der Weise!
Sokrates hatte freylich das, was ihm am
Körper abgieng, durch Seele in Rücksicht sei-
ner Weiber ersetzen können und sollen. That
ers denn nicht? Wer weiß es. Ist es denn
so unrecht, doß er gesagt hat:
tous men andras, tois poleos nomois dei peithesthai-
tas de gunaikas tois ton sunoikounton andron
ethesi.

Ist denn nicht der Mann der Gesetzgeber sei-
nes Weibes? Was kann ein Weib ohne
Mann? Wäre ich Sokrates gewesen, würd
ich freylich meine Philosophie im eigenen
Hause zu üben angefangen haben: wer singt
indessen nicht den andern Diskant, wenn die
Frau Zeit und Stunde trift, und das rechte
Lied? Lies denn Sokrates sein Haus ohne
Unterricht? Bracht' er nicht Freunde ins
Haus, ohn ein Dresdner Service, und ohne
zu den ersten Leckerbissen seiner Frauen Geld
gelassen zu haben?

Ich

ſolche Ehefehler begehen! Wer hieß ihn denn
hier Unterricht nehmen? Kein Weiſer muß
von einem Weibe lernen. Wer eine Mamſell
gehabt, behaͤlt etwas mamſellaͤhnliches, wenn
gleich er Feldmarſchall wird. Das ganze
ſchoͤne Geſchlecht lehren, das kann der Weiſe!
Sokrates hatte freylich das, was ihm am
Koͤrper abgieng, durch Seele in Ruͤckſicht ſei-
ner Weiber erſetzen koͤnnen und ſollen. That
ers denn nicht? Wer weiß es. Iſt es denn
ſo unrecht, doß er geſagt hat:
τȣ̀ς μὲν ἄνδρας, τοῖς πόλεως νόμοις δεῖ πείϑεσϑαι-
τὰς δὲ γυναῖκας τοῖς τῶν συνοικȣ́ντων ἀνδρῶν
ἤϑεσι.

Iſt denn nicht der Mann der Geſetzgeber ſei-
nes Weibes? Was kann ein Weib ohne
Mann? Waͤre ich Sokrates geweſen, wuͤrd
ich freylich meine Philoſophie im eigenen
Hauſe zu uͤben angefangen haben: wer ſingt
indeſſen nicht den andern Diſkant, wenn die
Frau Zeit und Stunde trift, und das rechte
Lied? Lies denn Sokrates ſein Haus ohne
Unterricht? Bracht’ er nicht Freunde ins
Haus, ohn ein Dresdner Service, und ohne
zu den erſten Leckerbiſſen ſeiner Frauen Geld
gelaſſen zu haben?

Ich
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[264/0270] ſolche Ehefehler begehen! Wer hieß ihn denn hier Unterricht nehmen? Kein Weiſer muß von einem Weibe lernen. Wer eine Mamſell gehabt, behaͤlt etwas mamſellaͤhnliches, wenn gleich er Feldmarſchall wird. Das ganze ſchoͤne Geſchlecht lehren, das kann der Weiſe! Sokrates hatte freylich das, was ihm am Koͤrper abgieng, durch Seele in Ruͤckſicht ſei- ner Weiber erſetzen koͤnnen und ſollen. That ers denn nicht? Wer weiß es. Iſt es denn ſo unrecht, doß er geſagt hat: τȣ̀ς μὲν ἄνδρας, τοῖς πόλεως νόμοις δεῖ πείϑεσϑαι- τὰς δὲ γυναῖκας τοῖς τῶν συνοικȣ́ντων ἀνδρῶν ἤϑεσι. Iſt denn nicht der Mann der Geſetzgeber ſei- nes Weibes? Was kann ein Weib ohne Mann? Waͤre ich Sokrates geweſen, wuͤrd ich freylich meine Philoſophie im eigenen Hauſe zu uͤben angefangen haben: wer ſingt indeſſen nicht den andern Diſkant, wenn die Frau Zeit und Stunde trift, und das rechte Lied? Lies denn Sokrates ſein Haus ohne Unterricht? Bracht’ er nicht Freunde ins Haus, ohn ein Dresdner Service, und ohne zu den erſten Leckerbiſſen ſeiner Frauen Geld gelaſſen zu haben? Ich

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 264. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/270>, abgerufen am 27.11.2024.