In Göttingen spielt' ich auf Fechtboden und Reithaus Alexander, wiewohl ohne an jene jugendliche Ritterspiele zu denken, deren vorgestecktes Kleinod Mine war. Berlin aber sah ich vor mir; den Paradeplatz nem- lich in Berlin und in Potsdam, wo der Kö- nig, wie die Sonn' auf ein Geländer Pfir- schen, wirkt; dann schien es, daß sich ein Ge- danke in mir hob, der wollte und noch nicht konnte. Man muß ihm seine neun Monden Zeit lassen! -- Getauft soll er werden, wenn er zur Welt kommt. --
Ich studirte die Mathematik. Sie, dacht' ich, ist zu allen Dingen nütze. Sie ist das Lineal, und lehrt, sich bey allen Wissenschaf- ten gerade halten. Selbst Cicero maaß -- -- Doch hatt' er nicht zu viel Mathematik in seinen Reden?
Zu viel Mathematik im Felde taugt nicht. Was meynen meine Leser vom ciceroniani- schen Kriege?
Mein Vater war mit dem ganzen Gange meiner Studien, den ich ihm getreulich und sonder Gefehrde vorlegte, zufrieden. Meine Mutter empfahl mir, große Männer zu hö- ren, die sich hören ließen, um ihren Aus- druck beyzubehalten, und ich lernte hier einen
kennen,
In Goͤttingen ſpielt’ ich auf Fechtboden und Reithaus Alexander, wiewohl ohne an jene jugendliche Ritterſpiele zu denken, deren vorgeſtecktes Kleinod Mine war. Berlin aber ſah ich vor mir; den Paradeplatz nem- lich in Berlin und in Potsdam, wo der Koͤ- nig, wie die Sonn’ auf ein Gelaͤnder Pfir- ſchen, wirkt; dann ſchien es, daß ſich ein Ge- danke in mir hob, der wollte und noch nicht konnte. Man muß ihm ſeine neun Monden Zeit laſſen! — Getauft ſoll er werden, wenn er zur Welt kommt. —
Ich ſtudirte die Mathematik. Sie, dacht’ ich, iſt zu allen Dingen nuͤtze. Sie iſt das Lineal, und lehrt, ſich bey allen Wiſſenſchaf- ten gerade halten. Selbſt Cicero maaß — — Doch hatt’ er nicht zu viel Mathematik in ſeinen Reden?
Zu viel Mathematik im Felde taugt nicht. Was meynen meine Leſer vom ciceroniani- ſchen Kriege?
Mein Vater war mit dem ganzen Gange meiner Studien, den ich ihm getreulich und ſonder Gefehrde vorlegte, zufrieden. Meine Mutter empfahl mir, große Maͤnner zu hoͤ- ren, die ſich hoͤren ließen, um ihren Aus- druck beyzubehalten, und ich lernte hier einen
kennen,
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0018"n="10"/><p>In Goͤttingen ſpielt’ ich auf Fechtboden<lb/>
und Reithaus Alexander, wiewohl ohne an<lb/>
jene jugendliche Ritterſpiele zu denken, deren<lb/>
vorgeſtecktes Kleinod <hirendition="#fr">Mine</hi> war. <hirendition="#fr">Berlin</hi><lb/>
aber ſah ich vor mir; den Paradeplatz nem-<lb/>
lich in Berlin und in Potsdam, wo der Koͤ-<lb/>
nig, wie die Sonn’ auf ein Gelaͤnder Pfir-<lb/>ſchen, wirkt; dann ſchien es, daß ſich ein Ge-<lb/>
danke in mir hob, der wollte und noch nicht<lb/>
konnte. Man muß ihm ſeine neun Monden<lb/>
Zeit laſſen! — Getauft ſoll er werden, wenn<lb/>
er zur Welt kommt. —</p><lb/><p>Ich ſtudirte die Mathematik. Sie, dacht’<lb/>
ich, iſt zu allen Dingen nuͤtze. Sie iſt das<lb/>
Lineal, und lehrt, ſich bey allen Wiſſenſchaf-<lb/>
ten gerade halten. Selbſt Cicero maaß —<lb/>— Doch hatt’ er nicht zu viel Mathematik<lb/>
in ſeinen Reden?</p><lb/><p>Zu viel Mathematik im Felde taugt nicht.<lb/>
Was meynen meine Leſer vom ciceroniani-<lb/>ſchen Kriege?</p><lb/><p>Mein Vater war mit dem ganzen Gange<lb/>
meiner Studien, den ich ihm getreulich und<lb/>ſonder Gefehrde vorlegte, zufrieden. Meine<lb/>
Mutter empfahl mir, große Maͤnner zu hoͤ-<lb/>
ren, <hirendition="#fr">die ſich hoͤren ließen,</hi> um ihren Aus-<lb/>
druck beyzubehalten, und ich lernte hier einen<lb/><fwplace="bottom"type="catch">kennen,</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[10/0018]
In Goͤttingen ſpielt’ ich auf Fechtboden
und Reithaus Alexander, wiewohl ohne an
jene jugendliche Ritterſpiele zu denken, deren
vorgeſtecktes Kleinod Mine war. Berlin
aber ſah ich vor mir; den Paradeplatz nem-
lich in Berlin und in Potsdam, wo der Koͤ-
nig, wie die Sonn’ auf ein Gelaͤnder Pfir-
ſchen, wirkt; dann ſchien es, daß ſich ein Ge-
danke in mir hob, der wollte und noch nicht
konnte. Man muß ihm ſeine neun Monden
Zeit laſſen! — Getauft ſoll er werden, wenn
er zur Welt kommt. —
Ich ſtudirte die Mathematik. Sie, dacht’
ich, iſt zu allen Dingen nuͤtze. Sie iſt das
Lineal, und lehrt, ſich bey allen Wiſſenſchaf-
ten gerade halten. Selbſt Cicero maaß —
— Doch hatt’ er nicht zu viel Mathematik
in ſeinen Reden?
Zu viel Mathematik im Felde taugt nicht.
Was meynen meine Leſer vom ciceroniani-
ſchen Kriege?
Mein Vater war mit dem ganzen Gange
meiner Studien, den ich ihm getreulich und
ſonder Gefehrde vorlegte, zufrieden. Meine
Mutter empfahl mir, große Maͤnner zu hoͤ-
ren, die ſich hoͤren ließen, um ihren Aus-
druck beyzubehalten, und ich lernte hier einen
kennen,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/18>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.